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Bremen aus der Luft Foto Jochen Knobloch Bremer Touristik Zentrale 101891
Das ist meine Hafenstadt – Bremen.
Foto: Jochen Knobloch, Bremer Touristik Zentrale

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Europas größte Drehbrücke über die Ems
Große Pläne hat die Deutsche Bahn, nachdem vor gut zweieinhalb Jahren ein Schiff mit einem ungewollten Rammstoß die Friesenbrücke bei Weener über die Ems unbenutzbar machte. Jetzt soll dort die größte Drehbrücke Europas gebaut werden. Ihr drehbarer Teil hat eine Spannweite von 142 Metern für Schiffsbreiten von 52 Metern, wie im Panamakanal. Das neue Bauwerk könnte 2024 in Betrieb gehen. Züge könnten dann mit 120 Kilometern pro Stunde zwischen Groningen in den Niederlanden und Leer in Ostfriesland verkehren. Für Fußgänger und Radfahrer ist ein breiter Weg eingeplant. Ein weiterer Vorteil: Kreuzfahrtschiffe, die auf der Meyer Werft in Papenburg gebaut werden, können dann leichter über die schmale Ems in die Nordsee gelangen. Das Projekt soll 60 Millionen Euro kosten, man spricht sogar von 80 Millionen. Noch ist die Finanzierung nicht ganz gesichert. Die Bahn rechnet mit einem umfangreichen Planfeststellungsverfahren und mit Klagen von Umweltschützern.

Noch mehr Besucher nach Bremen
Bislang kamen pro Jahr rund 2 Millionen Touristen aus aller Welt nach Bremen. Bis zum Jahre 2025 sollen es rund 3 Millionen für die Stadt werden, für das Bundesland Bremen insgesamt 3,45 Millionen. Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Einzelhandel, Kultur und Kunst haben jetzt eine Strategie entwickelt, die den Mitgliedern der Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen vorgelegt wurde. Nach dem Willen seiner Verfasser, soll Bremen künftig als „genussvolles Stadterlebnis” vermarktet werden und in der Außendarstellung stärker auf die traditionsreichen Kaffee- oder Biermarken setzen. Man will sich künftig auf „erlebnisorientierte junge Erwachsene” und „kulturorientierte Erwachsene” konzentrieren. Neue Attraktionen wie ein schwimmender Beachclub, ein „Airbus Airlebnis Center” oder eine 360 Grad Kunstausstellung sollen entwickelt werden. Bremen steckte bisher rund 7 Millionen Euro in den Tourismus. Die neue Strategie wird teurer. Und prompt beklagt die oppositionelle CDU, dass dem Konzept „die notwendige Verbindlichkeit und eine tragfähige Finanzierung fehlen”.

Nordsee ohne Grenzen
Der Vorsitzende des Tourismusverbandes Nordsee und Landrat im Kreis Friesland, Sven Ambrosy, ist unzufrieden. In der niedersächsischen Küstenregion gibt es 23 Tourismusorganisationen, die sich um Gäste bemühen. Er fordert einen gemeinsamen Auftritt in den Medien, um standorttreue Arbeitsplätze zu schaffen, die gerade auf dem Land so wichtig sind. In Niedersachsen gibt es im Tourismus fast 300.000 sozialversicherte Vollzeitjobs. Eine Übernachtung bringt durchschnittlich rund 100 Euro frisches Geld in die Region, ein Tagesgast etwa 40. Der Gast möchte sich über die Küstenregion als Ganzes informieren und nicht auf enge Grenzen stoßen. Die Tatsache, dass es vor vielen Jahren schon mal einen gemeinsamen Auftritt gab unter dem Motto „Sieben Inseln, eine Küste” ist für Ambrosy Ansporn. Unter den Politikern des Landes hat er Fürsprecher. „Wir brauchen gute Straßen. Wir brauchen gute Schienen. Wir brauchen eine gute Erreichbarkeit in der Region”, so der Landrat in einem Interview mit dem Weser-Kurier. Fast 60 Prozent der Urlaubsreisen werden im eigenen Land gemacht. Die neuen Alten seien reisefreudiger, doch sie fahren weniger weit als in jungen Jahren. Ausländische Besucher seien mit 10 Prozent Anteil an den Gästen im Vergleich zu den Nachbarländern unterrepräsentiert. Vorbild für ein erfolgreiches Regionalmanagement im Tourismus ist für Ambrosy Österreich. Der Auftrag, eine einheitliche Marketingstrategie für die Nordseeküste zu entwickeln, ging an die Agentur St. Elmo’s.

