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17606 01 Aegean Queen Santorin32 2017 Kai OrtelDie AEGEAN QUEEN vor den Klippen von Santorin. In keinem Fahrtgebiet war und ist das ehemalige NCL-Schiff so gut aufgehoben wie in der
griechischen Inselwelt.
Fotos: Kai Ortel, Berlin

Kai Ortel

Ein türkisch-griechisches Abenteuer
Mit der AEGEAN QUEEN durch die Ägäis

50 Jahre wird die ehemalige STARWARD im Jahr 2018 alt. In den 1960er und -70er Jahren war sie für die Norwegian Caribbean Lines (NCL) ein Pionier der damals noch im Entstehen begriffenen amerikanischen Kreuzfahrt-Industrie gewesen. Hat aber seitdem wie durch ein Wunder alle neu hinzukommenden Schiffsgenerationen und Kreuzfahrttrends überdauert. Als AEGEAN QUEEN fuhr der Schiffsklassiker im Sommer 2017 in der Ägäis – vielleicht ihre letzte Saison.
Ziemlich kurzfristig hatte der türkische Veranstalter Etstur die ehemalige LOUIS AURA erst im Mai gechartert; schon Ende Juni startete die erste Reise. Als wir das in AEGEAN QUEEN umbenannte Schiff Ende Juli in dem türkischen Küstenort Çeşme besteigen, ist es über die Toppen geflaggt, das verleiht ihm am Abreisetag eine gewisse Feierlichkeit. Und auf den frisch gestrichenen Davits steht „renewed 6/2017”. Das Schiff mag alt sein, auf dem neuesten Stand der Technik, auch in Sachen Sicherheit, ist es aber dennoch. Gut zu wissen. „Work in progress” heißt es dagegen am vorderen Pool. Das Wasser ist abgelassen, am Beckenrand führt ein Besatzungsmitglied Schleifarbeiten durch. Und auf dem Bootsdeck wird gemalert, als käme in Kürze der Eigner höchstpersönlich zur Kontrolle an Bord. Auch hier entsteht nicht der Eindruck, als befände man sich auf einem Schiff, das demnächst verschrottet wird.
Als STARWARD war das seinerzeit bei der Seebeckwerft in Bremerhaven gebaute Kreuzfahrtschiff 1968 erst das zweite Schiff überhaupt in der NCL-Flotte, die bis dahin einzig aus der kleineren SUNWARD bestanden hatte. In den Folgejahren wuchs die Karibik-Flotte der Reederei aber schnell auf vier Schiffe an, als mit SKYWARD (1970) und SOUTHWARD (1972) zwei ähnlich große Schiffe hinzustießen. Auch die Indienststellung der NORWAY 1981 änderte kaum etwas am Einsatz der STARWARD, die allerdings 1984 von der östlichen in die westliche Karibik wechselte und 1985 einem Großumbau unterzogen wurde. Zehn weitere Jahre blieb die STARWARD dann erstaunlicherweise noch unter NCL-Flagge, als die Konkurrenz mit der SOVEREIGN OF THE SEAS- bzw. FANTASY-Klasse längst Mega-Kreuzfahrtschiffe in Fahrt gebracht hatte, welche die Kapazität der kleinen STARWARD um ein Vielfaches überstiegen. Erst als NCL mit der DREAMWARD (1992) und WINDWARD (1993) nachzog, bedeutete dies das Ende des schon jetzt zum Klassiker gewordenen Schiffes bei der mittlerweile als Norwegian Cruise Line firmierenden Reederei.
Verkauft wurde die STARWARD 1995 an die aufstrebende europäische Reederei Festival Cruises, wo das Schiff unter dem neuen Namen BOLERO die zweite Einheit nach der 1994 unter Festival-Flagge in Fahrt gebrachten THE AZUR wurde. Als 1999 der Festival-Neubau MISTRAL in Dienst gestellt wurde, wurde die BOLERO fortan regelmäßig verchartert. 2004 musste Festival Cruises Insolvenz anmelden, und die BOLERO wurde zwangsversteigert. Ein Käufer fand sich in der libanesischen Reederei Abou Merhi Lines, die das mittlerweile 36 Jahre alte Schiff zwar in ORIENT QUEEN umbenannte und ein weiteres Mal umbaute (für das Doppelte des Ankaufwertes, wohlgemerkt), es aber nur eine Saison lang (2005) unter eigener Regie einsetzte. Bereits 2006 wurde die ORIENT QUEEN an Louis Cruise Lines weiterverkauft, wo man jedoch den Schiffsnamen und das Fahrtgebiet (Ägäis) beibehielt. Das Schicksal vereinte die ehemalige STARWARD unter Louis-Flagge nun übrigens wieder mit ihren ehemaligen Flottenkameradinnen bei NCL, denn Louis besaß zu diesem Zeitpunkt neben der ehemaligen SUNWARD II (seit 2005 CORAL) auch die vormalige SOUTHWARD (seit 2005 PERLA). Nur das Schwesterschiff SKYWARD hatte es bereits 1991 in fernöstliche Gewässer verschlagen, in denen es bis heute als Kasinoschiff in Fahrt ist.
Unter Louis-Regie gehörte die ORIENT QUEEN zehn Jahre lang zu den beliebtesten Schiffen und war aufgrund ihrer überschaubaren Größe wie geschaffen für Kreuzfahrten zu den griechischen Inseln, deren kleine Inselhäfen für die Mega-Kreuzfahrtschiffe unserer Tage bis heute oftmals verwehrt bleiben. Allerdings unterzog sich auch die Louis Cruise Line 2014/15 unter dem Druck, größere und modernere Schiffe in Dienst zu stellen, einer Transformation und firmierte ab 2015 unter der Bezeichnung „Celestyal Cruises”. Für die 2013 in LOUIS AURA umbenannte ORIENT QUEEN war in der „neuen” Flotte (die jetzt allerdings nur noch aus den beiden etwas größeren vormaligen Louis-Schiffen CELESTYAL CRISTAL und CELESTYAL OLYMPIA bestand) kein Platz mehr. Zwar war die LOUIS AURA auch zuvor schon regelmäßig verchartert worden, als sie im Besitz der Louis Group war; nach dem Einsatz für Rivages du Monde 2015 fand sich im Jahr 2016 jedoch plötzlich keine Anschlussverwendung mehr für das Schiff. Dies änderte sich erst durch den Anruf aus Istanbul, der aus der LOUIS AURA 2017 die AEGEAN QUEEN machte, wenn auch nur für eine Saison. Ein Gnadenbrot?

