SeereisenMagazin Logo klein 347 65DIE GÖTTLICHE · AUSGABE 5/2018hr

18510 01 MSC Divina Genua07 2018 Kai OrtelEin ungewohnter Anblick: Wegen Bauarbeiten am Ponte dei Mille hat die MSC DIVINA in Genua am Containerkai festgemacht.
Fotos: Kai Ortel, Berlin

Kai Ortel

Die Göttliche kehrt zurück
Impressionen einer Mittelmeer-Kreuzfahrt mit der MSC DIVINA

Fünf Jahre lang hatte die MSC DIVINA ihrer italienischen Heimat den Rücken gekehrt, um überwiegend in der Karibik eingesetzt zu werden. Dort Ende 2017 von der neuen MSC SEASIDE abgelöst, kehrte das Schiff im Frühjahr 2018 in seine europäische Heimat zurück. Und wurde dort mit offenen Armen empfangen.

Der Blick aus dem Hotelfenster in Genua wartet jedoch am Morgen der ersten Abfahrt im „Mare Nostrum” mit einer Überraschung auf: Der Ponte dei Mille, mit der altehrwürdigen Stazione Marittima für große wie für kleine Kreuzfahrtschiffe Anlaufpunkt Nr. 1 in der ligurischen Hafenstadt, ist an diesem 28.03. verwaist. Stattdessen hat die MSC DIVINA am Containerkai festgemacht – nicht gerade das, was einer „Göttlichen” gebührt. Seinen Namen hat das Schiff übrigens nicht von ungefähr. Sophia Loren, langjährige Freundin des MSC-Chefs Gianluigi Aponte und wie jener am Fuße des Vesuv aufgewachsen, soll dem Reeder gegenüber den Wunsch geäußert haben, dass eines Tages einmal ein Schiff nach ihr benannt würde. Und diesen Wunsch konnte er der Diva natürlich nicht abschlagen. In Italien als „La Divina” (die Göttliche) verehrt, stand Sophia Loren somit Pate für das dritte Schiff der MSC FANTASIA-Baureihe. Zunächst wollte man dieses MSC FAVOLOSA nennen, doch zur selben Zeit war bereits die COSTA FAVOLOSA des Erzrivalen Costa Crociere im Bau. Dann also MSC FANTASTICA, denn fantastisch ist auf den Schiffen dieser Klasse (10 Bars und Lounges, 6 Restaurants, 4 Swimmingpools) so ziemlich alles. FANTASTICA klang dann aber doch zu sehr nach FANTASIA, und wie sagte Gianluigi Aponte so schön, als der endgültige Schiffsname feststand: „Fantastische Erfahrungen sind vergänglich, göttliche bleiben.” An der Einrichtung von Suite 16007, der „Sophia Loren-Suite”, hat die Schauspielerin dafür höchst persönlich mitgewirkt. Teppich und Farbgebung hat „La Divina” selber ausgesucht, und auch an Fotos der Schiffspatin mangelt es in der Suite nicht. Für Fans ein echtes Muss, genauso wie die vielen Schwarzweiß-Bilder mit Szenen aus dem Schauspielerleben von Sophia Loren und anderen italienischen Filmstars. Überall an Bord sind diese bisher überwiegend unveröffentlichten Aufnahmen verteilt und laden zum Betrachten und Verweilen ein. Schade nur, dass es „La Dolce Vita – Stars and Celebrities in the Italian Fifties” nicht auch als Buch zu kaufen gibt.
Doch auch für kleine Kreuzfahrer, von denen meine Frau und ich auf dieser Reise zwei im Schlepptau haben, ist die MSC DIVINA genau das richtige Schiff. Seit einigen Jahren arbeitet MSC mit der Spielzeugfirma LEGO zusammen, wovon nicht nur ein LEGO-Shop und die entsprechende Ausstattung des Kinderspielzimmers zeugt, sondern auch schon der Empfang an Bord. Ein LEGO-Männchen im XXL-Format begrüßt in Form eines kostümierten Animateurs im Atrium die neu an Bord kommenden Kinder. Ein Shakehands hier, eine Ghettofaust dort, zwischendurch ein Winken – so bekommen die Kleinen nach Anreise- und Einschiffungsstress sofort große Augen. Nur Scherze darüber sollte man als Erwachsener nicht machen. „Der arme Teufel muss ja tierisch schwitzen in dem Kostüm, mit dem möchte ich nicht tauschen”, raune ich meiner Frau zu. Woraufhin das LEGO-Männchen plötzlich einigermaßen betreten nickt. Hoppla, es kann unter fünf Zentimetern Stoff nicht nur gut hören, sondern es versteht auch noch Deutsch! Lieber zwinkern wir ihm also zu. Und lassen ihn weiter seinen schweißtreibenden Job machen.