Wenn die Heuler kommen
Die Seehunde in der Nordsee bringen ihre Jungen von Anfang Juni bis Mitte Juli auf die Welt – auf trocken gefallenen Sandbänken im Wattenmeer. Viele werden – aus ganz unterschiedlichen Gründen – von ihren Müttern getrennt und müssten verhungern, gäbe es am Wasser nicht Hilfe für sie. In Friedrichskoog für Schleswig-Holstein und in Norden-Norddeich für Niedersachsen gibt es die einzig berechtigten Aufnahmestationen für die Seehundjungen, die so genannten Heuler. Fest angestellte Fachleute und Wissenschaftler und eine große Menge freiwilliger Helfer haben jetzt alle Hände voll zu tun. Allein in Schleswig-Holstein wurden im letzten Jahr 304 Seehundjunge aufgenommen. Wie auf einer Wattenmeerkonferenz im niederländischen Leeuwarden kürzlich bekannt wurde, hat sich die Zahl der Seehunde (und die der Schweinswale) in der Nordsee deutlich erhöht. Man kann also mit mehr Heulern rechnen.

In zwei Stunden von Cuxhaven nach Sylt
Am 30. Juni fand die Premierenfahrt statt, zwei Stunden und 15 Minuten lang. Und nun legt an jedem Sonnabend und Sonntag um 9 Uhr MS ADLER CAT am Anleger Alte Liebe in Cuxhaven zur Fahrt nach Hörnum auf Sylt ab. Die Rückfahrt des Katamarans beginnt um 16.45 in Hörnum, um 19.00 ist Cuxhaven erreicht. Das Schiff kann 224 Personen befördern. Die Hin- und Rückreise auf dem Hauptdeck ist für einen Erwachsenen ab 69 Euro zu haben, Kinder zahlen ab 42 Euro. Das Schiff ist zunächst bis zum 28. Oktober auf dieser Strecke unterwegs, im nächsten Jahr könnte der Fahrplan ausgebaut werden. Weitere Informationen: www.adler-schiffe.de/cuxhaven

Wenn die Wildgänse wiederkommen
In diesen Wochen ziehen die Wildgänse weiter. Das Grenzland zu den Niederlanden ist in Norddeutschland eins der größten Rastgebiete für Zugvögel. Entsprechend hoch sind die Fressschäden, die Wildgänse auf den Feldern mancher Bauern verursachen. Wenn die Gänse wegfliegen, sieht das Land, auf dem sie sich den Winter über satt gefressen haben, nackt aus wie das Watt. Es muss nachgesät und gedüngt werden in der Hoffnung, dass die Wiesen sich wieder erholen. Aus der EU und vom Land Niedersachsen fließen jedes Jahr sieben Millionen Euro Fördergeld in die Vogelschutzgebiete als Ausgleich für das von den Gänsen Gefressene und für ihre Hinterlassenschaften. Doch das Geld reicht vielen Bauern nicht, sie sehen ihre Existenz bedroht. Jetzt liegt beim Verwaltungsgericht Oldenburg eine Klage vor. Sollten die Bauern Recht bekommen, könnte der Gänseschutz das Land teuer zu stehen kommen. Inzwischen melden auch Deichverbände Schäden, die durch Gänse verursacht werden. Denn wo sie einfallen, haben Schafe das Nachsehen, die eigentlich dafür zuständig sind, die Grasnarbe kurz zu halten und fest zu treten, damit der Deich der nächsten Sturmflut standhalten kann. Die Naturschützer sehen das alles anders. Für die Bauern seien die Gänse nur ein Mittel, sich neue Einkommensquellen zu erschließen. Je niedriger der Milchpreis, desto höher die Forderungen nach Entschädigung. Manch ein Bauer wünscht sich, dass in dem Gebiet die Jagd auf Wildgänse endlich wieder erlaubt wird. Die Holländer, hört man, schießen, sobald sich eine Gans dem Deich nähert.