Unter Deck
Einer Zeitreise kommt auch der ersten Gang durch das Innere des Schiffes gleich. Denn schon beim Blick auf den Decksplan erkennt man, dass man es bei der AEGEAN QUEEN mit einer Vertreterin aus einer anderen Epoche zu tun hat. 40 Prozent ihrer Kabinen sind Innenkabinen, mit einer derartigen Aufteilung braucht eine Kreuzfahrtreederei heutzutage nicht einmal mehr einen Geschäftsplan aufzustellen. Geschuldet ist dies im Falle der AEGEAN QUEEN allerdings der Tatsache, dass das Schiff als STARWARD noch mit einem Autodeck ausgestattet war. (Ihre ursprüngliche Kapazität betrug 540 Passagiere und 220 Autos.) Dieses schaffte NCL 1976 ab und installierte bei einem Umbau nicht weniger als 114 zusätzliche Innenkabinen auf dem Autodeck, was der Rentabilität des Schiffes guttat, dem Passagierfluss dagegen weniger. Es geht nämlich eng zu unter Deck. Wenn auf Deck 5 die Gangway ausliegt, ist bei der Ein- und Ausschiffung praktisch kein Vorbeikommen mehr zu den Kabinentrakts links und rechts daneben. Auch die Korridore sind schmal, die Treppen vergleichsweise steil und die Decken in den öffentlichen Räumen niedrig. Ein Raumwunder ist die AEGEAN QUEEN jedenfalls nicht. Das gilt auch für die Kabinen. Die waren schon zu NCL-Zeiten nicht gerade riesig, können im 21. Jahrhundert aber erst recht nicht mehr mit den Standard-Kabinen moderner Kreuzfahrt-Neubauten mithalten. Die kleinsten messen gerade mal 10 Quadratmeter, allerdings verfügt die AEGEAN QUEEN nach diversen Umbauten inzwischen auf den Decks 7 und 9 auch über fünf Suiten.
Auch meine eigene Kabine, Nr. 5116, befindet sich tief unten im Schiff. Handy-Empfang gibt es hier keinen mehr, dafür dringt der orientalische Gesang aus der Kabine nebenan fast 1:1 ans eigene Ohr, so hellhörig sind die Wände. In meinem Fall zittern auch noch die Deckenpaneele monoton vor sich hin, und das obwohl ein dienstbarer Geist diesen Mangel schon vor längerer Zeit versucht hat, mit einem Stück Pappe behelfsmäßig zu beheben. Geholfen hat es wenig, aber wie gesagt: Sie ist eine alte Lady, die AEGEAN QUEEN. Anderes dagegen ist erstaunlich modern: Das Keycard-Schloss z. B., das war nämlich 1968 noch gar nicht erfunden. Oder der kleine Flachbildfernseher an der Wand. Auch mit Spiegeln wurde nicht gegeizt, solche jedenfalls befinden sich sowohl über den Betten als auch über dem Nachttisch. Außerdem machen sie bekanntlich enge Räume größer, was zumindest in Kabine 5116 hervorragend gelingt. Farbliche Verirrungen gibt es ebenso wenig: Der Teppichboden ist dunkelblau, genauso wie die Tagesdecke. Grün leuchtet nur der Fluchtplan an der Innenseite der Kabinentür – und das auch nachts, was am Anfang ein bisschen irritiert.