Italien – Amerika und zurück
Balkonkabine 12224 ist nicht die Sophia Loren-Suite, aber nichtsdestotrotz ein geräumiges Kleinod für die kommenden vier Tage. Eingerichtet in Schwarz-, Braun- und Ockertönen, hebt sie sich wohltuend von dem Allerlei aus Pastellfarben ab, das so manch andere Kabine auf den Kreuzfahrtschiffen unserer Zeit fast austauschbar macht. Schön ist auch der Präsentkorb mit frischen Früchten, der uns bei der Ankunft auf der Kabine erwartet – eine kleine Aufmerksamkeit für die Mitglieder des MSC Voyagers Club, also die „Wiederholungstäter” in Sachen MSC.
Das Gleiche gilt im Übrigen für fast die komplette Inneneinrichtung der MSC DIVINA. Weder schrill bunt noch langweilig blass, kommt sie mit erstaunlich vielen dunklen Tönen aus (Atrium, Black Crab Restaurant, Black and White Lounge), ohne gleichzeitig düster oder morbide zu wirken. Dafür sorgt allein schon die „Golden Jazz Bar”, die auf Deck 7 geschickt mit Gelb-, Orange- und Ockervarianten spielt. Oder die Sports Bar gleich nebenan, in der eine knallrote Vespa bei Weitem nicht der einzige Farbtupfer ist.
Nur das Wetter kann damit zu Beginn der Reise nicht recht mithalten. Genua liegt am Nachmittag unter einer dicken Wolkendecke. In der Werft befinden sich mehr Fähren als im sonst so geschäftigen Hafen, und zudem verzögert sich unsere Abfahrt. Um 17 Uhr hatte die Rettungsübung stattgefunden, um 17:30 Uhr war „All aboard”, und um 18 Uhr sollten wir eigentlich ablegen. Doch statt des Schiffshorns gibt es kurze Zeit später eine Durchsage. Wegen eines Busfahrerstreiks schaffen es einige Passagiere nicht rechtzeitig vom Flughafen zum Schiff. Erst um 19:30 Uhr legt die MSC DIVINA unter dem Kommando von Kapitän Francesco di Palma ab, die für 19 Uhr angesetzte „Sunset Sailaway Party” fällt also allein schon deswegen aus. Ein etwas holpriger Start für die erste Mittelmeer-Kreuzfahrt des Schiffes seit Längerem.
Getauft im Mai 2012 in Marseille (die Moderation des Events übernahm kein Geringerer als Gérard Dépardieu), blieb die MSC DIVINA zunächst keine anderthalb Jahre im Mittelmeer. MSC plante damals den Einstieg in den amerikanischen Kreuzfahrtmarkt und brauchte dazu ein Schiff, das es in Punkto Größe und Bordangebot mit der Tonnage der Lokalrivalen Carnival, Royal Caribbean und NCL aufnehmen konnte. Hierzu wurde die 575 Millionen $ teure MSC DIVINA bestimmt, die ab Herbst 2013 als erstes MSC-Schiff ganzjährig ab Miami eingesetzt werden sollte. So ganz ging dieser Plan allerdings nicht auf; den Sommer 2015 verbrachte die MSC DIVINA wieder im Mittelmeer, nur um nach dem Ende der Europa-Saison erneut nach Florida zu verholen. Bei den ganzjährigen Karibik-Kreuzfahrten ist es seither geblieben, wenn auch mit dem feinen Unterschied, dass MSC bereits 2015 den Neubau MSC SEASIDE als Ersatz für die MSC DIVINA auserkoren hatte. Ende 2017 in Dienst gestellt, ermöglichte das neue Schiff die Rückkehr der inzwischen fünf Jahre alten DIVINA ins Mittelmeer. Am 8. März 2018 endete deren letzte Karibik-Kreuzfahrt in Miami, danach ging es über New York nach „old Europe”.

