SeereisenMagazin Logo klein 347 65WESTLICHES MITTELMEER · AUSGABE 6/2018hr

18608 00 AidaAura Portoferraio21 2017 Kai OrtelDie AIDAaura auf Reede vor Elba. Dass Aida seine drei kleinen Schiffe nach der Indienststellung der „Sphinx”-Klasse nicht abgestoßen hat, ist ein Glücksfall. Fotos: Kai Ortel, Berlin

Kai Ortel

Palmen, Poeten und Paella
Mit der AIDAaura abseits der Hauptrouten durchs Westliche Mittelmeer

Die drei Aida-Schiffe der ersten Generation sind für heutige Verhältnisse geradezu winzig, ermöglichen aber gerade deswegen Reisen abseits der Hauptrouten der Kreuzfahrt, selbst im Mittelmeer. „Aida Selection” nennt die Reederei dieses Konzept, das sich auch in anderen Details vom Hauptprodukt der Rostocker Reederei abhebt. Das beginnt bereits bei der Einschiffung. An der Außenmole von Palma de Mallorca stehen ein paar Sonnenschirme und darunter Aida-Angestellte in bunten Polohemden. Aida nennt sie Gastgeber, und tatsächlich: Hier wird man nicht abgefertigt, sondern empfangen. Fast beiläufig erleichtert man uns um unsere Reise-Dokumente, die meisten Formalitäten haben wir ohnehin bereits zu Hause erledigt. Und statt „Der Nächste bitte” heißt es „Willkommen an Bord”. Man kommt ins Plaudern. Andere Passagiere sind nicht in Sicht, und Zeit bis zur Abfahrt ist auch noch reichlich. Noch nicht einmal an Bord, und schon sind wir begeistert.
Dabei steht eine Kreuzfahrt mit den eigenen Landsleuten, wie Aida Cruises sie anbietet, nicht bei jedermann gleich hoch im Kurs. Schließlich hat man Otto Normalverbraucher bereits die übrigen 52 Wochen des Jahres um sich, da darf es wenigstens im Urlaub ein wenig exotisch zugehen. Doch als hätte Aida auch diese unsere Befürchtung vorgeahnt, beginnt die Exotik bereits in unserer Innenkabine. Teutonische Sparsamkeit und Enge? Von wegen. Der Teppichboden orange-ocker gestreift, die Tagesdecke fröhlich grün und über den beiden Doppelstockbetten nicht etwa die kahle Decke, sondern ein ebenso farbenfroher Baldachin. Auch die Wand ziert dieser Stoff, so dass Kabine 4184 mehr Ähnlichkeit mit einer komfortablen Buschhütte als mit einem deutschen Jugendherbergszimmer hat. Hotel Neptun meets Tropical Islands.
Ausgesucht hatten wir diese Kreuzfahrt vor allem wegen der interessanten Route. Nach Elba und Menorca soll es u. a. gehen – Inseln, die bei weitem nicht jede Kreuzfahrt-Reederei in ihrem Programm hat. Jedenfalls nicht die Großen der Branche, deren Mega-Kreuzfahrtschiffe diese Häfen gar nicht anlaufen können und deren nach Tausenden zählende Passagierscharen dort auch nicht wirklich willkommen sind. „Außergewöhnliche Routen” sind auch gleich die erste Säule des noch jungen Aida Selection-Konzepts. Die anderen sind lange Landaufenthalte, eine persönliche Atmosphäre, landestypische Kultur und regionale Spezialitäten. Und da die AIDAaura außer nach Elba und Menorca auch noch nach Ligurien und an die Costa Brava (Palamós) fährt, sind unsere Erwartungen insbesondere an den letzten Punkt hoch.