Von Çeşme nach Mykonos
Pünktlich mit dem Ende der Rettungsübung lässt der griechische Kapitän Nikolaos Chazapis um kurz vor 14:30 Uhr die Leinen losmachen und steuert die AEGEAN QUEEN aus der Bucht von Çeşme hinaus in die Ägäis. Für den türkischen Badeort oder die Gewässer Homers hat da allerdings kaum jemand ein Auge. Insbesondere die Damenwelt ist bei dieser und anderer Gelegenheit vor allem mit dem Aufnehmen von Selfies beschäftigt und verbringt die letzten Momente der Nähe zum Land am Smartphone. Auch das dürfte Anfang der 1970er Jahre anders ausgesehen haben, als die STARWARD, der Stolz der „White Fleet” von NCL, jeden Samstag Miami für die Bahamas und Jamaika verlassen hat. Doch während sich die Zeiten geändert haben, hat das Schiff selber diese überdauert und ist knapp 50 Jahre später noch einmal genauso Pionier, wie es das schon 1968 gewesen ist. Denn der türkische Kreuzfahrtmarkt ist unterentwickelt. Neben Etstur gibt es aktuell keinen weiteren türkischen Kreuzfahrtveranstalter; entsprechend anspruchslos ist das Publikum, hören wir an Bord. Viele der Gäste an Bord der AEGEAN QUEEN sind Kreuzfahrt-Neulinge. Wo erfahrene Kreuzfahrer die Nase rümpfen würden ob dieses kleinen und alten Schiffes, herrscht hier bei vielen Passagieren die Freude darüber vor, zum ersten Mal überhaupt im Leben eine Schiffsreise anzutreten. Und wo Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Schiffen fehlen, ist im Jahr 2017 eben auch eine AEGEAN QUEEN ein Luxusliner. Entsprechend bunt ist auch die Altersmischung an Bord: Kinder, Jugendliche, Twens, Paare, Familien, Rentner – alle in gleichen Anteilen vertreten. Nach Angaben der Schiffsführung kommen die türkischen Passagiere dabei aus sämtlichen Teilen des Landes.
Am frühen Abend bin ich wieder an Deck, da ist der Himmel über der Ägäis zum ersten Mal seit Tagen bewölkt. Gerade genug jedenfalls, damit die Sommersonne nicht schon wieder genauso erbarmungslos brennt wie gestern noch in Piräus. Auch der Wind hat inzwischen ordentlich aufgefrischt. Für die AEGEAN QUEEN ist das allerdings kein Problem. Die 75 Seemeilen bis Mykonos schafft sie mit 14 Knoten, unserer Ankunft dort um 20:30 Uhr steht also nichts im Wege.
Vorher gibt es aber noch Abendessen, das erste an Bord. Dies kann man entweder unter Deck im Mermaid Restaurant (achtern auf Deck 8) einnehmen oder an der frischen Luft im Horizon Restaurant auf Deck 9. In beiden Fällen erfolgt die Speisung in Form eines „open buffet”. Was auf dem Papier aussieht wie das Fehlen eines echten A la Carte-Restaurants, ist in der Ägäis jedoch dem Fahrplan geschuldet, wo auch bei der Konkurrenz von Celestyal Cruises oftmals zwei Häfen pro Tag auf dem Programm stehen. Da möchte niemand stundenlang darauf warten, dass der dritte, vierte und fünfte Gang serviert wird, sondern pünktlich mit dem Essen fertig sein, wenn die nächste Insel in Sicht kommt. Außerdem ist die Auswahl an Speisen hier wie dort riesig. Darüber hinaus ist das Büffet auf einem türkischen Schiff natürlich orientalisch angehaucht: Es gibt viel Gemüse, noch mehr Salate, und an jedem der Büffet-Tische riecht es nach anderen exotischen Gewürzen. Es hilft auch, wenn man Lammfleisch mag, die einzige Fleischsorte ist es aber natürlich nicht. Orangen- bzw. Multivitaminsaft gibt es übrigens in beiden Restaurants gratis dazu, auch in diesem Punkt können sich die großen Reedereien von der kleinen AEGEAN QUEEN gerne eine Scheibe abschneiden.
Vor und nach dem Essen darf man die ehemalige STARWARD dagegen als Schiff der kurzen Wege genießen. Selbst wer eine Kabine auf den beiden unteren Decks (5 und 6) bewohnt, ist in Nullkommanix auf dem Bootsdeck (9). Letzteres ist auch in ziemlich kurzer Zeit umrundet, wobei es vorne unter der Kommandobrücke eine extra breite Aussichtplattform bietet, die für das Beobachten des Ein- und Auslaufens aus den Häfen wie geschaffen ist. Und das ohne dafür zahlen zu müssen. Denn erst als die Kreuzfahrt-Industrie „erwachsen” geworden ist, sind die Reedereien dazu übergegangen, diesen exponierten Platz an Bord anderweitig zu nutzen: für große Wellness-Center, Suiten mit Meerblick oder Erste Klasse-Bereiche, die natürlich nicht so heißen dürfen. In der Ägäis ist ein altes Schiff wie die AEGEAN QUEEN dagegen plötzlich ein Segen und die Insel Mykonos beim Anlegen nicht etwa hinter hohen Panzerglasscheiben oder klobigen Rettungsbooten verborgen, sondern zum Greifen nah. Unter den Augen der Passagiere bricht auf dem Vorschiff geschäftige Betriebsamkeit aus, als das Festmachen vorbereitet wird und die Geräusche und Rufe vom Pier zu uns hinüber dringen. „Old school” nennt man das wohl. Ein Jammer, dass es nicht mehr viele Schiffe ihrer Art gibt, welche die klassische Seefahrt so hautnah erlebbar machen.

