SeereisenMagazin Logo klein 347 65NORDSEEMAGAZIN · AUSGABE 6/2017hr

Bremen aus der Luft Foto Jochen Knobloch Bremer Touristik Zentrale 101891
Das ist meine Hafenstadt – Bremen.
Foto: Jochen Knobloch, Bremer Touristik Zentrale

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„Atmende” Rechtsvorschrift: Kein Traditionsschiff soll an die Kette gelegt werden
Die an der Küste heftig diskutierte neue Sicherheitsverordnung für Traditionsschiffe wird am 1. Januar 2018 in Kraft treten. Sie soll unter anderem die Vorgaben für die bauliche Beschaffenheit, den Brandschutz und die Ausrüstung mit Rettungsmitteln festlegen. Grundlage sind die Sicherheitsempfehlungen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU). Dadurch können laut Bundesverkehrsministerium (BMVI) historische Schiffe in Zukunft ihre Einstufung als „Traditionsschiff” erhalten und gleichzeitig die erforderlichen Sicherheitsstandards für Passagiere und Besatzung bieten. Dazu erklärt Christian Schmidt, geschäftsführender Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: „Ich möchte die Traditionsschifffahrt in Deutschland erhalten. Um das zu erreichen, brauchen wir ein hohes Maß an Sicherheit für Besatzung und Passagiere. Die neue Verordnung über die Zulassung von Traditionsschiffen ist eine ›atmende‹ Rechtsvorschrift. Wir werden die Verordnung in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit den Vereinen und Verbänden der Traditionsschifffahrt überprüfen und bei Bedarf auch anpassen.” Für Schiffe, die bis 2020 ein Sicherheitszeugnis für Traditionsschiffe erhalten haben, besteht Bestandsschutz. Kein Schiff werde durch die Verordnung „an die Kette gelegt”, erklärt das Ministerium. Die Umsetzung der neuen Vorschriften wird durch eine Arbeitsgruppe begleitet. Deren Aufgabe ist es, eventuelle Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu identifizieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe besteht aus Verbänden und Vereinen der Traditionsschifffahrt sowie Vertretern des BMVI und der Zulassungsbehörde (Dienststelle Schiffssicherheit bei der Berufsgenossenschaft See mit Sitz in Hamburg). Das erste Treffen findet am 20. November 2017 statt. Zur Lösung von möglichen strittigen Fragen im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird laut BMVI zudem eine Ombudsstelle eingerichtet. Um notwendige Umbauten finanziell zu unterstützen bzw. historische Schiffe gemäß den neuen Vorschriften zu ertüchtigen, werde das BMVI ein Förderprogramm der Traditionsschifffahrt auflegen. Die Details würden gemeinsam mit den betroffenen Verbänden und Vereinen erarbeitet.

17619 POLARSTERN 20150924 PS94 Arktis 101 Foto M Hoppmann AWIFür härteste Einsätze gebaut und in der Polar- und Meeresforschung bewährt: die POLARSTERN des AWI in Bremerhaven.
Foto: Alfred Wegener Institut/M. Hoppmann

Nach Süden in die Kälte
Am 20. Dezember wird die POLARSTERN des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung ihren Aufenthalt auf der Bremerhavener Lloyd-Werft beenden und ihre Reise in den Süden, in die Antarktis beginnen. Ziel ist die Forschungsstation Neumayer III in der Atka-Bucht auf dem Ekström-Schelfeis, die mit Proviant und Material versorgt werden muss. Ihre genaue Position: 70° 40´ Süd, 8° 16´ West. Der Eisbrecher wurde 1982 in Dienst gestellt und ist im Durchschnitt jährlich 310 Tage im Einsatz. Beim jetzigen Werftaufenthalt wurde der Wellengenerator ausgetauscht, der Strom für das Schiff erzeugt. Auf dem Arbeitsdeck wurden alle Kräne und Hebegeräte abgebaut und überholt, der Rumpf bekam einen eisbeständigen Unterwasseranstrich.www.awi.de

Weniger aus dem Meer
Das Verhältnis der Salzwassersegler zur Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer gilt als problematisch. Doch bei einem ist man sich einig: Müll gehört nicht ins Watt. Und so veranstalteten die „Soltwaters”-Segler, die Nationalparkverwaltung, der Mellumrat und die Gemeinde Wangerooge wieder eine gemeinsame Aktion: Müll wurde diesmal nicht auf der Vogelschutzinsel Minsener Oog sondern am Strand von Wangerooge, der östlichsten der Inseln zwischen Weser und Ems, eingesammelt. Im letzten Jahr hatte man auf der Vogelinsel 18.500 Strandmüllteile zusammengetragen. In diesem Jahr bewährte sich zum ersten Mal das Aufstellen von Müllsammelboxen an den Stränden der Insel. Die Boxen wurden von vielen Strandwanderern gefüttert. Doch trotz des überraschend guten Ergebnisses weiß der Gebietsbetreuer der Nationalparkverwaltung, dass die Frühjahrstürme im Sand wieder neuen Müll freilegen werden und die gemeinsame Arbeit weiter gehen wird.

