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Bremen aus der Luft Foto Jochen Knobloch Bremer Touristik Zentrale 101891
Das ist meine Hafenstadt – Bremen.
Foto: Jochen Knobloch, Bremer Touristik Zentrale

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Neue Schwerpunkte für das Deutsche Auswandererhaus
Mit einem neuen Betreibervertrag sicherte die Stadt Bremerhaven dem Deutschen Auswandererhaus Unterstützung bis zum Jahre 2035 zu. Das Museum hat, wie Oberbürgermeister Melf Grantz sagte, seit seiner Gründung vor 13 Jahren eine Vorreiterrolle in der Deutschen Museumslandschaft eingenommen und gehört heute zu den erfolgreichsten des Landes. Im letzten Jahr zählte es 167.000 Besucher. Ursprünglich befasste sich das Deutsche Auswandererhaus nur mit den Ursachen der Auswanderung von mehr als sieben Millionen Menschen, die über Bremerhaven in die Neue Welt zogen. Doch seit 2012, so Museumdirektorin Simone Eick, befasst man sich auch mit 300 Jahren deutscher Einwanderungsgeschichte: „Wenn man Migration thematisiert, muss man alle zeigen, die daran beteiligt sind.” Ein weiterer Ausbau wird schon geplant. Das Land Bremen hat bereits signalisiert, sich an den Kosten zu beteiligen. Das neue Konzept wird frühestens Ende des Jahres der Öffentlichkeit präsentiert.

18519 Hotel The Liberty 1 Foto Petra Bromund BremenDas neuste Hotel Bremerhavens, The Liberty, liegt neben und kooperiert mit dem Deutschen Auswandererhaus.
Foto: The Liberty, Bremerhaven

Ein Hotel kooperiert mit einem Museum
Das neuste Hotel in Bremerhaven, das The Liberty, steht zentral in den Havenwelten, dem Ort, an dem zwischen 1832 und 1938 rund acht Millionen Menschen aus Deutschland in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderten. Darunter auch Eberhard Anheuser, Mitbegründer des Brauereikonzerns Anheuser-Busch Inbev, der Vater von Henry Heinz, dem Gründer des Ketchup Herstellers, und nicht zuletzt auch der Großvater des heutigen US-Präsidenten Donald Trump. Das Letzte, was diese Auswanderer von Deutschland sahen, war der jetzige Standort des The Liberty. Mit diesem Hintergrund kooperiert das Hotel mit dem direkt nebenan liegenden Deutschen Auswandererhaus. Vieles im 4-Sterne-Superior-Haus nimmt Bezug auf die neue Welt: die Freiheitsstatue als Namensgeberin, das Restaurant Mulberry Street, Schwarz-Weiß-Fotografien mit Motiven der Auswanderergeschichte und zahlreiche Museums-Leihgaben des Deutschen Auswandererhauses.

18519 Reiter und Pferd 2 Foto Petra Bromund Bremen Ein Reiter des Ewigen Kaisers und sein Pferd – Attraktion in Bremen. Foto: Petra Bromund, Bremen

Erfolgreicher Militärbesuch in der Überseestadt
150 bis 200 Kilo wog jeder der 130 tönernen Soldaten, die 15 Helfer in neun Tagen im Mai im BLG-Forum in Bremens Überseestadt aufbauten. Dazu kamen Pferde, Gespanne, Ausrüstung und Waffen einer Truppe. Die weltberühmte Terrakotta-Armee des Qin Shi Huang Di, des ersten Kaisers von China, war am 19. August zum letzten Mal zu besichtigen – in überzeugenden Kopien der kostbaren Originale. Sie fand begeisterte Besucher. Die monumentale Grabanalage des „Ewigen Kaisers”, der das riesige Land einte, ist in China 56 Quadratkilometer groß. In der Halle in Bremen fand der Besucher die nötigen Erläuterungen. „Ich war in China, aber erst hier habe ich Hintergründe erfahren”, war immer mal zu hören.