Santorin mal anders
In den frühen Morgenstunden rumpelt es gehörig unter mir, und die Kabinenwände zittern. Die AEGEAN QUEEN legt höchst geräuschvoll in Mykonos ab und nimmt Kurs auf Santorin. „Gratis-Massage” nennt dies Ibrahim, der türkisch-amerikanische Hotel Manager an Bord beim Frühstück. Ibrahim ist Kreuzfahrt-Urgestein und hat während seiner Lehrjahre in den 1970er Jahren sogar den alten Ted Arison noch persönlich kennengelernt. Inzwischen hat er die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen, sich ein Häuschen in Tampa zugelegt und eine Segelyacht, mit der er kürzlich höchst selbst rüber nach Kuba gesegelt ist. Er erzählt, dass die Louis Group vor Beginn der ersten Reise noch einmal viel Geld in das Schiff gesteckt habe. Wenn, wie ich lobend erwähne, die alte STARWARD mit ihren knapp 50 Jahren noch bestens in Schuss ist, dann liege dies auch daran.
Bevor wir weiterreden, müsse ich aber unbedingt erst noch die Zimtsuppe probieren. Die gehört schließlich zu den türkischen Nationalgerichten, kann zu jeder Gelegenheit getrunken (nicht gelöffelt!) werden und stand demzufolge auch gestern Abend erst als „Midnight Snack” auf dem Büffet. Ich tue wie befohlen. Die Suppe hat die Konsistenz von Hustensaft und angeblich auch dieselbe Wirkung, kann mich aber nicht wirklich überzeugen. Für den Rest des Frühstücks bleibe ich lieber bei Tee und Orangensaft.
Das Tagesprogramm der AEGEAN QUEEN ist wohltuend knapp gehalten. Dass es überhaupt auf ein DIN A4-Faltblatt pro Tag passt, verdankt es eigentlich nur der Tatsache, dass es durch Clip Arts der einfacheren Art sowie durch die sich ständig wiederholenden Sicherheits- und Hygiene-Hinweise künstlich aufgeblasen wird und dass die halbe erste Seite von einer kruden Türkisch-Englisch-Übersetzung des Reiseziels eingenommen wird, die selbst Google Translate besser hinbekommen hätte. Aber egal, wir unternehmen die Reise ja nicht wegen der Häfen, sondern wegen des schönen Schiffes. Und das erweist sich am Vormittag als erstaunlich still. Bord-Durchsagen gibt es keine während der Fahrt, und auch der allgemeine Lärm- und Geräuschpegel in den öffentlichen Räumen und an Deck ist bemerkenswert niedrig. Man hat es sich auf dem Bootsdeck gemütlich gemacht, um Santorin näherkommen zu sehen, plaudert zusammen am Pool oder verteilt sich unter Deck schön gleichmäßig zwischen Reflections Bar und Show Lounge. Nur die Venus Bar ist verwaist, dabei ist sie doch eigentlich das „Wahrzeichen” des Schiffes. Die dänische Design-Firma Knud E. Hansen, welche die STARWARD seinerzeit entworfen hatte, hat die dreigeschossige Bar als wind- und sonnengeschützten Schiffsmittelpunkt oben auf dem Pooldeck konzipiert, der noch heute vor allem abends für Poolpartys und ähnliche Veranstaltungen genutzt wird. Tagsüber allerdings heizt sich das Innere dieses zu drei Vierteln geschlossenen Raumes sehr schnell auf. Sowohl der kleine Pool am Fuß der Venus Bar als auch die hier servierten Kaltgetränke waren daher nur zu oft essentiell, damit man es in der Venus Bar überhaupt für längere Zeit aushielt.
Als wir Santorin erreichen, ist außer uns nur noch die kleine SEA DREAM II da. Kein Massenansturm also auf das kleine Örtchen Thira heute – nicht zuletzt die Esel, die sonst unermüdlich Touristen die Serpentinen hoch- und wieder runter befördern müssen, werden es danken. Ich verzichte heute aber auf den Ritt mit dem Esel und fahre stattdessen mit dem Segelboot nach Nea Kameni rüber – jener unbewohnten Vulkaninsel in der Caldera von Santorin, die bei einem der letzten großen Vulkanausbrüche 1707 entstanden ist. Die Tour (Kosten: 20 €) dauert zwei Stunden und bietet neben spektakulären Panoramen und höchst willkommenem Fahrtwind auch die Möglichkeit zu einem abkühlenden Bad in einer Bucht der Vulkaninsel sowie zu einer Besteigung derselben im Rahmen einer geführten Wanderung.
Zurück an Bord, haben wir uns am Abend eine Abkühlung verdient, schließlich besteigt man nicht jeden Tag bei 30 Grad im nicht vorhandenen Schatten eine Vulkaninsel. Da ist es ein Segen, dass das Büffet-Restaurant überpünktlich schon um zehn Minuten vor 19 Uhr öffnet. Statt deutscher Pünktlichkeit mediterrane Flexibilität: Wenn das Essen fertig ist, ist es eben fertig – auch nicht schlecht. Da dürfen einen auf dem Büffet auch die Fische noch im ganzen Stück aus ihren toten Augen angucken, fangfrischer geht es wohl nicht, auch wenn sich einem dieser Anblick in Deutschland höchstens noch auf friesischen Fischmärkten bietet. Auch der Hackbraten sieht nicht wirklich aus, als käme er von der EDEKA-Theke. Und er schmeckt – naja, türkisch eben, also orientalisch gewürzt, ohne dass sich dies näher definieren ließe. Doch wie heißt es so schön: When in Rome do as the Romans do.