Von Mallorca nach Elba
Um 22 Uhr verlässt die AIDAaura Palma de Mallorca. Die auch in englischer Sprache vorgenommene Begrüßungsdurchsage erinnert dann zwar noch verdächtig stark an das „Senk ju vor träwelling”-Englisch in ostdeutschen InterCitys, die anschließende Sail away-Party hat es dafür jedoch in sich. Eine Laser-Show auf dem Pooldeck begleitet das Auslaufen, dann heizen die „Aida Stars” mit der Welcome-Show „Holiday” mächtig ein, welche bekannte Madonna-Hits gekonnt (und sprachlich einwandfrei) zitiert. Für den Anfang ist die Stimmung großartig, so darf es gerne bleiben.
Wie kann man ein Schiff am besten kennenlernen? Natürlich an einem Seetag. Gleich der zweite Tag unserer Kreuzfahrt ist ein solcher, und ein herrlicher Sonnentag obendrein. Ideal für ein Frühstück an Deck, ohne weiteres möglich im Calypso Restaurant, wenn man nur rechtzeitig kommt. Anschließend entdecken wir die Hemingway Lounge als unseren Lieblingsplatz an Bord. Einen gemütlichen Rückzugsraum im Kolonialstil, mit Korbmöbeln, Jalousien und einem altmodischen Ventilator an der Decke. Ganz ohne Bar und anderen Schnickschnack, achtern auf Deck 10 gelegen und mit einer Tür aufs Bootsdeck hinaus. Sogar eine Hollywood-Schaukel steht dort; eine solche ist dem Autor dieser Zeilen zuletzt vor 15 Jahren in Omas Garten begegnet. Und obwohl es hier zwei Tische zum Spielen gibt, scheint die Hemingway Lounge ein Geheimtipp zu sein. Wir haben jedenfalls unsere Ruhe. Lassen die Sonne fürs Erste Sonne sein und spielen Karten. Da darf auch schon um kurz vor 10 Uhr der erste nackte Dickbauch mit zwei Bier in den Händen für einen Moment den Meerblick verstellen. Wir tun wie im Bordprogramm befohlen, genießen in aller Ruhe den Tag auf See. Die wird erst unterbrochen, als Kapitän Laudan um Punkt 12 Uhr zu seiner Durchsage ansetzt. „Moin Moin, liebe Gäste”, begrüßt er uns, das hört sich bei Costa und Co. natürlich auch anders an. Aber auf der AIDAaura sind die Deutschen ja unter sich, und auch eine Wiederholung auf Englisch bleibt uns diesmal erspart. Am Ende wünscht uns der Käptn noch „Guten Appetit”, denn dass es schon wieder Mittagszeit ist, hätten wir über unserer Canasta-Partie fast vergessen.
Auf den Aida Selection-Reisen stehen die Büffets jeden Tag aufs Neue unter einem anderen kulinarischen Thema, heute sind dies „Alpen” (im Markt Restaurant) und „Mediterran” (im Calypso Restaurant). Dabei stellt sich schnell heraus, dass das Calypso Restaurant das größere von beiden mit den leckereren Speisen und der breiteren Auswahl ist, das Markt Restaurant aber das gemütlichere von beiden. Die Wahl fällt also schwer. Und das bei nur zwei Restaurants überhaupt, wenn man das zuzahlungspflichtige Selection Restaurant auf Deck 8 einmal außen vor lässt. Wie mag es einem da auf einer AIDAperla mit ihren 15 „Genusswelten” ergehen? Gut, dass unsereiner schon mit einer Portion Lachs mit Rosmarin-Kartoffeln und einer Schüssel Aida-eigenem „Schmeckerfatz”-Eis zufrieden ist.
Am Nachmittag heißt es dann Brutzeln in der Sonne am Pool, auch das muss mal sein. Erst am frühen Abend tauschen wir Shorts und T-Shirt gegen Hose und Hemd. Für 17 Uhr hat Aida jene Passagiere, die während dieser Kreuzfahrt Geburtstag haben, zum Sektempfang ins edle Selection Restaurant eingeladen, das ehemalige Rossini Restaurant. Eine schöne Geste, so lernen wir gleich auch den F&B-Manager und den Hotel Manager der AIDAaura kennen. Wobei das F&B bei Aida nicht für „Food & Beverage” steht, sondern, halb im Scherz und halb despektierlich, für „Fritten & Bier”. Nicht jedoch im Selection Restaurant, das sich kulinarische Events, erlesene Weine