Was Besucher anzog
Bremen und Bremerhaven gehören nicht unbedingt zu den schönsten Städten Deutschlands, doch sie haben Attraktionen, die ihresgleichen suchen und jedes Jahr Besucher anziehen. Das Statistische Landesamt Bremen veröffentlichte Zahlen des vergangenen Jahres. In 2016 war das Klimahaus 8 Grad Ost in Bremerhaven die größte Attraktion – mit 453.248 Besuchern. Mit 347.376 Besuchern lag der Zoo am Meer – auch in Bremerhaven – an zweiter Stelle. In der Stadt Bremen zog das Universum 213.344 Besucher an. Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven besuchten 167.046 Menschen, die Kunsthalle Bremen 93.324. Überraschend die Zahl der Besucher des Deutschen Schiffahrtsmuseums: 82.364.

17619 Austal FRS Vessel Exterior D Animation FRS Helgoline FlensburgDie Zeichnung der neuen Helgolandfähre zeigt große Freideckflächen, die sechs Mal so groß sind wie die auf der HALUNDER JET, die jetzt ihre letzte Fahrt von Cuxhaven nach Helgoland machte. Animation: FRS Helgoline, Flensburg

Schneller, länger, bequemer nach Helgoland
Im Frühjahr ist es so weit: Die neue HALUNDER JET wird ihren Dienst aufnehmen. Sie ist 56 Meter lang und wird von Hamburg über Wedel und Cuxhaven nach Helgoland fahren. Die neue löst die alte ab, die Mitte Oktober ihre letzte Fahrt von Cuxhaven aus mit gut 350 Gästen zu Deutschlands einziger Hochseeinsel machte. Die alte hat jährlich rund 93.000 Fahrgäste auf die Insel gebracht, in 15 Jahren bei 2.944 Fahrten mehr als 1,2 Millionen Passagiere. www.helgoline.de/home

6,5 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchte
Mit einem Pro-Kopf-Verzehr von 6,5 Kilogramm Fisch und Meeresfrüchten liegt Bremen knapp vor Mecklenburg-Vorpommern mit 6,3 kg und Schleswig-Holstein mit 6,1 kg – im Jahre 2016. Im Jahr davor lag Bremen noch auf Platz 3. Insgesamt verkaufte der Einzelhandel 412.000 Tonnen Fisch in Deutschland, rund zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Dennoch gaben die Kunden dafür mehr als im Vorjahr aus, 3,8 Milliarden € statt 3,7 Milliarden €. Beliebtester Speisefisch ist nach wie vor der Lachs mit einem Marktanteil von 19,2 Prozent, Hering liegt mit 17,4 auf Platz drei hinter Alaska Seelachs mit 18,3 Prozent, der auch zu Fischstäbchen verarbeitet wird. Fischfachgeschäfte haben einen Anteil am Gesamtumsatz von 8,1 Prozent, am beliebtesten als Einkaufsstätte sind Discounter und Supermärkte. Frischfisch und aufgetauter Fisch werden populärer.

Verlust nach 17 Jahren
17 Jahre lang war der auf der Bremer Lürssen-Werft gebaute Dreimastschoner EOS die größte Segelyacht der Welt mit 92,92 Meter Länge über alles und 3.600 Quadratmetern Segelfläche an Masten mit 61 Metern Höhe. In diesem Jahr liegt die Bremerin nur noch auf Platz 3 des Rankings, das das Magazin „Boote exclusiv” alle zwei Jahre veröffentlicht. Platz 2 nimmt die 106 Meter lange BLACK PEARL ein. Auf Platz eins liegt jetzt die in Kiel bei German Naval Yards für den russischen Milliardär Andrei Melnitschenko gebaute Yacht mit dem vorläufigen Namen „A”. „A” ist mit 142,81 Metern fast 50 Meter länger als die EOS. Sie hat drei knapp 100 Meter hohe Masten, an denen sie 4.500 Quadratmeter Segel setzen kann. Mit den hohen Masten blieb der neuen Rekordhalterin nur ein Weg aus der Ostsee, durch den Drogden Sund zwischen Amager und Saltholm. Die „A” soll 400 Millionen Euro gekostet haben, hat im Kiel eine Unterwasser Lounge, besitzt vier Beiboote und soll sogar ein Mini-U-Boot an Bord haben. James Bond lässt grüßen.