Piräus und Athen
Das Bordprogramm kommt auch am dritten und letzten Tag wieder auf Türkisch statt auf Englisch auf die Kabine, und das auch erst am Morgen anstatt bereits am Vorabend. Macht aber nichts, mein Tagesablauf hängt auf einem Schiff wie diesem, wo ich kein Wort verstehe, ohnehin von Zufällen ab. Nach dem Frühstück (Sesam- und Kümmelbrötchen, auch daran gewöhnt man sich erstaunlich schnell) und der erfolgten Ausschiffung der meisten Passagiere bin ich gerade bei meinem Foto-Rundgang durch das fast leere Schiff, als ich dem Hotel Manager ein weiteres Mal in die Arme laufe. Ob ich Lust hätte, mit ihm auf die Kommandobrücke zu kommen? Eine rhetorische Frage, natürlich habe ich das. Keine zwei Minuten später bin ich oben, inmitten einer technischen Ausstattung, die aus nicht weniger als fünf Jahrzehnten stammt. Der klobige zentrale Kommandostand mitsamt Steuerrad mutet eher wie ein Museumsartefakt an, der moderne Radar-Flachbildschirm links davor könnte dagegen auch auf einer AIDAperla stehen. Das Bauschild der „M. S. Starward – C6CM4” aus Messing versteckt sich förmlich an einem Holzpaneel knapp über dem Fußboden, während die Konsole für die Steuerung der Stabilisatoren noch wie am ersten Tag umso prominenter mit „AEG Schiffbau” und „Deutsche Werft Hamburg” beschriftet ist. Schließlich ist die AEGEAN QUEEN made in Germany. Ansonsten bestimmen lange Hebel und bunte rechteckige Druckknöpfe das Bild, wo sich auf modernen Kommandobrücken Computer-Display an Computer-Display reiht. „Old school” ist auch die Schiffsglocke in der offenen Steuerbord-Brückennock, auch sie stammt noch aus STARWARD-Zeiten.
Als meine Arbeit an Bord getan ist, geht es raus an die frische Luft. Die allerdings weniger frisch, sondern vielmehr drückend heiß ist. Das Touristen-Programm in der Athener Innenstadt fällt also knapp aus. Die Besteigung der Akropolis bei 35 Grad und mehr erspare ich mir jedenfalls und hebe mir selbige stattdessen für einen milden April- oder Oktobertag auf. Rings um den „Berg der Götter” herum laufen geht aber, auch wenn man fast im Halbstundentakt Trinkwasserflaschen nachkaufen muss. Selbst der Hafen von Piräus verschafft anschließend keine wirkliche Abkühlung, im Gegenteil. Die Sonne brennt am Nachmittag wieder erbarmungslos auf die Kais, ein Glück, dass die AEGEAN QUEEN „nur” am Terminal C liegt und nicht noch weiter draußen.