Eine Kleinstadt auf See
Und da ist sie noch immer eines der größten Kreuzfahrtschiffe weit und breit. Über 18 Decks erstrecken sich die Einrichtungen für Passagiere und Besatzung, 14 davon sind Passagierdecks. Knapp 68 Meter hoch ist das Schiff, da kann einem an der Reling auf dem Sonnendeck (Deck 15) schon mal schwindlig werden. Selbst ihre Schwesterschiffe MSC FANTASIA (2008) und MSC SPLENDIDA (2009) übertrifft die MSC DIVINA an Größe, da sie noch einmal über 114 mehr Kabinen verfügt als diese. 80% davon sind Außenkabinen, auch damit liegt sie voll im Trend. Eines ist „die Göttliche” damit allerdings nicht: familiär. Bei Doppelbelegung fasst das Schiff 3.502 Passagiere, und wenn Kinder mit an Bord sind, sogar über 4.000. Rechnet man die 1.388 Besatzungsmitglieder hinzu, die an Bord mal vor, mal hinter den Kulissen ihren Dienst tun, ist mit der voll belegten MSC DIVINA eine veritable Kleinstadt auf See. Und die ist seit dem Ende ihrer Karibik-Kreuzfahrten nicht mehr amerikanisch, sondern nun wieder italienisch geprägt, auch wenn man am Einschiffungstag den Eindruck gewinnt, das Schiff sei fest in deutscher Hand. Jedenfalls ist das deutsche Tagesprogramm schon am Nachmittag nicht mehr zu bekommen, und auf der Kabine lag es beim Bezug derselben auch nicht. Nennen wir die Bord-Atmosphäre also in bester MSC-Tradition „international”. Hierzu gehört auch, für viele zum Leidwesen, dass sämtliche Bord-Durchsagen in mindestens fünf Sprachen erfolgen: Italienisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch. Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern für das Ohr, das ja wie die Seele und der Rest des Körpers auch ein Recht auf Urlaub hat, auf die Dauer ermüdend. Und da MSC eine Ein- und Ausschiffung in jedem der angelaufenen Häfen ermöglicht, gibt es nicht nur jeden Tag irgendwo aufs Neue eine Rettungsübung, sondern stehen praktisch jeden Abend und jede Nacht Koffer und Reisetaschen in den Korridoren, gerne auch mal mitten im Weg. Des einen Freud’ ist des anderen Leid.
In trauter Einigkeit sitzen dafür neue und alte Passagiere am ersten Abend zusammen im riesigen Pantheon Theatre (1.600 Plätze), wo Kreuzfahrtdirektor Javier die Show „The Witches of Paris” präsentiert. Die hat zwar mit Hexen genauso wenig zu tun wie mit Paris und folgt auch nicht wirklich einem inhaltlichen Faden, kommt aber wie im Bordprogramm versprochen als eine Varieté-Show französischen Stils daher. Kurzweilig und unterhaltsam, genau das Richtige als Einstieg in diese Mini-Kreuzfahrt. Ähnlich auch die „Flower Glory Party”, die ab 22:30 Uhr in der Black and White Lounge steigt. Dort ist der versprochene „Trip back to the 70s and 80s” angesichts von Songs wie „Let’s twist again” und „Despacito” zwar nur höchst lose das musikalische Thema, der Party-Stimmung tut dies aber keinen Abbruch. Zumal die Einheizer des Animationsteams stilecht in voller Village People-Montur antreten und zum Mittanzen auffordern, was das Zeug hält. Die Stimmung ist am ersten Abend prächtig auf der MSC DIVINA, so kann es gerne bleiben. Nur die mexikanischen Sänger mit ihren Sombreros mühen sich nur ein paar Schritte weiter vorne auf demselben Deck fast vergeblich ab. Sie wirken ohnehin etwas deplatziert, schließlich heißt das Restaurant, in dem sie auftreten, nicht mehr „Sacramento Tex Mex”, sondern „Eataly”. Und das kann zwar mit einer interessanten Foto-Ausstellung über die italienischen Atlantikliner aufwarten, kommt allerdings für ein zuzahlungspflichtiges Restaurant in seiner Einrichtung arg puristisch daher.

