SeereisenMagazin Logo klein 347 65JUNGFERNREISE · AUSGABE 4/2018hr

18414 P1160269 Foto Petra Bromund BremenDie MS ARKONA ist ein kleines Schiff mit einer Länge von 83,03 und einer Breite von 9,64 Metern. Sie kann maximal 99 Passagiere mitnehmen. Kabinen liegen auf dem Hauptdeck und dem Oberdeck. Das großzügige Sonnendeck hat
Liegestühle und Sitzgruppen – auch im Schatten.
Fotos: Petra Bromund, Bremen

Dieter Bromund (Text) · Petra Bromund (Fotos)

MS ARKONA – Rad & Schiff
Bilder einer Jungfernreise

Sie stand nicht in der Liste der Abfahrten, die die Stadt Passau alle paar Tage über Ankünfte und Abfahrten von Kreuzfahrtschiffen veröffentlicht. Auch der Taxifahrer am Bahnhof hatte den Namen noch nie gehört. Erst als wir in unseren Reiseunterlagen den Liegeplatz fanden, konnte er uns im Winterhafen in Passau-Racklau absetzen – zur ersten Reise der MS ARKONA von Passau nach Wien und zurück unter der Flagge von SE-Tours.
Die Strecke Passau Wien ist rund 300 Kilometer lang und mit neun Schleusen bestückt. Man könnte sie also gut in zwei Tagen abfahren, gäbe es da nicht ein paar Hindernisse: ein Konzept und die schöne Landschaft.
Das Konzept von SE-Tours, das die Bremerhavener jetzt mit einem weiteren Schiff auf der Donau ausbauen, ist die Kombination von Rad & Schiff. Vor Jahren hatte bei SE-Tours jemand die Idee, überall dort, wo man mit dem Schiff festmachte, Fahrräder bereit zu halten. Daraus entstand „Rad & Schiff”: Die Bremerhavener nehmen für jeden Gast an Bord ein Fahrrad mit, es kann neuerdings auch eins mit Batterieantrieb sein, ein E-Bike, oder das mitgebrachte eigene. Die Mannschaft stellt Sattelhöhe und Lenkstange nach den Wünschen des Gastes ein, bringt morgens das Rad an Land und später wieder zurück an Bord. Dazwischen liegen viele Kilometer Radeln – an der Donau auf dem Donau-Radweg, einem sehr gepflegten, asphaltierten Weg, praktisch immer dem Ufer folgend ohne größere Steigungen.
Für diese Reise von acht Tagen gab es zwei Hefte, die Beschreibung des Wegs und eine Art Atlas mit detaillierten Karten und eingezeichneten Wegen. Die Touren sind unbegleitet. Man fährt nach eigenem Tempo, muss zur verabredeten Zeit nur am verabredeten Ort sein. Da hebt die Crew die Räder wieder aufs Schiff, der Gast kehrt in seine Kabine zurück, kann sich erfrischen und den weiteren Abend an Bord genießen, oben an Deck oder an der gut sortierten Bar, wo Arno einen vortrefflichen Pink Gin zu kredenzen wusste. Das Abendessen verantwortete Küchenchef Rudolf Kitzberger. Was er und seine Männer zauberten, gehört zum Besten, was man erwarten darf. Gespeist wird in einer Sitzung im Restaurant.
So ganz allein ist man auf der Radtour nie. Auf unserer war der „Wrangler“, der letzte Mann hinter der Herde, Wolfgang Becker, der sein ganzes Berufsleben bei der Marine verbracht hat. Der Mann aus dem Norden ist jetzt zwei- bis dreimal im Jahr als Reiseleiter bei SE-Tours unterwegs. Man merkt ihm die Freude an, Gruppen vorzubereiten, zu führen und zu betreuen. Pannen kamen auf der Reise kaum vor. Doch er war vorbereitet und legte bei der einen oder anderen Gelegenheit die doppelte oder dreifache Kilometerzahl zurück, um zu helfen.
Wer nicht jede Teilstrecke mitradeln wollte, ließ sein Rad an Bord und genoss den Fluss vom Oberdeck der MS ARKONA aus. Die Küche offerierte dann einen Imbiss.
Zum Programm gehörten Ausflüge, die man zubuchen konnte. In Wien war ein Ruhetag eingeplant, den man nach eigenem Gusto gestaltete.
Crew und Gäste kommen sich auf einem Schiff dieser Größe sehr nahe. Die MS ARKONA kann bis zu 96 Passagiere mitnehmen. Auf dieser Reise wurden 87 Gäste von 19 Männern und Frauen betreut, einschließlich eines nächtlichen Wachgängers an der Rezeption. Wie nicht anders zu erwarten, stammt der größte Teil der Mannschaft aus Staaten des Balkans. Gemeinsame Sprache ist häufig Deutsch. In Deutsch wird auch das Tagesprogramm gedruckt, für eine englischsprachige Gruppe gab es das auch in ihrer Muttersprache.
Auf der Donau kennen sich Schleusenwärter und Kapitäne. Die MS ARKONA war noch nicht einzuordnen. Der junge Kapitän Marko, gebürtiger Holländer, der natürlich auch Deutsch und Englisch spricht, wurde beim Telefonieren vor den Schleusen oft gefragt, ob sein Schiff früher unter einem anderen Namen auf der Donau gefahren sei. Die Antwort war immer die gleiche: Die MS ARKONA war zum ersten Mal auf Europas längstem Fluss.
Die MS ARKONA wird in 2019 nicht mehr auf der Donau, sondern für SE-Tours Rad & Schiff auf dem Rhein fahren – sie wird zusätzlich auf anderen Strecken auch für klassische Flusskreuzfahrten eingesetzt. www.se-tours.de