Abschied
Das letzte Abendessen an Bord genieße ich im Mermaid Restaurant. Dessen Einrichtung nennt der amerikanische Kreuzfahrtkritiker Douglas Ward „almost charming”, und in der Tat ist es durch die hohen Fenster an den Seiten heller als so manches Restaurant auf anderen Schiffen. Auch der Abstand zwischen den Tischen ist wohltuend groß. Doch ein ganz besonderes Problem galt es zu lösen, als man das Restaurant 1985 in den achteren Bereich des Schiffes verlegte. Hier war nämlich das Becken des Swimmingpools darüber „im Weg”. Die Lösung, die man fand, ist bis heute auf Kreuzfahrtschiffen einzigartig: Man schnitt ein ovales Glasfenster in die vordere Beckenwand. Dadurch bekommt das Mermaid Restaurant nicht nur zusätzliches Licht in der Mitte des Raumes, sondern bietet seinen speisenden Gästen auch noch eine frivole Attraktion. Solange während der Hafenliegezeiten Wasser im Pool ist, kann man nämlich beim Essen die badenden Gäste von unten beim Plantschen, Schwimmen und Tauchen beobachten! Ob das in allen Fällen, wie der Name verspricht, tatsächlich Meerjungfrauen sind, sei jedoch einmal dahin gestellt.
Als die AEGEAN QUEEN am nächsten Morgen nach Çeşme zurückkehrt, liegen drei ereignisreiche Tage auf einem wahren Traumschiff hinter mir. Keines der modernen Sorte, wo man die Auswahl zwischen diversen Spezialitäten- und anderen Restaurants hat oder wo man vor lauter Bord-Attraktionen gar nicht mehr im Hafen an Land gehen muss. Sondern an eine Vertreterin der guten alten Anfangszeit der internationalen Kreuzfahrt mit kurzen Wegen, großen offenen Deckflächen, einer wahrhaft familiären Atmosphäre und einem erfrischend ungezwungenen Bordalltag. Das Besondere Etwas war hingegen die herrliche türkische Küche, die orientalische Musik und die türkische Herzlichkeit seitens der Besatzung und der mitreisenden Passagiere. Für die Inseln der Ägäis ist ein kleines Schiff wie die AEGEAN QUEEN jedenfalls wie geschaffen. Eine wahre Königin eben! www.etstur.com