Schiffe ohne Mannschaft
Zwei norwegische Unternehmen gründeten im Frühjahr eine Gemeinschaftsfirma, um die Entwicklung selbstfahrender Schiffe voranzutreiben. In Norwegen gab es bereits praktische Tests von ersten Prototypen, also von Schiffen, die ganz ohne Mannschaften auskommen und von Land aus überwacht und gesteuert werden. Doch Bremer Reeder sind skeptisch. Sie sehen den Einsatz solcher Schiffe allenfalls im Pendeldienst zwischen Häfen, als Fähren oder nur im Einsatz in ruhigen Gewässern. „Bis Frachtschiffe autonom fahren, wird es aber wohl noch Jahrzehnte dauern.” Anders die Bundesregierung, sie erwartet schon in Kürze enorme Fortschritte. Am Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen in Hamburg läuft ein Projekt. Vier automatisierte Schlepper sollen entwickelt und erprobt werden. Erforscht werden soll auch, welche Infrastruktur Häfen bieten müssen, wenn autonome Schiffe sie ansteuern.

18519 POLARSTERN 20150924 PS94 Arktis 101 Foto M Hoppmann AWIDer Forschungseisbrecher POLARSTERN des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven wird 2019 eine ungewöhnliche Reise wagen. Hier ein Foto einer früheren Arktis-Expedition. Foto: Mario Hoppmann für AWI, Bremerhaven

Die POLARSTERN will’s wissen
Im Herbst 2019 wird von Tromsø in Norwegen ein Forschungsschiff des deutschen Alfred-Wegener-Instituts, die POLARSTERN, ein Jahr lang durch die Arktis driften, um deren Einfluss auf den Klimawandel zu untersuchen. Der Forschungseisbrecher wird die ostsibirische See ansteuern, dort einfrieren und mit der natürlichen Eisdrift in der so genannten Framstraße nach Grönland und Spitzbergen gelangen. Gelingt dem Schiff das nicht, wird es im Beaufortwirbel vor der Küste Alaskas seine Runden drehen. Planbar ist solche Entscheidung nach dem Einfrieren nicht mehr. „Wir sind dann der Arktis ausgeliefert und darauf angewiesen, dass das Eis uns trägt”, so der Leiter der Expedition, Markus Rex. Beim AWI in Bremerhaven weiß man, dass die Temperaturen in der Arktis in den letzten zwanzig Jahren um sechs Grad gestiegen sind. „Was in der Arktis passiert, bleibt nicht dort.” Sollte sich das Klima weiter erwärmen und die Arktis im Sommer eisfrei werden, könnten auch neue Handelsrouten entstehen. Der Schiffsverkehr zwischen Europa und Asien müsste dann nicht mehr über den Suezkanal laufen.

Freie Fahrt für Kinder
Am 31. Oktober, an Halloween, haben Kinder unter sechs Jahren freie Fahrt auf den Torfkähnen des Vereins Bras von Bremen aus in Richtung Teufelsmoor. Die Strecke Teufelsmoor-Bremen war mit ihren Kanälen und Fleeten einst viel befahren. Torf war das Heizmittel der Region. Er wurde mühsam im Teufelsmoor gestochen, getrocknet und in Bremen verkauft. Die berühmten Worpsweder Maler haben die Schiffe in vielen Bildern verewigt. Die Nachbauten der einstigen Schiffe sind heute den ganzen Sommer unterwegs und können auch von Gruppen gechartert werden. Näheres: www.bras-netzwerke.de

Wurzeln im Ausland
Wer selbst nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde oder mindestens ein Elternteil hat, geboren ohne deutsche Staatsbürgerschaft, gilt in der Statistik der Bundesrepublik als „Person mit Migrationshintergrund”. So hat jeder fünfte Einwohner in Niedersachsen und fast jeder dritte in Bremen Wurzeln im Ausland. Deutschlandweit haben aktuell 19,3 Millionen Personen – fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung – diesen Status, ein neuer Höchststand.