und vollendeten Service auf die Fahnen geschrieben hat. All dies wollen wir uns jedoch für den vorletzten Reisetag und eine Geburtstagsfeier im intimen Rahmen aufheben. Zumal sich die Suche nach einem freien Tisch im Calypso Restaurant um 19 Uhr als zeitraubend und nervig herausstellt. Erst mit Hilfe einer Kellnerin haben wir nach einer Viertelstunde Umherirren Erfolg und bekommen vier Plätze an einem Achtertisch zugewiesen, an dem das Essen bereits in vollem Gange ist. Mensa-Atmosphäre also. Immerhin ist der Tischwein bei Aida gratis, wir dürfen uns also bei den Karaffen unserer Sitznachbarn bedienen. Und ins Gespräch kommt man auf die Weise auch schnell.
Wer früh aufsteht, hat mehr vom Tag. Das gilt auch auf der AIDAaura, die am nächsten Morgen bereits um 8 Uhr in der Bucht von Portoferraio/Elba vor Anker liegt und zur Ausschiffung per Tenderboot bereit ist. Andere Kreuzfahrtschiffe? Keine. Lange Schlangen in den Treppenhäusern, endlose Durchsagen? Auch keine. So entspannt haben wir einen Landgang im Mittelmeer selten erlebt.
Portoferraio stellt sich in den folgenden Stunden als ein Kleinod heraus, das zu Fuß zu erkunden sich auf jeden Fall lohnt. Und dafür die Morgenstunden zu wählen, erweist sich auch als Glücksfall, denn da ist die Altstadt noch leer, und die Sonne steht niedrig. Hochsommerlich warm ist es dennoch, und da die beiden Hauptattraktionen Portoferraios, das Forte Stella und das Fort Falcone, hoch oben über der Stadt thronen, kommt man beim Anstieg über die steilen Kopfsteinpflastergassen schnell ins Schwitzen. Zum Schutz vor Piraten hatten die Medici Stadt und Hafen im 16. Jahrhundert mit einer mächtigen Stadtmauer umgeben; auch der Wehrturm Torre del Martello unten am Yachthafen gehört zu der Wehranlage. Dazwischen blühende Bougainvillea, Katzen, die im Schatten dösen und die orangefarbenen Ziegeldächer der Häuser – kann es etwas Malerischeres geben? Jetzt noch ein Eis unten am Hafen, und unser Tag ist schon vor der Mittagsstunde perfekt. Sogar ein kurzer Ausflug mit der Fähre rüber zum italienischen Festland ist am Nachmittag zeitlich noch drin – die lange Liegezeit macht’s möglich. Als uns am frühen Abend das Tenderboot zurück zur AIDAaura bringt, sind wir müde und kaputt, aber fürs Erste glücklich.
Und hungrig. Gut, dass die Themenabende heute „USA” und „Südamerika” lauten, da haben sogar die lieben Kleinen die Qual der Wahl. Komisch nur, dass die vegetarische Kartoffelgemüsepfanne mit Würstchen-Einlage daherkommt. Und nanu, hat da gerade jemand mit einer Glocke geläutet? Ja, das „Schnapsi-Taxi” ist da! Diese Aida-Institution hat sich von den großen Schiffen der Reederei auf die drei kleinen feinen hinübergerettet und sorgt außer für Magen-Beruhigung auch für feucht-fröhliche Stimmung an den Tischen, zumal die Taxifahrer, nennen wir sie einmal so, ihr Angebot mit unübertrefflichem Elan an den Mann bringen. „Behaglich-familiärer Charme” nennt dies der Aida-Prospekt. Na, dann Prost!
Ruhe hingegen ist im und am Pool zu finden, der zur abendlichen Hauptessenszeit plötzlich wohltuend leer ist. Wie auch die schöne Hemingway Lounge, die wir erneut mitsamt Maskottchen zu unserem kleinen exklusiven Wohnzimmer an Bord machen. Wer braucht schon einen eigenen Balkon, wenn er eine Hollywoodschaukel und das halbe achtere Sonnendeck für sich hat? Nimmt man dazu noch das kleine Aussichtsdeck direkt unter der Kommandobrücke, auf dem man spät abends bei Mondlicht und warmem Sommerwind den Tag ausklingen lassen kann, können einem sämtliche Luxusyachten dieser Welt plötzlich ziemlich gestohlen bleiben. Und die großen Mega-Kreuzfahrtschiffe sowieso.