Neues aus dem Museum
Das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven baut um und „erfindet sich neu”, wie der Weser Kurier berichtete. „Wir wollen weg von der rein chronologischen Sammlung maritimer Geschichte”, so die geschäftsführende Direktorin Professor Sunhild Kleingärtner. Nach dem neuen Konzept „wird alles lebendiger und aktueller. Die Forscher präsentieren ihre Arbeit anhand von Objekten und daraus ergeben sich die Inhalte der Ausstellung.” So ist die Bremer Kogge von 1380 in der Kogge Halle neu zu bestaunen. Erlebnis-Stationen erwarten den Besucher. Rauhe Stoffe, nachgewebt, erinnern an Kleidung der damaligen Seeleute. Und ein ebenfalls ausgestellter Winzling konnte den Erfolg einer ganzen Reise in Frage stellen: Der Kornkäfer konnte auf langen Reisen bis zu drei Vierteln der Kornladung vernichten. Nach den Umbauten wird das Museum 8.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche haben.


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17619 Winchester SDer Atlantik 127633 Foto Knaus Verlag Muenchen

Das besondere Buch: Der Atlantik – Biographie eines Ozeans

Vor über 190 Millionen Jahren entstand er, als Pangäa, einer der Urkontinente der noch jungen Erde, sich in der Mitte öffnete, und in weiteren 180 Millionen Jahren wird er, nach Schätzungen von Wissenschaftlern, wieder verschwunden sein: Der Atlantik, wildester aller Ozeane, der ein Fünftel der Erdoberfläche bedeckt. Unser Planet sollte statt „Erde” wohl besser „Wasser” heißen, denn die Ozeane bedecken insgesamt zwei Drittel seiner Oberfläche. Und mehr als 97 Prozent dieses Wassers ist Salzwasser.
Simon Winchester ist ein ausgezeichneter englischer Journalist, der als Auslandskorrespondent aus fast allen Ländern der Welt berichtete und mit Sachbüchern Bestsellerlisten eroberte. Sein Atlantik Buch erschien 2010 bei Harper Collins in New York und zwei Jahre später beim Albrecht Knaus Verlag in München, übersetzt von Michael Müller. Es beschreibt, so der Autor, „die Entwicklung in der Haltung des Menschen zu diesem gewaltigen Gewässer und seinem Verhältnis zu ihm.”
Das klingt sehr philosophisch. Doch schon ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, dass es hier um Fakten geht, von den Purpurinseln Mogador bis zu Wandel und Verfall. Eine Bibliographie gehört dazu, ein Bildnachweis und ein ausführliches Register. Man kann also die 528 Seiten lesen wie einen Roman oder sich das heraussuchen, was einem für die nächste Reise wichtig erscheint. Das kann die gut recherchierte Entdeckungsgeschichte dieses Ozeans sein, die mit den Phöniziern begann, die als erste mutig das Mittelmeer verließen und in unbekannten Weiten an der Küste des heutigen Marokkos Schnecken entdeckten, mit deren Absonderungen sie unendlichen Reichtum anhäuften – dem Purpur der Herrscher. Wie verlaufen die Meeresströmungen, den Golfstrom kennen wir, aber was macht der Benguelastrom? Mit welcher Faustregel erreichte man unter Segeln Amerika? Ist uns bewusst, dass sich in den Atlantik weit mehr Flüsse als in den Pazifik oder den indischen Ozean ergießen? Ehe die Briten den Sklavenhandel verboten, waren elf Millionen Schwarzafrikaner „zwischen der Mitte des 15. und dem Ende des 19. Jahrhunderts über den Atlantik in Richtung Westen verschleppt” worden, drei Millionen auf britischen Schiffen. „Das gesamte britische Establishment bezog Dividenden aus diesem Gewerbezweig”, von der königlichen Familie bis zum Oberhirten der Church of England.
Simon Winchesters „Atlantik” gehört in die Bibliothek eines jeden, der übers Wasser reist, im Urlaub oder beruflich. Alles, was man wissen sollte, steht auf diesen Seiten. Und wer dem Meer verfallen ist, kann seine Sucht hier stillen. Mit Staunen und hohem Genuss.

Simon Winchester
Der Atlantik – Biographie eines Ozeans
Knaus Verlag, München, aus dem Englischen übersetzt von Michael Müller, gebundenes Buch mit Schutzumschlag, ISBN: 978-3-8135-0431-6, € 29,99 (D), € 30,90 (A), CHF 39,90*,  Knaus-Der-Atlantik
(* empf. VK-Preis)