Begeisternd – doch mit welchem Erfolg?
Fünf Monate war sie unterwegs mit 70 Tonnen Fracht, die AVONTUUR der Elsflether Reederei Timbercoast mit ihrem Kapitän Cornelius Bockermann. Sie kehrte aus der Karibik zurück und brachte Kaffee, Kakao, Kardamom, Rotwein und Rum nach Elsfleth mit. Das Schiff ist ein 100 Jahre alter Frachtsegler, den 160 Freiwillige in einer Werft wieder seegängig gemacht haben. Rund 90 Prozent aller Waren werden auf der Welt verschifft, viele Milliarden Tonnen also mit steigender Tendenz. Die AVONTUUR transportiert seit zwei Jahren Waren zwischen Europa und der Karibik. Ihr Kapitän Bockermann ist gelernter Seemann und nicht allein mit seinem Anliegen, ein Zeichen gegen die Umweltverschmutzung auf See zu setzen. In den Niederlanden gibt es die Reederei Fairtransport mit gleichem Ziel. Wer von solchen Anliegen hört, ist begeistert, doch an einen kommerziellen Erfolg glaubt keiner. Auch die AVONTUUR hat viel zu hohe Betriebskosten, Geld sollen jetzt Investoren und eine Marke mit Produkten bringen, die nur von Segelschiffen transportiert wurden.

18519 Die Ems Foto Petra Bromund BremenDie Breite täuscht. Die Ems ist ein leidender Fluss. Ein neues Konzept soll Abhilfe schaffen. Foto: Petra Bromund, Bremen

Rohstoff statt Abfall
Seit Jahren leidet die Ems unter zu viel Schlick und zu wenig Sauerstoff. Naturschützer halten die massive Ausbaggerung des Flusses für die Ursache dieses Zustands. Jetzt will Niedersachsen zusammen mit den Niederlanden eine neue ökologische Strategie zur Vertiefung der Ems erarbeiten. Ein Augenmerk gilt dabei dem Schlick, der bisher als „Abfall” entsorgt wurde. Im neuen Konzept sollen die Sedimente der Ems dorthin gebracht werden, wo im Ökosystem dafür Bedarf herrscht. Das Material könnte hinter den Deichen aufgeschüttet werden und sie verstärken.

Deutsche Seehäfen gut behauptet?
Der Gesamtumschlag der bremischen Häfen stagnierte im ersten Halbjahr 2018 mit einem Minus von 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Hamburger Hafen musste sogar einen Rückgang von zwei Prozent hinnehmen. Rotterdam konnte ein Umschlagplus von sechs Prozent, Antwerpen eins von acht Prozent verzeichnen. Der momentane Aufwärtstrend der maritimen Weltwirtschaft kam also an Weser und Elbe nicht an. Dennoch ist Bremens Wirtschafts- und Hafensenator Martin Günther zufrieden. Im harten europäischen Wettbewerb konnten sich die Häfen in Bremen und Bremerhaven behaupten. „Dies schafft eine solide Basis für die weitere Entwicklung in diesem Jahr.”

111 Jahre Spitzenleistung von Abeking & Rasmussen
Wer die bislang größte Ausstellung einer der bedeutendsten Werften an der Weser besuchen will, muss in das „Yachting Heritage Centre” im Flensburger Industriehafen reisen. Die Ausstellung „Abeking & Rasmussen – 111 Jahre Spitzenleistung im Yacht- und Schiffsbau” ist noch bis zum 15. Oktober dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5, ermäßigt 2,50 Euro.