La Spezia zu Fuß und Boot
In La Spezia, Italiens „Tor zur Toskana”, laufen wir am nächsten Morgen bereits zur Frühstückszeit um 7 Uhr ein. Von Hektik und Trubel wieder keine Spur, die AIDAaura ist auch hier alleine. Die meisten anderen Kreuzfahrtschiffe fahren ins weiter südlich gelegene Livorno, das über größere Kais und Terminals verfügen mag, aber lange nicht so malerisch gelegen ist wie La Spezia. Am Ende des Golfo dei Poeti liegt die Stadt nämlich, so benannt nach den vielen Schriftstellern und Künstlern, auf die diese Bucht über Jahrhunderte hinweg eine besondere Anziehung ausgeübt hat. Hier werden wir zudem über Nacht liegen, selbst Ausflüge in die weitere Umgebung sind auf diese Weise möglich. Pisa, Florenz, Siena – alles kein Problem, wenn man nur genügend Vertrauen in die italienischen Staatsbahnen mitbringt. Alle anderen können die organisierten Bus-Ausflüge buchen, die Aida zusammengestellt hat.
Wer weder Bus- noch Bahnfahrten etwas abgewinnen kann, erkundet La Spezia per pedes, auch das lohnt sich. Ähnlich wie Genua ist die Stadt in die Hügelkette am Ende der Bucht hineingebaut, so dass ihre Bewohner wie in einem Amphitheater auf den azurblauen Golf blicken. Anders als der Moloch Genua begrüßt La Spezia seine Besucher aber nicht mit einem geschäftigen internationalen Fährhafen und einer lauten mehrspurigen Schnellstraße, sondern mit einer herrlichen Palmenpromenade direkt am Wasser und einem schönen Park rund um das zentral gelegene „Monumento Giuseppe Garibaldi”. Gleich dahinter geht es jedoch bergauf; wie schon auf Elba will auch die Hauptattraktion La Spezias erklommen werden. Das Castello di San Giorgio geht auf eine Burganlage aus dem 13. Jahrhundert zurück, als die Stadtstaaten Genua (zu dem das kleine La Spezia damals gehörte) und Pisa miteinander verfeindet waren. Die Aussicht über den Golf ist von hier oben tatsächlich grandios. „Bella Italia” heißt es aber wenig später auch unten auf der Fußgängerzone Via del Prione, wo sich ein Straßencafé und ein Modegeschäft an das nächste reihen.
Gegen Mittag sind wir wieder an Bord der AIDAaura, aber eigentlich nur um uns zu stärken. Denn auch dazu eignen sich die langen Liegezeiten: Man kann nicht nur lange von Bord gehen, sondern genauso gut auch zwei- oder dreimal kurz. Schnell ins Calypso Restaurant, wo die Broccoli-Kartoffeln versalzen, die Süßkartoffel-Pommes frites dafür umso leckerer sind, und gleich wieder rein in den Hafenbus, zurück zur Palmenpromenade „Passeggiata Costantino Morin”. Diesmal ist jedoch nicht wieder die Innenstadt von La Spezia unser Ziel, sondern Portovenere, ein beliebter Bade- und Ausflugsort am Ausgang des Golfo dei Poeti. Den Tipp hierzu hatte Bordlektorin Petra Zeitz gestern gegeben, und jetzt wollen wir doch mal überprüfen, ob das Aida Selection-Konzept („Intensive Begegnungen mit Land und Leuten”) auch in diesem Punkt aufgeht. Nach einer halbstündigen Fahrt mit dem Ausflugsboot sind wir um 15 Uhr in Portovenere, und auch wenn uns La Spezia vorhin schon gut gefallen hat, wirft einen die Schönheit dieses Ortes fast um. Vor den bewaldeten Ufern ankern Motorboote und Segelyachten, während im tiefblauen Wasser davor Menschen im Wasser baden. Die Häuser am Anleger sind herrlich bunt und windschief, und die Promenade am Hafen führt direkt zur Chiesa di San Pietro, einer kleinen Steinkirche, die auf einer Felsspitze Hafen und Meer gleichermaßen überblickt. Dort direkt daneben: Lord Byrons Grotte, eine felsige Bucht, von der aus der britische Romantiker Ausflüge unternommen haben soll, um seinen Kollegen Percy Shelley in San Terenzo (auf der anderen Seite des Golfo dei Poeti) zu besuchen. Nicht nur aufgrund dieser Verbindung zur Weltliteratur gehört das mittelalterliche Portovenere zusammen mit den Nachbarinseln Palmaria, Tino und Tinetto seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO. Letztere würdigt damit das harmonische Zusammenspiel von Mensch, Natur und Architektur in Portovenere und Umgebung. Die Kombination aus Landschaft, Historie, Bademöglichkeiten und malerischen Gassen zum Bummeln und Shoppen hat sich allerdings herumgesprochen, und so ist Portovenere eines leider nicht: menschenleer. Im Gegenteil. Aber am Ende trotzdem wunderschön, „bella italia” eben. Da darf dann auch das Ausflugsboot, das uns zurück nach La Spezia bringt, von der eher rustikalen Sorte sein.

