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18217 11 El Venizelos Piraeus27 2017 Kai OrtelEin seltener Anblick: Nur an den Wochenenden in der Hochsaison unternimmt die EL. VENIZELOS neben ihren Nacht- auch Tagesfahrten zwischen Piräus (Foto) und Chania. Fotos: Kai Ortel, Berlin

 

Kai Ortel
EL. VENIZELOS – Kreta-Fähre mit schwedischer Vergangenheit

Die EL. VENIZELOS gehört noch immer zu den größten Fähren im Mittelmeer. Doch mit ihr mit zu fahren, ist in den letzten Jahren gar nicht so einfach gewesen. Im Sommer regelmäßig nach Nordafrika verchartert, war das Schiff in der Nebensaison meist aufgelegt bzw. wie zuletzt sogar als Flüchtlingsunterkunft im Einsatz. Dabei ist eine Fahrt mit diesem Schiff eine Zeitreise der ganz besonderen Art.
Schon ihre äußere Form macht sie in Piräus unverwechselbar. Aber kommt sie einem nicht auch gleichzeitig merkwürdig bekannt vor? Auch das. Denn diese Silhouette gehörte immerhin 25 Jahre lang auch an der deutschen Küste fast zum Stadtbild. Die EL. VENIZELOS ist nämlich ein Schwesterschiff der ehemaligen Kiel – Göteborg-Fähren STENA GERMANICA und STENA SCANDINAVICA von 1987/88. Ursprünglich hatte die schwedische Stena Line 1979 vier Einheiten dieses Typs geordert. Das dritte davon wurde im Juli 1983 auf Kiel gelegt und lief 1984 vom Stapel, allerdings ging der Bau der als STENA POLONICA geplanten Fähre aufgrund der sozialen Unruhen und ständiger Streiks auf der polnischen Bauwerft nur schleppend voran. 1986 trat Stena daher vom Kauf zurück und ließ nur die ersten beiden Einheiten zu Ende bauen. Rumpf Nr. 3 wurde schließlich 1988 halbfertig von den norwegischen Fred. Olsen Lines gekauft, die das Schiff als BONANZA beim Bremer Vulkan fertig stellen lassen wollten.
Doch auch daraus wurde nichts. Ohne Umbau veräußerte Fred. Olsen den Torso weiter an die griechischen ANEK Lines, unter deren Flagge er im Februar 1989 in Eleusis eintraf. Erst dort begann im November der Um- und Fertigbau des im Juni 1990 in KYDON II umbenannten Schiffes. Zu dem Kaufpreis von 16,5 Millionen $ kamen nun noch einmal Umbaukosten in Höhe von 160 Millionen $ hinzu – das Projekt KYDON II war bis zu diesem Zeitpunkt der größte Schiffsumbau in Griechenland überhaupt.

Groß und (zu) langsam
War die Indienststellung der Jumbofähre zunächst für 1991 geplant gewesen, verzögerte sich diese letztendlich bis zum Sommer 1992. Doch dafür stieß das neue ANEK Lines-Flaggschiff pünktlich zum 25jährigen Jubiläum ihrer Reederei zur Flotte. Getauft 1992 auf den Namen des kretischen (und griechischen) Staatsmannes Eleftherios Venizelos (1864-1936), setzte die EL. VENIZELOS in der griechischen Fährschifffahrt, aber auch darüber hinaus, neue Maßstäbe und sollte für viele Jahre die größte und luxuriöseste Nachtfähre im Mittelmeer bleiben.
Eines war jedoch problematisch: Mit ihrer enormen Kapazität von 3.000 Passagieren, 1.600 Betten und 750 Autos war sie für die ANEK Lines-Stammstrecken zwischen Piräus und Kreta, wo sie zunächst eingesetzt wurde, schlicht zu groß. Schnell wechselte die EL. VENIZELOS daher zumindest im Sommer auf die Adria-Verbindungen zwischen Griechenland und Italien, die nicht zuletzt aufgrund des Zerfalls Jugoslawiens und der damit verbundenen Nichtbenutzbarkeit des Landweges zwischen Mittel- und Südeuropa Anfang der 1990er Jahre einen rasanten Aufschwung erfuhren. Doch die Konkurrenz schlief nicht: Nicht nur ANEK Lines, sondern auch andere Reedereien trugen der gestiegenen Nachfrage bald mit Fährschiffen Rechnung, die nicht nur komfortabler, sondern auch schneller waren als das Schiff, das einmal für einen Dienst zwischen Schweden und England vorgesehen gewesen war. Plötzlich war die EL. VENIZELOS nicht nur zu groß, sondern selbst mit ihren respektablen 21,5 Knoten auch zu langsam. 2000/01 markierte die Indienststellung der beiden ANEK Lines-Neubauten OLYMPIC CHAMPION und HELLENIC SPIRIT das vorläufige Ende der EL. VENIZELOS in griechischen Gewässern. Stattdessen wurde sie fortan verchartert; zwischen 2004 und 2011 jeweils im Sommer an die tunesische COTUNAV, 2013 an SNCM, 2014 an Goin Sardinia, 2015 als Flüchtlingsschiff an die griechische Regierung und 2016 an Africa Morocco Link. Von der charterlosen Saison 2012 abgesehen, kehrte die EL. VENIZELOS erst 2017 wieder dauerhaft in ihre Heimatgewässer zurück, und zwar auf jene Fährlinie, mit der auch für ihre Reederei einmal alles angefangen hatte: Piräus – Chania.