Ein Frühlingstag in Civitavecchia
Am nächsten Morgen liegt die MSC DIVINA schon in aller Frühe im Hafen von Civitavecchia. Einige Gäste schiffen hier aus, viele nutzen die Liegezeit aber auch für einen Busausflug nach Rom. Das geht ins Geld (die organisierten Touren liegen zwischen 56 und 130 € pro Person) und ist in der Regel auch nicht wirklich erholsam, ganz zu schweigen von einem Ausflug auf eigene Faust, bei dem man auf die eigene Ortskenntnis und die Zuverlässigkeit der italienischen Bahn angewiesen ist.
Wir machen es anders, zumal die Dame des Hauses heute Geburtstag hat. Bereits gestern Abend hatte ich nach langem Schlangestehen an der Rezeption für 7:30 Uhr als Geburtstagsüberraschung einen Teller schokoladen-überzogene Erdbeeren auf die Kabine bestellt, damit der Morgen dem Anlass entsprechend feierlich beginnt. Doch die Erdbeeren kommen nicht. Nicht um 7:30 Uhr, nicht um 7:45 Uhr, und auch nicht um 08:00 Uhr. Da es aber im Büffet-Restaurant auf Deck 14 um diese Zeit schon zu voll ist, entscheiden wir uns für ein Frühstück im Black Crab-Restaurant. Und bereuen unsere Wahl nicht. Dort geht es angesichts der übersichtlichen Zahl Passagiere überaus relaxt zu, auch wenn am Büffet eine größere Auswahl an Speisen herrschen mag. Am Geburtstag lässt man sich jedoch auch morgens gerne mal am Tisch bedienen. Satt und zufrieden können wir in den Tag starten.
Die meisten Kreuzfahrt-Passagiere bekommen von Civitavecchia nicht viel zu sehen, da die Stadt entweder Ein- bzw. Ausschiffungshafen ist oder lediglich als Einfallstor nach Rom dient. Dabei hat sie durchaus ihre Reize. Gewiss, sie kann nicht mit Genua oder Neapel mithalten, attraktiver als Livorno oder Palermo ist sie aber allemal. Angelegt während der Herrschaftszeit von Kaiser Trajan zu Beginn des 2. Jahrhunderts nach Christus, profitierte das damalige Centumcellae von der zunehmenden Versandung des weiter südlich an der Tiber-Mündung gelegenen Ostia, das zuvor jahrhundertelang als Haupthafen Roms gedient hatte. Antike Relikte aus dieser Zeit finden sich heute allerdings nur noch außerhalb der Stadt – in Form der Tauriner Themen, die ebenfalls aus der Zeit Kaiser Trajans stammen. Das Forte Michelangelo dagegen, dass die meisten Kreuzfahrtgäste nur durch das Busfenster zu Gesicht bekommen, geht auf das 15. Jahrhundert zurück, als der Kirchenstaat auf dem Gebiet des heutigen Mittelitalien seine größte Ausdehnung genoss. Der Burggraben ist heute nur noch angedeutet, die trutzigen Mauern der Festung wirken jedoch so einschüchternd wie vermutlich schon vor 500 Jahren. Weiter führt uns unser Spaziergang am Yachthafen entlang, ehe wir auf die Antica Rocca treffen, die Überreste einer weiteren Festungsanlage. Die mittelalterlichen Gemäuer stammen aus dem 14. Jahrhundert und sollen an genau der Stelle stehen, an der sich auch der antike römische Hafen befunden hatte. Heute weist der Nachbau einer römischen Liburne vor dem Gebäude auf diesen Umstand hin, eines jener antiken Kriegsschiffe, mit denen der spätere Kaiser Augustus im Jahr 31 vor Christus in der Seeschlacht bei Actium die Flotte von Marcus Antonius und Kleopatra besiegt hatte.
