SeereisenMagazin Logo klein 347 65NORDSEEMAGAZIN · AUSGABE 4/2019hr

Bremen aus der Luft Foto Jochen Knobloch Bremer Touristik Zentrale 101891
Das ist meine Hafenstadt – Bremen.
Foto: Jochen Knobloch, Bremer Touristik Zentrale

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19419 NordseeMagazin 1 Foto Elmar Ballstaedt Helgoland Basstölpel brüten in Deutschland nur auf Helgoland. Für den Bau ihrer Nester benutzen sie zunehmend Plastikmaterial aus dem Meer. Foto: Elmar Ballstaedt, Helgoland

Woher stammt der Plastikmüll?
Plastikmüll im Meer wird immer wieder diskutiert, doch wissenschaftlich bisher wenig erforscht. Einem Teilbereich des Problems widmet sich eine Studie, die im Januar 2019 auf Helgoland begann. Untersucht wird das Ausmaß der Plastikverschmutzung auf dem Lummenfelsen, dem kleinsten Naturschutzgebiet Schleswig-Holsteins. Hier brüten Basstölpel und neben Trottellummen noch drei weitere für Deutschland einzigartige Hochseevogelarten. Die Untersuchung ist Teil einer Dissertation, an der Elmar Ballstaedt auf der Insel arbeitet. Die Gemeinde Helgoland unterstützt seine Arbeit mit einem vierjährigen Stipendium. Weitere Kooperationspartner sind das Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel (FTZ), das Alfred-Wegener-Institut (AWI), das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland” und der Verein Jordsand e.V. Die Studie wird die Auswirkungen auf die Vogelpopulation sowie die Herkunft des Plastiks untersuchen. Dazu wird der Forscher ein Kilo Plastik, das Basstölpel als Nistmaterial in ihren Nestern benutzten, chemisch analysieren, um zu erkennen, aus welchen Kunststoffarten das genutzte Material besteht. „Damit könnte man es im besten Fall Industriesparten zuordnen und Lösungen erarbeiten“, so Elmar Ballstaedt, „um der Verschmutzung der Weltmeere und in Seevogelnestern entgegen zu wirken.”

Wieviel Schilder braucht ein Kreuzfahrtschiff?
Seit Jahresbeginn hat die Handelskammer Bremen zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Dame als Präses, Janina Marahrens-Hashagen. Seit 1998 leitet sie die familiengeführte Firmengruppe H. Marahrens mit Tochterfirmen in Miami (USA) und Turku (Finnland). Das Unternehmen beschäftigt in Bremen etwa 200 Mitarbeiter auf 16.000 Quadratmetern. Die Gravieranstalt ist spezialisiert auf Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Montage von Schildern, Lichtreklame und Werbeanlagen im maritimen Bereich und an Land. Etwa die Hälfte seines Umsatzes macht das Unternehmen mit der Komplettbeschilderung von Schiffen der Marine, Fähren und Luxuslinern aller großen Kreuzfahrtlinien. In der Meldung über die Präses erfährt man auch, wie viele Schilder ein Kreuzfahrtschiff braucht: „Wohl 110.000”, die nach und nach angefertigt und mit Baufortschritt in die Decks integriert werden.

19419 NordseeMagazin 2 Foto Petra Bromund BremenDie Holländer wissen es, Bäume gehören nicht auf Deiche – weder am Meer noch an Flüssen. Foto: Petra Bromund, Bremen

Deich ohne Bäume
Auf Meeresdeichen gibt es keine Bäume, auf Deichen im Binnenland sind sie häufig. Der Deichverband links der Weser mit Sitz in Bremen muss jetzt einige Bäume fällen und kündigt an, dass nach und nach Deiche baumfrei werden sollen. Und schon protestieren Anwohner und Naturschützer. Grund für das Fällen ist ein Pilz, der Triebsterben bei Bäumen verursacht. So wie die Kronen geschädigt werden, bildet sich auch das Wurzelwerk zurück. Doch auch gesunde Bäume sind ein Risiko für den Deich. Stürme bewegen Bäume, die mit ihren Wurzeln den Boden auflockern, in den Wasser eindringen kann. Solche Deiche könnten dann ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, den Bewohnern dahinter Sicherheit zu gewähren.