IKEA meets Eigenbau
Im Hafen von Piräus überragt die EL. VENIZELOS mit ihren 11 Decks auch an diesem 24. Juli 2017 mühelos die Fähren links und rechts neben ihr. Schatten spendet sie tagsüber dennoch nicht: Mit ein paar Sonnenschirmen müssen sich die wartenden Passagiere bis zum Boarding am Abend begnügen. Um 19 Uhr ist es endlich soweit. Da die Kreta-Fähren selbst in der Hochsaison nur an den Wochenenden zusätzlich zu ihren Nachtfahrten auch Tagesfahrten unternehmen (Abfahrt 10 Uhr, Ankunft 19 Uhr), hat es unter der Woche mit der Einschiffung niemand eilig. Auch den Zeitpunkt des Boardings kann oder will einem niemand vorab nennen, und schriftlich fixiert ist er schon gar nicht. Dies ist Griechenland, nicht Kiel. Der erste äußere Eindruck des Schiffes ist aber ansprechend: Abgesehen von einem verrußten Lüftungsfenster auf Deck 5 scheint die EL. VENIZELOS gut in Schuss zu sein. Am Heck weist auf beiden Seiten des Rumpfes sogar ein Sticker auf das Reedereijubiläum hin. „50 χρόνια – Years” steht dort.
An Bord geht es in Griechenlands Fährhafen Nr. 1 über das Heck, wo lange Rolltreppen neben der Autorampe hinauf in die öffentlichen Räume des Schiffes führen. Und dort landet man ebenso wie auf den schwedischen Schwesterschiffen auf Deck 7, denn auch an Bord der EL. VENIZELOS ist genau hier die Rezeption untergebracht. Gleich dahinter befindet sich auch schon meine Kabine. Nr. 7216 ist eine Einzelkabine, die früher mal eine Zweibettkabine gewesen ist, das jedenfalls besagt mein Ticket. Tatsächlich aber steht da noch immer ein lupenreines Doppelstockbett, nur dass auf dieser Fahrt eben das Oberbett nicht belegt ist. Und die Einrichtung selber? Der Boden Laminat im Holz-Look, und Bett, Stühle und Schrank ebenfalls in Kiefern-Optik – ein Ensemble wie aus dem IKEA-Katalog. Göteborg, in einer anderen Zeitlinie Heimathafen der STENA POLONICA, mag weit weg sein, in Kabine 7216 der EL. VENIZELOS ist Schweden jedoch auf ganze eigene Art plötzlich ganz nah. Ein Deck unter mir rumpeln derweil laut hörbar die Lastwagen über das Stahldeck, doch ans Schlafen wollen wir ja vorerst noch nicht denken. Schnell das Gepäck abgeworfen, und dann wollen wir doch mal sehen, was von dem Stena-Schiff sonst noch so übrig ist im Jahr 2017.
Abgesehen von haufenweise Kabinen und einem Raum mit Ruhesesseln hat Deck 7 nichts weiter zu bieten, das war aber auf der STENA GERMANICA und STENA SCANDINAVICA nicht anders. Die meisten öffentlichen Räume konzentrieren sich bei dieser Schiffsklasse auf die Decks 8 und 9. Und auch auf Deck 8 kann die EL. VENIZELOS ihre Herkunft zunächst nicht verleugnen. Denn hier befindet sich an Bord der griechischen Fähre wie auch schon auf den beiden schwedischen Schwesterschiffen (die seit 2010/11 als STENA VISION und STENA SPIRIT zwischen Karlskrona und dem polnischen Gdynia verkehren) mittschiffs das Shopping-Center. Sortiment und Ambiente mögen unterschiedlich sein, gemein haben die drei Schiffe aber die Lage und die kleine angrenzende Arkade, wo an Backbord eine Reihe von Sesseln zu ruhigen (Lese-)Minuten mit Meerblick einladen. Wenn man denn einen Platz bekommt.