 

18414 P1160225 Foto Petra Bromund BremenAm Dreiflüsse-Eck in Passau beginnen und enden die meisten Donau-Kreuzfahrten. Der Donaukai ist immer belegt. Wer, wie die MS ARKONA, als Neuling einen Liegeplatz sucht, sollte ihn Jahre vorher anmelden. Einziger Trost für Schiffe, die wie sie noch aus dem Winterhafen am Donaukai vorbei auslaufen müssen: sie genießen im Vorbeifahren die Silhouette der Stadt
mit dem Dom St. Stephan.

18414 P1160679 Foto Petra Bromund Bremen Passau ist auch einen längeren Aufenthalt vor oder nach der Reise wert. Der Dom ist das größte sakrale Bauwerk nördlich der Alpen. Seine Orgel mit 17.974 Orgelpfeifen und 233 klingenden Registern ist die größte der Welt. In der Saison gibt es auch an Werktagen von 12.00 bis 12.30 Uhr ein Mittagskonzert, für das man Eintritt bezahlen muss.

18414 1050621 Foto Petra Bromund BremenAuf dem achterlichen Oberdeck reisen die Räder mit, die man bei der Buchung mietet. Sie werden nach Körpergröße ausgewählt und mit der Kabinennummer versehen. Vor Beginn der ersten Tour werden die Sättel auf die richtige Höhe und die Lenker auf die passende Neigung eingestellt. Wer mag, kann sein eigenes Rad mitbringen.

18414 1050446 Foto Petra Bromund BremenEin spektakuläres Panorama bietet vom Schiff und von Land aus die Schlögener Schlinge, kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze. In zwei 180 Grat-Windungen hat die Donau sich vor Jahrtausenden einen schleifenförmigen Weg durch den Fels gesucht. Bis zum Bau der Donaukraftwerke galt die Schlinge als eine der gefährlichsten Stellen im Flusslauf. Eine große Tafel am Fluss erklärt, welche Fische und Landtiere hier zu Hause sind.

18414 1050603 Foto Petra Bromund BremenZwischen Passau und Wien gibt es neun Schleusen. Sie sind errichtet worden, als das Land Kraftwerke zur Stromerzeugung brauchte. Als gewaltige Bauwerke bremsen sie den Fluss. Er ist damit sicherer für die Schifffahrt geworden.

18414 1050608 Foto Petra Bromund BremenAls das Tor der Schleuse sich öffnete, war Stift Melk in ganzer Schönheit zu erblicken. Der gewaltige Benediktinerstift liegt 60 Meter über dem Fluss, ist das größte Kloster Österreichs und einer der bedeutendsten Sakralbauten Europas. Die Mönche leben vornehmlich vom Tourismus. Sie unterhalten auch ein Gymnasium.

18414 P1160298 Foto Petra Bromund BremenDie Fähre, so groß, dass auch Autos sie benutzen könnten, hält auf ein altes Zollhaus am anderen Ufer zu. Bis in die Neuzeit hinein waren Abgaben auf dem Fluss üblich, in manchen Orten mussten Schiffe auch anlegen, um ihre Waren anzubieten.

18414 1050726 Foto Petra Bromund BremenWeißblau ist der Himmel nicht nur über Bayern. Die Donau hat zwischen Passau und Wien viele Gesichter. Breite Täler wechseln mit schmalen Flusspartien ab. Über allen wölbt sich ein heller Sommerhimmel, unter dem immer ein leichter Wind weht.