Nach so viel Geschichte führt uns der Rückweg kurz vor dem modernen Fährhafen durch die Altstadt von Civitavecchia. „Alt” bedeutet in diesem Fall allerdings Baujahr 1945 und jünger. Auch in dieser geht es heute trotz der bevorstehenden Osterfeiertage ruhig zu, was auch daran liegen mag, dass außer der MSC DIVINA mit der SOVEREIGN nur noch ein weiteres Kreuzfahrtschiff im Hafen liegt. Im Sommer dagegen reihen sich die Schiffe gerne mal wie an einer Perlenschnur die komplette Pier von Civitavecchia entlang, nicht immer zur Freude der Einheimischen. Die haben dafür im Frühjahr den palmengesäumten Strand noch fast für sich alleine. Hier, an der Piazza della Vita, wagen ein paar mutige Jugendliche in der Frische der Märzluft sogar einen ersten Sprung ins kalte Hafenbecken, während ein herrlich blauer Frühlingshimmel über der Stadt liegt. An Wind und Wellen mangelt es jedoch nicht, ein Spaziergang auf der Mole kann also eine unfreiwillige Dusche beinhalten, wenn man nicht schnell genug ist!
Letztere heben wir uns lieber für das Schiff auf. Die Zeit, bevor die Tagesausflügler aus Rom zurückkehren, ist ideal für entspannte Minuten im überdachten Innenpool – besser noch, zumindest wenn man direkt aus der Kälte des Oberdecks kommt, im warmen Whirlpool. Und hungrig machen Seeluft und Badevergnügen im Salzwasser bekanntlich auch. Das Abendessen im edlen Black Crab-Restaurant ist allerdings eine Enttäuschung. Drei Familien, darunter die unsrige, hat der Maitre d’ an einen großen Neunpersonen-Tisch gesetzt. Die Konversation ist schleppend, der Caesar’s Salad nicht sonderlich frisch und die Steak-Portion alles andere als riesig. Auf dem Geschirr klebt teilweise noch das Preisetikett, und eine 1,5 l-Flasche Wasser, die nur eine Partei für sich bestellt hat, der Kellner aber munter an alle ausschenkt, sorgt für Konfusion bei der Abrechnung. Auch das „Baked Alaska”, traditionell ein Höhepunkt einer jeden Kreuzfahrt, ist nur ein Schatten vergangener Tage. Die anderswo obligatorische Parade der Kellner gibt es nicht, stattdessen nur eine in fünf Sprachen heruntergeleierte Ansage, die man weder akustisch noch inhaltlich versteht. Schade. Am Ende dauert das Gala-Abendessen („Kleiderordnung für heute Abend: ELEGANT”) zwei geschlagene Stunden, nur mit Mühe schaffen wir es vor der Show noch kurz auf unsere Kabine. Dort allerdings bringt die Dame vom Zimmerservice tatsächlich noch die bestellten Schokoladen-Erdbeeren, mit denen unsere kleine Geburtstagsgesellschaft schon gar nicht mehr gerechnet hatte.
Versöhnt werden wir am Ende des Tages auch durch die Piraten-Show „Treasure Island”, die im Pantheon Theatre hält, was sie verspricht: „Eine energie-geladene Produktion mit vielen Kunststücken” würde uns erwarten, schreibt das Tagesprogramm, und tatsächlich: Die Akustik ist herausragend, und sowohl die Kostüme als auch Kulissen und Akrobatik sind fantastisch. Bravo! Ohnehin macht MSC in Sachen musikalischer Unterhaltung an Bord niemand so schnell etwas vor. Im Tagesprogramm nimmt die Musik an Bord daher auch eine gesonderte Spalte ein. Am heutigen Tag enthält sie von „Music & Wine” über „Unvergesslich” („Musikwünsche erbeten!”) und „Musik & Tanz” bis hin zu internationaler Tanzmusik mit Groove Island („Bis spät in die Nacht”) für jeden Geschmack etwas. Dafür mangelt es am Abend ein wenig an anderen Bord-Aktivitäten. In der Sports Bar gibt es eine Bowling-Bahn, eigentlich eine schöne Idee für den Geburtstagsabend. Leider ist sie aber „out of order”. Und das 4 D-Kino? Wird an Bord nicht wirklich beworben, ein Programm mit den dort laufenden Filmen können wir nirgends entdecken. Einen Kleinkünstler, einen Lektoren-Vortrag, einen Comedian, das alles vermissen wir auf einem großen Schiff wie der MSC DIVINA ebenfalls, Tanz und Musik in den Lounges hin oder her.