Wal an Backbord!
Am nächsten Morgen macht sich unser schwimmendes Hotel auf den langen Weg nach Spanien. Der Nachwuchs möchte in den Pool bzw. in den Liegestuhl. Chillen, wie der Teenager sagt. Mit iPod im Ohr bzw. Buch vor der Nase, jeder wie es ihm gefällt. Die Crew läuft unterdessen zur Höchstform auf, schließlich muss man all denen, die sich nicht selber beschäftigen können oder wollen, Abwechslung und Zerstreuung bieten. Ein Schnuppertauchkurs im Pool, „Kosmetik von St. Barth”, die Kochschule, ein Workshop „Bildgestaltung” und sogar das gute alte Shuffleboard stehen allein zwischen 10 und 11 Uhr auf dem Bord-Programm. Am Nachmittag lässt allerdings eine Kapitänsdurchsage außerhalb der Reihe aufhorchen: „Wenn Sie jetzt nach Backbord gucken, sehen Sie in einiger Entfernung vom Schiff einen Wal.” Und schon läuft das halbe Schiff nur in Badehose oder Bikini bekleidet nach Backbord, um sich das Spektakel nicht entgehen zu lassen. Tatsächlich, nicht nur ein Wal, sondern gleich zwei pflügen in einigem Abstand voneinander durch die Wellen. Doch nicht nur das. Kapitän Laudan stoppt dafür sogar extra das Schiff. Die Wale sollen nicht gestört werden, und eine Kollision will man auch nicht riskieren. Außerdem haben wir Zeit. Eine Viertelstunde driftet die AIDAaura so irgendwo nördlich von Korsika in aller Stille durch die Wellen, während zwei Grindwale in einiger Entfernung ihres Weges ziehen. Vorfahrt für die Tierwelt, eine großartige Geste. Und ein magischer Moment obendrein.
Am Pool geht es wenig später plötzlich gar nicht mehr so laut und wuselig zu wie noch vorhin, sondern einen Gang ruhiger. Auf einer kleinen überdachten Bühne gibt die Bord-Band Popklassiker in sanften akustischen Versionen zum Besten – welch ein Kontrast zur Schlagerparty gestern Abend. Nicht zu laut und nicht zu wild. „On the Beach” von Chris Rea ist darunter, passend zur blauen Stunde zwischen Whale Watching und Abendessen.
Musikalisch geht es auch am Abend weiter, denn im Theater findet ein Songbook-Konzert statt. Auch hierin unterscheiden sich die Selection-Kreuzfahrten von den übrigen im breiten Aida-Portfolio. Die Sängerinnen und Sänger des AIDAaura-Ensembles unterhalten sich auf der Bühne miteinander sowie unter Einbeziehung des Publikums über Leben und Werk des betreffenden Künstlers, die Musik selber stammt jedoch von einer professionellen Band bei Aida Entertainment in Hamburg. Diese wird per Bild und Ton dazugeschaltet, sobald die Bord-Künstler mit ihrer Performance beginnen, so dass der Eindruck eines Unplugged-Konzerts entsteht. Und auch dieses Konzept geht auf: Die Hits kennt jeder, die Stimmen der Sängerinnen und Sänger sind großartig, und die Stimmung im Theater ist es ebenso. Ob man das noch toppen kann?
Man kann. Einer der Sänger, der Isländer Runar Runarsson, beendet mit dieser Kreuzfahrt seinen Vertrag bei Aida. Quasi zum Abschied gibt auch er an Bord ein Unplugged-Konzert, diesmal allerdings ein richtiges. „Runar & Friends” heißt dies im Bordprogramm, und tatsächlich holt Runar, ansonsten nur begleitet von seiner akustischen Gitarre, für jeden Song einen neuen Kollegen oder eine neue Kollegin zu sich. Und was er spielt, ist schlicht perfekt. Oasis, Green Day, Robbie Williams, Ed Sheeran, Songwünsche aus der Zuhörerschaft – Runar kann alles. Und sympathisch ist der kleine Isländer obendrein. Zugabe um Zugabe muss er am Ende spielen, so begeistert sind Publikum, Besatzung und Kollegen gleichermaßen.