18414 1050586 Foto Petra Bromund BremenEine Burg, zu ihren Füssen ein Städtchen, eine Kirche. In Grein, einem beschaulichen Städtchen, macht man heute gern fest. In alten Zeiten fürchteten Donaufahrer den Strudengau, 25 Kilometer voller Wirbel, Stromschnellen und Untiefen. Die örtlichen Lotsen verdienten viel Geld mit ihren Diensten. Wartende Schiffsmannschaften brachten Läden und Gaststätten gute Einnahmen.

18414 P1160376 Foto Petra Bromund BremenHeute begrüßt den Gast in Grein eine Mauer, die auch die Attraktionen der Umgebung anpreist. In der Stadt wurde 1791 ein Theater errichtet mit 165 Sitzplätzen, das heute noch in Betrieb ist – das älteste original erhaltene Theater Österreichs.

18414 P1160415 Foto Petra Bromund BremenAn hohen Feiertagen macht auch die Musik mit. In Grein zog die Blaskapelle am Ufer entlang und begleitete eine Prozession zu Fronleichnam.

18414 1050569 Foto Petra Bromund BremenFestlich gekleidet in langen, kostbaren Röcken und wohlbehütet, vor der Sonne durch Schirmchen geschützt, folgten Damen aus dem Ort der marschierenden Musikkapelle in Grein.

18414 P1160385 Foto Petra Bromund BremenImmer im Dienst, immer aufmerksam und hilfsbereit: Wolfgang, der zwei- bis dreimal im Jahr bei SE-Tours Reisen aus dem Programm „Rad & Schiff” leitet.

18414 P1160491 Foto Petra Bromund BremenEine Kunst, die wenige beherrschen: Räder so aneinander zu stellen, dass sie nicht umfallen und minimalen Platz brauchen, dem Auge gefallen und von ihren Benutzern leicht gefunden werden: Wolfgangs Stolz.

18414 P1160483 Foto Petra Bromund BremenBegegnung am Uferweg bei Tulln an der Donau. Wie das Nibelungenlied zu berichten weiß, traf hier der Hunnenkönig Etzel Siegfrieds Witwe Kriemhild, um sie zu heiraten. Ein Denkmal aus dem Jahre 2005 hält über einem Brunnen diese Szene fest. An den Lanzen scheinen die Wimpel zu flattern.

18414 P1160480 Foto Petra Bromund BremenRüdiger von Bechlaren hatte die Begegnung mit Kriemhild arrangiert. Der Donaufürst ahnte noch nicht, in welch blutigem Gemetzel zwischen Burgundern und Hunnen die Ehe schließlich endete.

18414 P1160562 Foto Petra Bromund BremenÜber der Donau sinkt die Sonne. Vom Oberdeck der MS ARKONA aus ließen sich dramatische Sonnenuntergänge beobachten.

18414 P1160624 Foto Petra Bromund BremenAm nördlichen Ufer wachsen berühmte Weine. Wer diese Weingärten beim Vorbeigleiten bewundert, ahnt sicher etwas von der Mühe der Pflege und Ernte auf den Hängen.

18414 1050694 Foto Petra Bromund BremenDürnstein ist mit seinen nur 900 Einwohnern das meist besuchte Städtchen in der Wachau. Ein Augustinerstift bietet mit hellblauem Kirchturm einen malerischen Anblick. Auf der oben gelegenen Burg Dürnstein hielt Herzog Leopold im 12. Jahrhundert den englischen König Richard Löwenherz gefangen, den erst sein treuer Sänger Blondel nach langer Suche fand und befreien konnte. 1645 machten schwedische Truppen aus der Burg eine Ruine.

18414 1050632 Foto Petra Bromund BremenWas wäre Wien ohne Fiaker? In den Gassen um die Hofburg stellen sie zwar manchmal ein Verkehrshindernis dar, doch das nimmt man gelassen hin. 18414 1050644 Foto Petra Bromund BremenDa warten sie auf Kundschaft, Fiaker vor der Hofburg in Wien. In der Hochsaison sind sie gut im Geschäft. Eine besondere Vorrichtung zwischen Deichsel und Kutsche sorgt dafür, dass Pferdeäpfel aufgefangen werden und die Straßen der Stadt nicht verschmutzen.

18414 1050652 Foto Petra Bromund BremenWien, die Stadt klassischer Musik. Im „Graben”, dem Zentrum der Innenstadt, weiß ein Klavierspieler an weißem Flügel Zuhörer anzulocken und sie um eine Gabe zu bitten. Der Koffer füllte sich schnell.