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Das besondere Buch

Wolfgang Seidel:
Sternstunden der Kartografie
Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung und Vermessung der Welt


Rezension von Dieter Bromund

Landkarten haben ihre Probleme. Die Erde ist eine Kugel, die Karte eine Fläche. In alten Atlanten wurde noch gezeigt, nach welchen Berechnungen und mit welchen Methoden eine Übertragung von der Kugel auf die Karte erfolgen kann. Kompromisse muss man beim Übertragen immer eingehen. Was man toleriert, hängt vom Zweck der Karte ab. Die Theorie, die in einem Atlas mündete, bleibt immer etwas sehr Abstraktes, das den normalen Nutzer kaum interessiert.
Wolfgang Seidel ist Autor, Übersetzer und Lektor in München, kann also mit Büchern und Themen umgehen. Warum also nicht mit diesem sperrigen Thema, das bisher eher in Fachbüchern abgehandelt wurde? Und so rollt er die Geschichte der Kartografie in Höhepunkten, in „Sternstunden” auf, was wörtlich zu nehmen ist. Denn „die Weltgeschichte der Karten beginnt nicht mit Landkarten, sondern mit Sternkarten.” Und die ersten stammen von den alten Babyloniern. „Sie waren die ersten, die den Himmel vermessen haben, indem sie die Sternpositionen notierten, darüber Tabellen anlegten, auf diese Weise Daten erhoben und sogar Berechnungen anstellten. Landkarten als exakte topografische Landaufnahme sind eine Errungenschaft der Neuzeit.”
Und so beginnt ein Buch in handlichem Format, das auf 384 Seiten alles vorstellt, was man über Landkarten und ihre Urheber wissen möchte, von den frühen Entdeckern bis zu den heutigen Vermessern der Milchstraße. Das Buch hält ein angenehmes Gleichgewicht zwischen Lexikon und Bericht. Man muss nicht alles hintereinander lesen, ein Springen zwischen den Kapiteln ist durchaus erlaubt. So erfährt man, welche Rolle das Diagramm der Londoner U-Bahn für die Kartografie spielte. Der kreuzfahrende Laie erkennt, warum Seekarten so ungeheuer verzerrte Landmassen abbilden. Man ist ja schließlich ein Kartenbild gewöhnt, das seit Schultagen alle Atlanten weitergaben. Und dass – so Seidel – durchaus verbesserbar ist. Man lese etwa das kurze Kapitel „Arno Peters’ Bild der Welt” auf Seite 362. Und schaue sich dann bei nächster Gelegenheit mal eine Weltkarte in dessen Projektion an. Es ist die gewohnte Welt – und doch eine ganz andere.
Seidels „Sternstunden” hat in zwei Jahren schon zwei Auflagen erlebt. Die Kritik lobt es wegen der Fülle überraschender Fakten und weil es zum Schmökern einlädt.
Dem kann der Verfasser dieser Zeilen nur zustimmen. Es gehört zu der Gruppe der Bücher, auf die man nie verzichten kann.

Wolfgang Seidel
Sternstunden der Kartografie
Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung und Vermessung der Welt
Malik National Geographic,
ISBN 978-3-492-40602-4,
16,00 €