Erst auf Deck 9 werden die Unterschiede zwischen den Bedürfnissen der Ägäis bzw. der Adria und der Ostsee frappierender deutlich. Denn während zwischen Kiel und Göteborg das Hauptaugenmerk lange Zeit auf Kreuzfahrt-Ambiente und kultivierten Bars und Lounges lag, galt und gilt es in griechischen Gewässern, so viele preisbewusste Passagiere wie möglich auf dem vorhandenen Raum unterzubringen. Den Platz des Konferenz-Zentrums ganz vorne im Schiff nimmt daher auf der EL. VENIZELOS die große Main Lounge ein, wo die Sessel und Sofas begehrt sind, um sich dort ohne eine Kabine zu buchen später am Abend möglichst bequem zur Nacht zu betten. Immerhin wirken der Laminat-Boden und die Sessel (in lila und hellgrau) so, als hätte Stenas Design-Firma Figura Architekter aus Göteborg bei der letzten Renovierung der ANEK Lines-Fähre höchst selbst Hand angelegt.
Auch das A la Carte-Restaurant befindet sich auf der EL. VENIZELOS an derselben Stelle wie an Bord der schwedischen Schwesterschiffe, allerdings lässt sich die dahinter gelegene Schiffsküche auch nicht so ohne weiteres um mehrere Decks versetzen. Die riesige Dimension des Restaurants auf dem griechischen Schiff überrascht dann aber doch. Dafür, dass die meisten Passagiere die Fähre nach Kreta nur der Überfahrt wegen buchen, hat man der A la-Carte-Option an Bord reichlich viel Platz eingeräumt. Und es kommt nicht nur ziemlich dunkel daher, sondern ist am Abend auch noch menschenleer. Aber sei’s drum. Am Heck schließlich ist die Lage des Büffet-Restaurants ebenfalls gleichgeblieben. „Self Service” heißt es auf der EL. VENIZELOS schlicht, auf den Stena-Schiffen befindet sich hier das Globetrotter- bzw. Taste-Restaurant. Nach gemütlich Sitzen sieht es allerdings nicht aus, und auch optisch ist der Farb- und Stil-Mix auf dem griechischen Schiff eher bizarr. Lange Reihen weinroter Polstergarnituren gepaart mit Metalltischen Marke Eigenbau, deckenhohen Spiegelwänden und Teppichboden mit Zickzackmuster – naja.
Nach außen hin auffälligster Unterschied gegenüber dem ursprünglich schwedischen Design ist jedoch der „Aufsatz” achtern auf Deck 10/11, der auf der EL. VENIZELOS eine imposante zweistöckige Disco beinhaltet. Als solche genutzt wird der Nachtclub aber nicht. Wie die Main Lounge vorne ist auch die „Disco” vielmehr ein riesiger Schlafsaal mit angegliederter Bar. Gemütlich ist es hier nur während der Tagesfahrten und früh am Abend, wenn das Boarding gerade erst begonnen hat.
Und draußen an Deck? Darf natürlich der obligatorische Swimmingpool nicht fehlen, auch den sucht man zwischen Karlskrona und Gdynia selbstredend vergeblich. Allerdings: Es ist kein Wasser drin, und das verwundert dann doch. Heißer als im Juli wird es in Griechenland schließlich nicht, und selbst wenn abends oder nachts auf der Fahrt nach Kreta niemand plantschen will, wäre während der neun Stunden dauernden Tagesfahrten mehr als genug Zeit und Gelegenheit dazu. Ein Restaurant ohne Gäste, eine Disco ohne Musik, ein Pool ohne Wasser – ihr ganzes Potenzial schöpft die EL. VENIZELOS im Sommer 2017 leider nicht aus.