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18519 Das besondere Buch Polarfahrt

Das besondere Buch

Hampton Sides:
Die Polarfahrt


Rezension von Dieter Bromund

Der Untertitel des Buches verrät, worum es wirklich geht: „Von einer unwiderstehlichen Sehnsucht, einem grandiosen Plan und seinem dramatischen Ende im Eis.” Sehnsucht und Plan hatten zwei Männer, das dramatische Ende betraf ein paar mehr. Am Anfang des Unternehmens stand die Überzeugung eines der reichsten Männer Amerikas, dem alleinigen Besitzer, Herausgeber und Chefredakteur des New York Herald, der bedeutendsten Boulevard-Zeitung Amerikas:
„James Gordon Bennetts wesentlicher Beitrag zum modernen Journalismus entsprang der Überzeugung, dass eine Zeitung über Neuigkeiten nicht nur berichten, sondern sie auch erschaffen sollte. Redakteure waren angehalten, Nachrichten nicht einfach nur zu übernehmen, sondern sie so zu orchestrieren, dass daraus Dramen wurden, die Emotionen schürten und zum Gesprächsthema der Massen wurden.”
Das war Bennett, dem begehrtesten Junggesellen New Yorks, schon einmal gelungen. In seinem Auftrag hatte ein Reporter, Henry Morton Stanley, den in Afrika auf der Suche nach den Quellen des Nils verschollenen englischen Forscher David Livingstone 1871 aufgefunden, hatte darüber im Herald berichtet, dessen Auflage in die Höhe getrieben und einen Welt-Bestseller geschrieben: „Wie ich Livingstone fand.”
Warum so etwas nicht noch einmal machen? Der steinreiche Verleger finanzierte, was ein Leutnant der US-Navy, George DeLong, 28 Jahre alt, sich vorgenommen hatte: er wollte als erster Mensch den Nordpol erreichen.
Der Nordpol war damals wesentlich interessanter als der ferne Südpol. Europa und Nordamerika unterhielten Walfangflotten im nördlichen Eismeer, die Entdeckung einer Nordwestpassage oder Nordostpassage hätte den Welthandel verändert.
Noch Ende des 19. Jahrhunderts gab es abenteuerliche Theorien über den Nordpol und den Weg dorthin. Die aktuellste jener Jahre hatte einen deutschen Fürsprecher, Dr. August Petermann, Professor in Gotha. Seiner Überzeugung nach lag der Nordpol in einem eisfreien Meer, das ringsum von einer eisigen Barriere umgeben war. Gegen sie strömte an Nordeuropa vorbei der Golfstrom und näher an Amerika der Kuroshio Strom – an Japan vorbei durch die Beringstraße nach Norden. Wenn man also mit einem dafür ausgerüsteten Schiff durch die Beringstraße fuhr, den Eisgürtel durchdrang, würde man den nördlichsten Punkt der Erde leicht erreichen. Gesagt, getan. Der Verleger finanzierte den Leutnant, 1879 begann die Reise der JEANETTE, die US-Marine und der Staat machten mit – bis zum dramatischen Ende.
Das alles beschreibt auf 576 Seiten Hampton Sides, 1962 in Memphis Tennessee geboren, studierter Historiker und vielfach ausgezeichneter Journalist und Autor. Die Quellenlage dieses Berichts ist sehr gut, die Stofffülle überwältigend. Sie zu ordnen ist schon eine Leistung, daraus einen spannenden Tatsachenbericht zu machen, der sich wie ein Roman liest, die noch größere.
Muss man das alles wirklich wissen? Man muss nicht. Aber Sie werden nicht aufhören zu lesen, wenn Sie angefangen haben. Ein Lob auch dem Übersetzer Reinhold Mast. Und dem Verlag, der die umfangreiche Bibliografie, 18 Seiten Anmerkungen und ein ausführliches Register in die Übersetzung aufnahm und auf den Vorsatzblättern Karten jener Teile der Welt und des Polarmeers, in dem die Tragödie sich abspielte.

Hampton Sides:
Die Polarfahrt
Übersetzt von Rudolf Mast,
Mareverlag, Hamburg,
ISBN 978-3-86648-243-2,
28,00 €