Technische Daten MS AEGEAN QUEEN
Größe: 15.781 BRZ, Länge: 160,13 Meter, Breite: 22,81 Meter, Tiefgang: 6,22 Meter, Decks: 11 (davon 7 Passagierdecks), Baujahr: 1968, Ex-Namen: STARWARD 1995, BOLERO 2004, ORIENT QUEEN 2013, LOUIS AURA 2017, Bauwerft: Seebeckwerft (AG Weser), Bremerhaven, Antrieb: zwei 16-Zylinder MAN-Diesel; 12.960 kW, Geschwindigkeit: maximal 21 Knoten, Flagge: Malta, Heimathafen: La Valletta, Besatzung: 350, Passagiere: 928, Kabinen: 378, Bordsprache: Türkisch, Englisch.

17606 02 Aegean Queen Cesme06 2017 Kai OrtelDie AEGEAN QUEEN im türkischen Çeşme. Der Badeort bietet gegenüber der Großstadt Izmir den Vorteil einer kürzeren Distanz zu den Ägäis-Inseln.

17606 03 Aegean Queen Cesme15 2017 Kai OrtelAm Pier in Çeşme wartet die AEGEAN QUEEN auf die Passagiere der bevorstehenden Mini-Kreuzfahrt in die griechische Inselwelt.

17606 04 Aegean Queen Bug01 2017 Kai OrtelÜber die Toppen geflaggt zeigt der Bug der AEGEAN QUEEN am ersten Reisetag in Richtung Ägäis.