Ein Kapitän und seine „alte Lady”
Und was denkt der Kapitän über das Schiff? Wir sind zum Auslaufen auf die Brücke eingeladen, als die abendliche „Rush Hour” im Fährhafen Piräus in vollem Gange ist und auch die Crew der EL. VENIZELOS in den letzten Vorbereitungen für die Abfahrt nach Chania steckt. Sie sei sein Lieblingsschiff, erklärt Kapitän Andreas Gasparatos. Eine alte Lady zwar, aber sehr gut geeignet, um sein Wissen und Können in Sachen Manövrierkunst unter Beweis zu stellen. Technisch ist das Schiff auf dem Stand der späten 1970er Jahre, damit komme heutzutage nicht mehr jeder Kapitän zurecht. Darüber hinaus sei die EL. VENIZELOS mit ihrer riesigen Segelfläche auch ideal zum Üben; wer dieses Schiff steuern könne, könne auch alle anderen Fähren der Flotte steuern. Außerdem lobt der Kommandant die robuste Bauweise seines Schiffes. „Wenn die BLUE GALAXY mit dem Pier kollidiert, ist das Schiff kaputt. Wenn die EL. VENIZELOS mit dem Pier kollidiert, ist der Pier kaputt!”, scherzt er. Die BLUE GALAXY ist aktuell das Partnerschiff der ANEK-Fähre auf der Piräus – Chania-Route. Seit 2011 betreibt ANEK Lines die Verbindungen nach Kreta und Patras in einer Fahrplangemeinschaft mit der Attica Group (Superfast Ferries/Blue Star Ferries), was beiden Reedereien einen effizienteren Tonnage-Einsatz erlaubt. (Die BLUE GALAXY ist 1992 in Japan gebaut worden und seit 2000 Teil der ANEK Lines-Flotte.) 1.850 Passagiere, 366 Autos und 71 LKWs sind heute Nacht an Bord, eine mehr als gute Auslastung für einen Montag im Juli. Lediglich in Gegenrichtung ist das Schiff meist nicht ganz so voll wie in Richtung Kreta. Dafür kann sich ANEK Lines auf der Chania-Route der Loyalität der Bevölkerung und Unternehmer Westkretas sicher sein, das ist heute nicht anders als vor 50 Jahren. Damals war die „Anonymi Naftiliaki Etaereia Kritis” (ANEK) als Initiative westkretischer Unternehmer gegründet worden; Anteilseigner der neuen Reederei durften nur Einwohner der größten Insel Griechenlands sein. Zweck der Unternehmensgründung war nach dem Untergang des Passagierschiffes HERAKLION 1966 eine sichere und zuverlässige Schiffsverbindung für die Bauern, Kaufleute und Handwerker Kretas zum griechischen Festland. 1968 kaufte ANEK Lines einen 1953 gebauten Tanker an, den man in Perama zur Autofähre umbauen ließ; im September 1970 nahm das in KYDON umbenannte Schiff seinen Dienst auf der Fährlinie Chania – Piräus auf.
Seit 1973 bedient die Reederei auch die Verbindung Piräus – Heraklion, dort aber hat zumindest in Sachen Passagier-Loyalität der Platzhirsch Minoan Lines die Oberhand. Die beiden Reedereien sind jedoch auch in einem anderen Bereich Rivalen: Beide wollen den innergriechischen Fähranbieter Hellenic Seaways übernehmen. Kapitän Gasparatos gibt dem Angebot der italienischen Minoan-Mutter Grimaldi Group aber keine Chance. Dies sei politisch nicht gewollt. Niemand in Griechenland wolle eine griechische Reederei in den Händen eines nicht-griechischen Konzerns sehen, der dann womöglich noch seine neu erworbenen griechischen Schiffe dazu nutzt, Fährlinien ins Nachbarland Türkei zu eröffnen.
Als die Uhr 22 Uhr schlägt, muss erst noch die NISSOS SAMOS an Backbord neben uns an- und die FESTOS PALACE an Steuerbord ablegen, dann macht auch die EL. VENIZELOS die Leinen los, begleitet von einer Willkommens-Durchsage in makellosem Englisch. Im Saronischen Golf fährt das Schiff noch mit 16 Knoten, auf offener See später dann mit 18,5 bis 19. Alle vier Maschinen braucht die „alte Lady” dafür, dabei sind ihre 34.000 kW (etwa 46.000 PS) noch nicht einmal viel für ein Schiff ihrer Größe. Die Maschinen der OLYMPIC CHAMPION bringen es auf 50.000 kW (67.000 PS), müssen allerdings zwischen Ancona und Patras auch noch ein paar Knoten mehr schaffen.