Marseille mit Hindernissen
Am dritten Tag der Reise können wir ausschlafen, die Stadt Marseille erreichen wir erst zur Mittagszeit. Ein Tagesprogramm haben wir am Morgen allerdings noch nicht auf der Kabine, was die Planung ein wenig erschwert. Zum Glück bekommen wir aber einen Platz im Büffetrestaurant, auch wenn dessen Öffnungszeiten nicht wirklich mit den im Bordprogramm angegebenen übereinstimmen. In anderen Punkten hat sich MSC aber verbessert. Das mantra-artige „Bar Service!” der Kellner entfällt z. B. inzwischen; für Getränkewünsche am Platz gibt es jetzt einen praktischen Druckknopf auf der Tischplatte. Vegetarische und vegane Gerichte sind mittlerweile sowohl am Büffet als auch auf den Speisekarten als solche gekennzeichnet, das lästige Fragen und Rückfragen entfällt also. Die bessere Wahl gegenüber dem A la Carte-Restaurant ist das „Buffet Calumet & Manitou” aber nur in Sachen Quantität. An den einzelnen Stationen wird gerempelt und geschubst, was das Zeug hält, es wird schroff über einen hinweg gegriffen, und an Schlangen hält sich auch lange nicht jeder. Trotz der Kälte auf dem Pooldeck nebenan erscheint auch der eine oder andere in Badesachen oder nur mit einem Handtuch um die Hüften zum Essen – ein Anblick, den man in den meisten Fällen auch nicht unbedingt gerne sieht.
Gestärkt für den Tag, empfängt uns wenig später auch Marseille mit Frühlingssonne. Von den fünfeinhalb Stunden, die uns bis zur „All aboard”-Zeit um 17:30 Uhr bleiben, vergeht allerdings die erste schon mal mit dem Suchen und Finden des kostenlosen öffentlichen Shuttle-Busses und der Wartezeit, bis dieser tatsächlich auch abfährt. Die meisten Passagiere stehen derweil an der Haltestelle des Linienbusses, der aber ebenso auf sich warten lässt. Eine perfekte Organisation für ein Kreuzfahrtschiff mit fast 4.000 Passagieren stellt man sich irgendwie anders vor.
Nichtsdestotrotz verbringen wir einen herrlichen Nachmittag in der zweitgrößten Stadt Frankreichs, auch wenn die Zeit an diesem Karfreitag kaum für mehr reicht als einen Bummel rings um den historischen „Vieux Port” und wieder zurück. Der jedoch pulsiert vor Aktivität. Touristen, Museumsbesucher, Einheimische, Fischverkäufer, fliegende Händler – sie alle bilden eine frühlingshaft-beschwingte kosmopolitische Melange, wie man sie so wohl nur in einer großen Hafenstadt wie Marseille vorfindet. Viel zu schnell vergeht die Zeit, bis wir uns wieder am Transferbus einfinden, der neuerdings nicht mehr an der Touristeninformation direkt in der Innenstadt startet, sondern an den „Terrasses du Port”, einem 2014 eingeweihten Einkaufszentrum im Fährhafen. Dumm nur, dass wir uns für unsere Rückkehr an Bord den gleichen Zeitpunkt ausgesucht haben wie die übrigen 4.000 Passagiere, die wie durch ein Wunder alle gleichzeitig am Terminal eintreffen. Wo es entsprechend chaotisch zugeht. Denn die beiden Beamten dort (mehr als zwei sind es rätselhafterweise nicht) nehmen es sehr genau mit der Personen- und Gepäckkontrolle. Jeder muss wie am Flughafen den kompletten Sicherheits-Check über sich ergehen lassen, also Schuhe ausziehen, Abtasten, Taschen öffnen usw. Kein Wunder, dass die wartende Menge immer ungeduldiger wird, als sie sieht, dass es nicht vorangeht und dass die Leute, die eben noch hinter einem gewartet haben, plötzlich vor einem stehen. Kaum an Bord, setzen sich die Beschwerden daher an der Rezeption fort. So hatten sich viele Passagiere ihren Ausflug nicht vorgestellt. Wie durch ein Wunder verlässt die MSC DIVINA den Hafen aber trotz allem nur mit einer Viertelstunde Verspätung. Zufriedene Gesichter sieht man zu diesem Zeitpunkt allerdings nur noch wenige.
Gut, dass sich dergleichen in den meisten Fällen ganz unbürokratisch mit ein wenig frischer Seeluft beheben lässt. Hierzu sei auch ein kleiner Geheimtipp verraten: Wer an Deck lieber seine Ruhe haben will und weder das volle Sonnen- noch das wenig romantische Bootsdeck aufsuchen möchte, findet auf den Kabinendecks 8 bis 13 achtern eine kleine Freitreppe, die bis hoch ins Büffet-Restaurant führt. Die kleinen Erker ganz am Ende des Schiffes sind zwar nicht riesig, aber hierher verläuft sich außer ein paar Rauchern kaum jemals ein Passagier. Für ungestörte Momente zu zweit oder auch nur zum Fotografieren ideal. Apropos Fotografieren: Den Bord-Fotografen kann man auf der MSC DIVINA kaum jemals entkommen, die Qualität der Bilder ist jedoch durchwachsen. Auch kommt die Foto-Galerie, die einen guten Teil des Achterschiffs auf Deck 7 einnimmt, mit ihren Wänden voller immer gleicher Motive und den Kartons voller nicht abgeholter Fotos plötzlich ziemlich altmodisch daher. Andere Reedereien arbeiten schon seit einigen Jahren erfolgreich mit digitalen Terminals, an denen man nur seine Kabinennummer eintippen muss, um sich die Fotos auf dem Bildschirm anzusehen.