Ibiza statt Menorca
Wenn sowohl Elba als auch Menorca von der Kreuzfahrt-Industrie stiefmütterlich behandelt werden, so gilt dies für Palamós erst recht. Die Hafenstadt liegt im Norden Kataloniens an der Costa Brava und lebt von der Fischerei und vom Badetourismus. Bereits im Mittelalter war der Ort befestigt und in der Folge Ziel diverser Angriffe und Plünderungen gewesen – im 16. Jahrhundert durch die Türken, im 17. Jahrhundert durch die Franzosen und im 20. Jahrhundert durch die Putschisten des Spanischen Bürgerkriegs. Viel historische Bausubstanz hat der Ort daher nicht zu bieten, und wer aufgrund von Prospektfotos einen idyllischen menschenleeren Strand erwartet hatte, wird ebenfalls enttäuscht. Als wir an diesem August-Vormittag dort vorbeikommen, ist er von sonnenbadenden Touristen überfüllt und die Hafenpromenade dahinter mit Bettenburgen verbaut, von denen eine hässlicher ist als die andere. Doch es gibt auch schöne Ecken in Palamós. Die Innenstadt ist zum einen ursprünglicher und authentischer als die der Touristen-Metropole Barcelona, zum anderen bei weitem nicht so überlaufen. Auch führt direkt am Hafen ein schöner Fußweg rund um die Klippen, die dem Hafen von Palamós im Osten vorgelagert sind – traumhafte Aussichten auf das „Mar Mediterráneo” genauso inbegriffen wie Möglichkeiten, in flachen Buchten die müden Füße in selbiges zu tauchen.
Selbstverständlich lautet das Thema im Calypso Restaurant am Abend „Paella”. Das katalanische Nationalgericht wird am Büffet in nicht weniger als sieben verschiedenen Varianten angeboten, da fällt erneut die Wahl schwer. Zumal auch noch Platz für den Nachtisch bleiben muss. Dafür lässt uns die abendliche Kapitänsdurchsage aufschrecken. Der auffrischende Wind mache leider unseren Anlauf in Menorca morgen unmöglich, wir müssen aus Sicherheitsgründen nach Ibiza ausweichen. Enttäuschung. Menorca war einer der Hauptgründe für die Buchung der Reise gewesen, Ibiza dagegen kennen wir schon. Und laufen nicht die großen Autofähren den Hafen von Mahon auf Menorca tagtäglich an? Gibt es keine örtlichen Lotsen? Plötzlich grummelt es an Bord der AIDAaura, aber es hilft alles nichts. Auch, dass einem just im Moment des Auslaufens aus Palamós auf dem Bootsdeck die Deckstühle förmlich unter dem Po weggezogen werden, ist irgendwie suboptimal. Das kann auch die Black & White Poolparty nicht retten, „die angesagteste Party dieser Reise”, wie das Bordprogramm verspricht.
Der Himmel über dem Schiff ist kurz vor Ibiza am nächsten Morgen zum ersten Mal auf der Reise bedeckt. Sogar ein paar Regentropfen fallen. Ausgerechnet unser Ausweichhafen überrascht uns auch noch mit schlechtem Wetter. Bis zur Ausschiffung haben sich die Regenwolken aber wieder verzogen. Und im Laufe des Tages wird es dann sogar noch richtig sonnig und heiß. Trotzdem marschieren wir natürlich hoch zur Burg, die Aussicht von dort oben ist schließlich jedes Mal aufs Neue grandios.
Zu guter Letzt wird im Calypso Restaurant am Abend der Schokobrunnen angeworfen. Niemand soll behaupten können, er wäre auf der AIDAaura in Sachen Leckereien nicht auf seine Kosten gekommen. Auf dem Weg zum Restaurant begegnen wir überdies im Fahrstuhl dem Kapitän, den man bei Aida salopp mit „Hallo” begrüßen darf. Auch ansonsten braucht sich auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff niemand Sorgen zu machen, er könne nicht verstanden werden. Selbst die philippinische Restaurant-Crew spricht wunderbar Deutsch oder macht eventuelle Lücken zumindest mit einer Fröhlichkeit und einem Lächeln wett, das einen vergessen lässt, was man eigentlich sagen wollte. Noch ein letzter traumhafter Sonnenuntergang über Ibiza, dann geht es mit höchst gemächlichen 9 Knoten zurück nach Palma de Mallorca. Vielleicht werden wir unsere Aida-Bordkarte auch beim nächsten Mal noch nicht mit derselben kultischen Verehrung um den Hals tragen, wie es auf dieser Kreuzfahrt gefühlte drei Viertel des Schiffes getan haben. Aber wenn die drei kleinen Schiffe der ersten Aida-Generation erneut aufbrechen, um uns außergewöhnliche Routen, landestypische Kultur und regionale Spezialitäten näher zu bringen, sind wir gerne wieder mit dabei. www.aida.de 