Halb Kreuzfahrtschiff, halb Schlafsaal
Als die EL. VENIZELOS Piräus verlassen hat, komme ich in den Genuss der griechischen Gastfreundschaft. Meine Innenkabine darf ich auf Geheiß des Kapitäns gegen Suite Nr. 25 auf Deck 10 eintauschen, und ein Abendessen im A la Carte-Restaurant bekomme ich gleich noch mit dazu. Da sagen wir doch ευχαριστώ (Dankeschön) und genießen die Fahrt nach Kreta gleich noch ein bisschen mehr. Denn schon der grüne Salat mit rohem Schinken vorab geht portionsmäßig glatt als Hauptspeise durch. Und auch dem Schweinefilet mit Artischocken und Pilzen als Hauptgericht kann man ohne weiteres Kreuzfahrt-Standard attestieren. Auch vom Abstand zwischen den Tischen im Restaurant kann man bei Aida, Costa & Co. nur träumen. Wie gesagt – Platz spielt in den öffentlichen Räumen der EL. VENIZELOS keine Rolle, und im Gegensatz zu einem rappelvollen Restaurant speist es sich in einem halbleeren sowieso gleich viel schöner. Da darf es selbst hoch oben auf Deck 9 ruhig ein wenig vibrieren.
Der überwiegende Teil der Passagiere hat die EL. VENIZELOS jedoch am späten Abend in eine schwimmende Schlafhalle verwandelt. Auf allen Decks plötzlich ausgerollte Isomatten, Schlafsäcke und Luftmatratzen, so weit das Auge reicht, dazu Rucksäcke, Koffer, Taschen und Tüten in allen Korridoren. Freie Sessel oder Sofas gibt es keine mehr, selbst an Deck haben es sich dank der warmen Sommerluft viele Passagiere für die Nacht bequem gemacht. Fast mit ein wenig schlechtem Gewissen ziehe ich mich in meine Kabine zurück, wo um Mitternacht zwar ein Fernseher auf mich wartet, ich aber nach einem anstrengenden Tag in Piräus selbst dazu zu müde bin. Nur zu einem kleinen rebellischen Akt reicht es noch. Denn die einzige Steckdose weit und breit versorgt ausgerechnet die Mini-Bar mit Strom. Da ist mein Handy-Akku heute Nacht wohl einfach mal wichtiger. In der Mini-Bar sind eh nur zwei Flaschen Wasser.
Meine Nacht verläuft dennoch unruhig. Die Klima-Anlage ist unfassbar laut, außerdem kommen Geräusche und Getrampel von über, unter und neben meiner Kabine. An der ist jedoch ansonsten nichts auszusetzen. Einen Schreibtisch gibt es, einen schönen Polstersessel, besagte Mini-Bar, Parkettfußboden und dazu Wände und Vorhänge in mintgrün. Nur die Nachttischlampe flackert. Und bei offenem Fenster schlafen ging leider auch nicht, denn das Fenster geht hinaus aufs Bootsdeck, und dort herrscht spätestens am Morgen wieder mächtig Betrieb. Schließlich ist die Einfahrt in den Golf von Souda äußerst sehenswert. Der Chania vorgelagerte Hafen, der gleichzeitig Fähranleger und Marinebasis ist, liegt am Ende eines fjordähnlichen Meeresarms und ist an beiden Seiten von bewaldeten Hügelketten und Bergen umgeben. Wenn dann noch früh am Morgen über genau diesen Bergen die Sonne aufgeht – perfekt. Zum Glück ist die Ankunft mit 7 Uhr zwar zeitig, aber nicht wie auf so manch anderer griechischen Fähre allzu unchristlich früh. Da bleibt Zeit genug, um an Deck in Ruhe die Hängematte einzurollen, den Hund anzuleinen und Sack und Pack zusammenzuschnüren, wenn man nicht gerade mit Rollkoffer unterwegs ist. Selbst ein Vogelkäfig mitsamt gefiedertem Bewohner wartet wenig später in einer der Lounges auf die Ausschiffung.
Die allerdings verläuft dann wieder typisch griechisch. Hat man sich als Fußpassagier mitsamt Gepäck im Halbschlaf die engen Treppen und Rolltreppen im Innern des Schiffes hinuntergezwängt, erwartet einen auf dem Kai eine Kakophonie aus hupenden Autos, dem Geknatter von Motorrädern und Mopeds und den Trillerpfeifen der Hafenpolizei, die diesem Chaos tagein, tagaus aufs Neue Herr werden muss. Nachdem die EL. VENIZELOS pünktlich um 7 Uhr festgemacht hat, darf aber wenigstens sie sich bis zum Abend ein wenig ausruhen. Wie es sich für eine alte Lady gehört. www.anek.gr