Abschied
Der letzte Abend an Bord, viel zu schnell ist er da, gehört der Familie. Statt „Frank forever”, einer Hommage an Frank Sinatra, die heute Abend im Theater aufgeführt wird, heißt es „Saboteur” und „Halt mal kurz” – ein Spiele-Abend in trauter Viersamkeit. Schwierig gestaltet sich nur die Suche nach einem geeigneten Ort dafür. Das klassische Kartenzimmer gibt es auf den Schiffen der MSC FANTASIA-Klasse nicht mehr, und auch die Bibliothek, auf dem Typschiff noch schön niedrig mit Meerblick auf Deck 5 gelegen, ist auf der MSC DIVINA nach Deck 16 umgezogen, wo sie sich den Platz mit einem Konferenzraum teilen muss. Zum Glück gibt es aber große Tische rings um den Innenpool, wo auch die Badeaktivität im Vergleich zum Vormittag merklich nachgelassen hat. Schön warm ist es hier unter dem Glasdach außerdem, was will man mehr? Ein Eis? Auch das geht, denn die Poseidon Bar nur ein paar Meter weiter ist eigentlich eine Gelateria mit angegliedertem Getränke-Ausschank. MSC betreibt diese in Kooperation mit der italienischen Firma Venchi, da lässt man sich die Waffel mit frisch an Bord zubereitetem Wildbeer- und Mango-Eis gerne ein paar Euro extra kosten.
Entsprechend schwer sind dafür die Füße, als das Bordprogramm um 23 Uhr zur „Mediterranean Night” in der Black and White Lounge aufruft. „Großartige Gruppenspiele rund um das Thema mediterrane Musik und Folklore” mögen nicht jedermanns Sache sein, der Party-Stimmung vor Ort tut dies aber keinen Abbruch. Hier tobt spät abends das Leben, schließlich will der letzte Tag an Bord so lange wie möglich ausgekostet werden. Die Animateure haben sich als Gladiatoren, Pharaonen und Sirenen verkleidet und mischen sich in diesem Dress unter das tanzwütige Kreuzfahrer-Volk. Schwer zu sagen, wer da mehr Spaß hat. Getoppt wird das Ganze nur noch von der Party in der Disco, wo eine Nacht voller „psychedelischer Sensationen, verlockender Tanzmusik und fabelhafter fluoreszierender Beleuchtung” bevorsteht. Dass in wenigen Stunden die Ausschiffung naht, darf man da noch einmal getrost verdrängen.
Das ist auch besser so, denn leider geht diese wieder in dem bewährten italienischen Chaos vonstatten, das man bereits von vergangenen Kreuzfahrten mit MSC & Co. gewohnt ist. Wir haben über die Reederei einen Bustransfer zum Flughafen gebucht und wollen an der Rezeption wissen, wann und wo dieser morgen startet. Den halben Abend verbringen wir dafür in der Schlage auf Deck 5, und erhalten eine Antwort, die sich am Ende als schlicht falsch herausstellt. Die Ausschiffung finde ab 8:45 Uhr statt und die Busse fahren regelmäßig, wir sollen einfach nach eigenem Gutdünken von Bord gehen und auf dem Kai auf die Schilder mit den Zielorten in der Windschutzscheibe der Busse achten. Tatsächlich erhalten wir um kurz nach Mitternacht die Ausschiffungs-informationen schwarz auf weiß auf unsere Kabine, und dort ist für alle Passagiere mit einem Bus-Transfer plötzlich von einem Treffpunkt um 8:15 Uhr im Theater die Rede. Und so ist es dann auch, selbst wenn der tatsächliche Aufruf, das Schiff zu verlassen, erst um 08:45 erfolgt. Mitarbeiter, die man fragen könnte, lassen sich da nicht mehr blicken, und selbst die Ausschiffungsdurchsagen werden nicht etwa ins Theater übertragen, sondern schnappt man (wenn man Glück hat) draußen auf dem Gang auf.
In Genua liegt die MSC DIVINA bei ihrer Rückkehr erneut am Containerkai, das Passagierterminal am Ponte dei Mille werde umgebaut, heißt es. Auch das Traumwetter von gestern ist passé. Über „La Superba”, der stolzen Stadt, liegen wie schon am Abfahrtstag dicke dunkle Regenwolken. Etwas unromantisch sagen wir daher „Arrivederci” zur MSC DIVINA, als unser Transferbus in den Katakomben unterhalb der Hafen-Schnellstraße verschwindet. Wie jede Mini-Kreuzfahrt war auch diese wieder viel zu kurz, aber zumindest ist die MSC DIVINA nun wieder bis auf weiteres zurück in ihrer Heimat. Und wer weiß, vielleicht ist ja eines Tages auch einmal Sophia Loren selber, „La Divina“, mit an Bord. Auf dem Schiff, das ihren (Bei-)Namen trägt. Dann natürlich standesgemäß im MSC Yacht Club, jenem exklusiven Bereich im vorderen Teil des Schiffes, der nur den Suiten-Gästen vorbehalten ist und über ein eigenes Restaurant, eine eigene Bibliothek und einen eigenen Pool verfügt. Ein Schiff im Schiff sozusagen, doch das ist eine andere Geschichte.
www.msc-kreuzfahrten.de 