Technische Daten MS AIDAaura
Bauwerft: Aker MTW Wismar, 2003; Im Dienst: seit dem 14. April 2003; Flagge: Italien; Heimathafen: Genua; Tonnage: 42.289 BRZ; Länge: 202,90 Meter; Breite: 28,10 Meter; Tiefgang: 6,30 Meter; Passagiere: 1.266 (1.582); Kabinen: 633; Besatzung: 384; Leistung: 27.550 kW; Höchstgeschwindigkeit: 21,8 Knoten.

 

18608 01 AidaAura Innenkabine04 2017 Kai OrtelMit bunten Stofffahnen als Decken- und Wandverkleidung geht AIDA Cruises neue Wege in der Kabinengestaltung.

18608 02 AidaAura Hemingway Lounge01 2017 Kai OrtelDie gemütliche Hemingway Lounge ist dem Interieur einer amerikanischen Südstaaten-Villa nachempfunden.

18608 04 AidaAura Markt Restaurant15 2017 Kai OrtelTrotz Dauerflora-Palmen und Plastikhecken hebt sich das Marktrestaurant wohltuend von Restaurants auf anderen Kreuzfahrtschiffen ab.

18608 05 AidaAura Calypso Restaurant02 2017 Kai OrtelDie Speisenauswahl im Calypso-Restaurant ist beeindruckend. Kleine Länderfahnen weisen auf das kulinarische Motto hin, unter dem der jeweilige Tag steht.

18608 06 AidaAura Selection Restaurant04 2017 Kai OrtelDas zuzahlungspflichtige Selection Restaurant ist aus dem ehemaligen „Rossini” hervorgegangen.

18608 07 AidaAura Portoferraio47 2017 Kai OrtelTrotz ihrer geringen Größe muss die AIDAaura in Portoferraio tendern, um ihren Passagieren Ausflüge auf die Insel Elba zu ermöglichen.

18608 08 Portoferraio36 2017 Kai OrtelBlick über das morgendliche Portoferraio. Der Haupthafen Elbas gilt als einer der malerischsten im Westlichen Mittelmeer.

18608 09 AidaAura Pooldeck53 2017 Kai OrtelDer Swimmingpool der AIDAaura ist einer Grotte nachempfunden und daher eher nichts für Schwimm-Puristen.

18608 11 AidaAura La Spezia03 2017 Kai OrtelIn Ligurien läuft die AIDAaura nicht das oft überlaufene Genua, sondern den Geheimtipp La Spezia an.

18608 12 La Spezia23 2017 Kai OrtelBlick vom Castello di San Giorgio über die Dächer von La Spezia.

18608 13 AidaAura La Spezia15 2017 Kai OrtelAm Anleger in La Spezia kommen die inzwischen fast klassischen Linien der AIDAaura gut zur Geltung,

18608 14 Porto Venere22 2017 Kai OrtelDas La Spezia vorgelagerte Porto Venere ist als Nationalpark geschützt und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe Cinque Terre.

18608 15 AidaAura Pooldeck11 2017 Kai OrtelAn einem sonnigen Seetag im Mittelmeer bleibt auch auf der AIDAaura keine Poolliege frei.

18608 16 Palamos41 2017 Kai OrtelDie schroffe Felsenküste von Palamós steht in scharfem Kontrast zum überlaufenen Badestrand nur wenige hundert Meter weiter.

18608 17 Palamos72 2017 Kai OrtelAm Nachmittag bringen die Fischer von Palamós traditionell ihren Fang ein.

18608 18 Ibiza Altstadt45 2017 Kai OrtelBlick über Altstadt und Festung von Ibiza. Der Anlauf ist einer kurzfristigen Umroutung geschuldet; eigentlich sollte die AIDAaura Menorca besuchen.

18608 19 Ibiza Altstadt57 2017 Kai OrtelAn der Hafenpromenade von Ibiza Stadt reiht sich Luxusyacht an Luxusyacht.