Technische Daten und Steckbrief MS EL. VENIZELOS
Bauwerft: Stocznia im. Komuny Paryskiej, Gdansk (Polen), 1984 und Avlis Shipyard, Chalkis (Griechenland), 1992; Im Dienst: seit Juni 1992; Ex-Namen: STENA POLONICA (geplant) -1988, BONANZA -1990, KYDON II -1992; Flagge: Griechenland; Heimathafen: Chania; Tonnage: 38.261 BRZ; Länge: 175,40 Meter; Breite: 28,50 Meter; Tiefgang: 6,70 Meter; Passagiere: 3.000; Betten: 1.600; Autos: 750; Leistung: 34.130 kW; Höchstgeschwindigkeit: 21,5 Knoten.

18217 00 El Venizelos Piraeus23 2017 Kai OrtelMit ihren elf Decks ist die EL. VENIZELOS an ihrem Anleger im Hafen von Piräus eine eindrucksvolle Erscheinung.

18217 04 El Venizelos Rezeption01 2017 Kai OrtelEin Hauch von Raumschiff Enterprise: die moderne Rezeption an Bord der EL. VENIZELOS.

18217 05 El Venizelos Innenkabine03 2017 Kai Ortel

Innenkabine 7216 versprüht IKEA-Charme, ist aber modern
und zweckmäßig eingerichtet.

18217 10 El Venizelos Assenkabine01 2017 Kai Ortel

Außenkabine 1025 ist in eleganten Grün- und Türkis-Tönen
eingerichtet.

 

18217 06 El Venizelos Main Lounge01 2017 Kai OrtelReichlich Platz bietet die große Main Lounge vorne auf Deck 9.

18217 07 El Venizelos A la Carte Restaurant01 2017 Kai OrtelVergleichsweise dunkel und schmucklos, dafür aber ebenfalls großzügig dimensioniert ist das A la Carte-Restaurant der EL. VENIZELOS auf Deck 9.

18217 08 El Venizelos Cafeteria02 2017 Kai OrtelDas Büffet-Restaurant befindet sich wie auf der STENA GERMANICA am achteren Ende von Deck 9.

18217 12 Chania04 2017 Kai OrtelSonnenaufgang über Kreta beim Einlaufen in den Golf von Souda am Morgen der Ankunft aus Piräus.

18217 16 El Venizelos Pooldeck10 2017 Kai OrtelSchwimmbecken ohne Wasser – ein Blick über das Pooldeck der EL. VENIZELOS. Die Reedereifarben Blau und Gelb
geben an Bord den Ton an.

18217 18 El Venizelos Bootsdeck14 2017 Kai OrtelOhne Smartphone und Selfies geht gar nichts. Szenen vom Bootsdeck der EL. VENIZELOS kurz vor der Ankunft des
Schiffes in Chania.

18217 19 El Venizelos Chania03 2017 Kai OrtelDie EL. VENIZELOS in ihrem Heimathafen Chania. In die Innenstadt gelangen Fußpassagiere von hier aus per Bus.