Technische Daten MSC DIVINA
Bauwerft: STX France (Chantiers de l’Atlantique), St. Nazaire (Frankreich), 2012; Im Dienst: seit dem 27. Mai 2012; Flagge: Panama; Heimathafen: Panama; Tonnage: 139.072 BRZ; Länge: 333,30 Meter; Breite: 37,92 Meter; Tiefgang: 8,45 Meter; Passagiere: 4.345 (3.502); Kabinen: 1.751; Besatzung: 1.388; Leistung: 71.400 kW; Höchstgeschwindigkeit: 23 Knoten.

18510 04 MSC Divina Atrium17 2018 Kai OrtelBlitzblank glänzen Glas und Messing im Atrium der MSC DIVINA.

18510 02 MSC Divina LEGO Shop01 2018 Kai OrtelEiner Kooperation zwischen MSC und LEGO verdankt die MSC DIVINA einen LEGO-Shop.

18510 03 MSC Divina Balkonkabine06 2018 Kai OrtelBalkonkabine 12224 wartet mit ungewohnten Schwarz-, Braun- und Ockertönen auf.

18510 05 MSC Divina Black Crab Restaurant08 2018 Kai OrtelDie großen Bullaugen-Fenster werfen viel Tageslicht in das dunkel eingerichtete Black Crab-Restaurant.

18510 06 MSC Divina Black and white Lounge20 2018 Kai OrtelAuch in der Black and White Lounge achtern auf Deck 7 dominiert das Schwarz der Ledergarnituren.

18510 08 MSC Divina Sports Bar07 2018 Kai OrtelDie Sports Bar der MSC DIVINA ist im charakteristischen Ferrari-Rot gehalten, an den Wänden werden Sportereignisse im Fernsehen übertragen.

18510 12 MSC Divina Pantheon Theatre02 2018 Kai OrtelDas Pantheon Theatre des Schiffes erstreckt sich über drei Decks und lässt in Sachen Kapazität und technischer Ausstattung keine Wünsche offen.

18510 13 MSC Divina Eataly Steakhouse07 2018 Kai OrtelDas Steakhouse „Eataly” soll modernes Flair versprühen, erscheint aber mit seiner minimalistischen Einrichtung eher spröde.

18510 19 MSC Divina Schoko Erdbeeren01 2018 Kai OrtelEin schöner Geburtstagsgruß aus der Küche, auch wenn Bestellung und Lieferung nicht ganz reibungslos liefen.

18510 20 MSC Divina La Luna Piano Bar18 2018 Kai OrtelDie „La Luna Piano Bar” auf Deck 7 gehört zu einer Reihe von Lounges, in denen am Abend Live-Musik dargeboten wird.

18510 21 MSC Divina Silver Lounge05 2018 Kai OrtelDie Silver Lounge auf Deck 6 kann mit interessanten Farben und Formen aufwarten.

18510 22 MSC Divina Calumet Buffet Restaurant13 2018 Kai OrtelDas Büffetrestaurant „Calumet” auf Deck 14 in einer ruhigen Minute. Vor allem morgens und mittags geht es hier mitunter hoch her.

18510 10 Genua17 2018 Kai OrtelAls die MSC DIVINA in Genua ablegt, liegen dunkelgraue Wolken über der amphitheater-ähnlich gelegenen Stadt.

18510 11 MSC Divina Pooldeck16 2018 Kai OrtelIn der luftigen Höhe von Deck 14 befinden sich der Aqua Park und das Sonnendeck der MSC DIVINA.

18510 17 MSC Divina und Sovereign Civitavecchia03 2018 Kai OrtelTreffen der Generationen in Civitavecchia: Die 1987 gebaute SOVEREIGN der spanischen Reederei Pullmantur wird von der MSC DIVINA an Größe mühelos übertroffen.

18510 14 Civitavecchia11 2018 Kai OrtelDas Forte Michelangelo wacht seit über 500 Jahren über das Treiben im Hafen von Civitavecchia.

18510 15 Civitavecchia12 2018 Kai OrtelDie Altstadt von Civitavecchia gefällt durch ihre breiten Promenaden und die auf alt getrimmten Häuserfassaden.

18510 16 Civitavecchia17 2018 Kai OrtelGleich im Anschluss an die Kreuzfahrtmole lädt in Civitavecchia ein palmengesäumter Strand zum Spazierengehen ein.

18510 24 Marseille42 2018 Kai OrtelBlick über den historischen Vieux Port von Marseille mit der über der Stadt thronenden Basilika „Notre Dame de la Garde”.

18510 23 Marseille05 2018 Kai OrtelDie Gegend rund um den Fährhafen von Marseille hat durch den Bau des Einkaufszentrums „Les Terrasses du Port” deutlich an Attraktivität gewonnen. Davon profitiert auch die Kathedrale „La Major”.