17606 26 Aegean Queen Kommandobruecke04 2017 Kai OrtelAuf der Kommandobrücke der AEGEAN QUEEN stammt die technische Ausrüstung aus fünf verschiedenen Jahrzehnten.

17606 07 Aegean Queen Kabinenkorridor03 2017 Kai Ortel

Die engen Kabinenkorridore auf Deck 5 befinden sich auf dem ehemali-
gen Autodeck des Schiffes, das 1976 einem Umbau weichen musste.

17606 08 Aegean Queen Innenkabine01 2017 Kai Ortel

Innenkabine auf Deck 5. Im Lauf der Jahre sind viele Kabinen an Bord erneuert worden und sind heute zwar größtenteils immer noch klein, dafür aber modern ausgestattet.

 17606 17 Aegean Queen Reflections Lounge07 2017 Kai OrtelDie Reflections Lounge unter Deck ist tagsüber ein schöner und angenehm kühler Rückzugsort, wenn es draußen an Deck in der Sonne zu heiß wird.

17606 19 Aegean Queen Stars Show Lounge09 2017 Kai OrtelDie Stars Show Lounge im vorderen Teil von Deck 8 wird vor allem abends für Musik- Tanzveranstaltungen genutzt.

17606 09 Cesme Abfahrt07 2017 Kai OrtelAbfahrt aus Çeşme. Der türkische Badeort versprüht mit seinen Windrädern und den Fähren nach Griechenland ein sehr modernes und
kosmopolitisches Flair.

17606 11 Aegean Queen Bootsdeck21 2017 Kai OrtelEin Bootsdeck der altmodischen Art: blanker Stahl und Kisten mit Rettungswesten, dafür viel frische Seeluft nur wenige Meter über
der Wasseroberfläche.
17606 12 Aegean Queen Bootsdeck vorne01 2017 Kai OrtelDas breite Aussichtsdeck unter der Kommandobrücke ist ideal für das Beobachten des Ein- und Auslaufens aus den Häfen.

17606 13 Aegean Queen Mykonos12 2017 Kai OrtelErst nach Sonnenuntergang hat die AEGEAN QUEEN in Mykonos festgemacht.

17606 14 Mykonos06 2017 Kai OrtelZur „blauen Stunde” die Insel entdecken, wenn die „großen Pötte” schon weg sind. In Mykonos liegt die AEGEAN QUEEN von 20:30 Uhr bis 05:30 Uhr.

17606 16 Aegean Queen Pool Deck15 2017 Kai OrtelEin kleiner Pool, viel Teakholz und eine Wendeltreppe zum Sonnendeck: Das achtere Pooldeck der AEGEAN QUEEN vermittelt klassische maritime Atmosphäre.

17606 20 Aegean Queen Venus Bar06 2017 Kai OrtelDie Venus Bar ist seit STARWARD-Tagen das Wahrzeichen des Schiffes. Pool und Bar befinden sich hier in einem halb offenen, halb geschlossen „Dummy”-Schornstein.

17606 30 Aegean Queen Mermaid Restaurant25 2017 Kai OrtelOrientalische Delikatessen soweit das Auge reicht. Die Auswahl am Büffet übertrifft mühelos die so mancher Restaurants an Land.

17606 10 Aegean Queen Horizon Büffet Restaurant01 2017 Kai OrtelKein Büffet ohne Oliven und Salat. Im Horizon Restaurant herrscht bei den Köstlichkeiten der türkischen Küche die Qual der Wahl.

17606 21 Aegean Queen Compass Deck vorne04 2017 Kai OrtelAuch im vorderen Teil des Schiffes, wie hier auf dem Compass Deck vor der Venus Lounge, verfügt die AEGEAN QUEEN über großzügig bemessene Decksflächen. Links im Bild die SEA DREAM II.

 17606 27 Athen18 2017 Kai OrtelDie Akropolis, der „Berg der Götter”, liegt inmitten einer grünen Oase Athens.