Stromtrasse und andere Sorgen der Fischer
700 Kilometer lang soll eine Stromtrasse von Wilhelmshaven quer durch die Nordsee nach England führen, die erste direkte Stromverbindung zwischen beiden Ländern. Deutsche Fischer fürchten ihretwegen großflächige Fahrverbote und massive Einkommensverluste und schlagen vor, für die neue Verbindung bereits bestehende Pipelinekorridore durch küstennahe Gewässer zu nutzen. Der Landesfischereiverband will jetzt auch prüfen lassen, ob Fischkutter durch bestehende Windparks fahren und dort mit Körben fischen dürfen. Sorgen bereitet den Fischern in dieser Saison Containerschrott auf dem Meeresboden. Im Januar hatte der Frachter MSC Zoe vor der deutsch-niederländischen Küste 342 Container verloren, 40 von ihnen in deutschen Gewässern. Trümmer auf dem Meeresboden können Netze und Fanggeschirre zerstören und zu einem Sicherheitsproblem werden. Weitere Sorgen macht den Fischern auch die Möglichkeit eines ungeregelten Brexits. Neue Fischereiabkommen seien für Niedersachsen von „überragender Bedeutung”, heißt es in Hannover. Das vergangene Jahr brachte den Fischern Erlöse von 37,5 Millionen Euro für 12.638 Tonnen Fisch, rund eine Million weniger als im Vorjahr.

Die Ems darf höher aufgestaut werden
Rund 40 Kilometer lang ist der Emsabschnitt zwischen Papenburg und der Nordsee. Wenn ein Neubau die Meyer Werft in Papenburg verlässt, kann im Sommer die Ems höher als bisher gestaut werden: von Mitte Juni bis Mitte September ist für maximal 12 Stunden eine Höhe von 1,90 Metern statt 1,75 Metern erlaubt. Ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss gilt für die Jahre 2020 bis 2029. Nicht geändert wurde die maximale Stauhöhe im Winterhalbjahr, sie liegt weiterhin bei 2,70 Metern. Umweltschützer kritisieren diese Belastung für den Fluss und seine Ufer. Überführungen locken jedes Mal zahlreiche Besucher an die Ems.

19419 NordseeMagazin 3 Foto Petra Bromund BremenKrabbenkutter im Hafen von Neuharlingersiel. Die Marktlage zwingt die Fischer zu zusätzlichen Ruhetagen. Foto: Petra Bromund, Bremen

Krabben satt
Im Herbst 2018 wurden in der Nordsee ungewöhnlich viele Krabben gefangen, weil es in der Nordsee keinen Fisch gab, der ihren Bestand dezimieren konnte. Jetzt ist der Markt überversorgt, die Lager sind voll. Krabbenfischer müssen Pause machen. Pro Woche und Schiff liegt die Fanggrenze bei 1,5 Tonnen. Für ein Kilo zahlt der Handel rund 2,80 €.

19419 NordseeMagazin 4 Foto Petra Bromund BremenAls Sportboot unterwegs zu einem Liegeplatz: motorisierte Hausboote haben es leichter als schwimmende Häuser.
Foto: Petra Bromund, Bremen

Gesucht: Liegeplätze für Hausboote
Auch schwimmende Häuser brauchen in Niedersachsen eine Baugenehmigung. Ihre Versorgung mit Strom und Frischwasser sicherzustellen, ist in vielen Häfen schwierig. Und viele Liegeplätze sind für schwimmende Häuser, die oft Wohnflächen von mehr als 100 Quadratmetern haben, zu klein. Neue Liegeflächen sind kaum noch zu erwarten. Motorisierte Hausboote haben es leichter. Mit einer Zulassung als Sportboot können sie in vielen Häfen übergangsweise liegen.

Gute Zahlen für Bremen
1,16 Millionen Touristen und Geschäftsreisende besuchten im letzten Jahr Bremen, rund 50.000 mehr als 2017. Sie blieben in der Regel knapp zwei Tage. Die Zahl der Übernachtungen stieg um 4,9 Prozent auf 2,1 Millionen. Der Bruttoumsatz der Tages- und Übernachtungsgäste betrug knapp 1,8 Milliarden €. Ein durchschnittlicher Übernachtungsgast gibt bei seinem Bremen-Besuch zusätzlich 67 € aus. In der Tourismus-Branche arbeiten in Bremen mehr als 30.000 Menschen.

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19419 b f19 nordsee blass 1 Foto mareDas besondere Buch

Die Nordsee
Rezension von Dieter Bromund

Bücher über die Nordsee gibt es in Fülle. Ein Stück Nordseestrand vor der nationalen Haustür fördert die Schreiblust. Rechnet man zu den zahllosen Büchern noch Veröffentlichungen, die Anrainergemeinden und Verbände drucken lassen, um Touristen anzulocken, ist das über die Nordsee Verfasste nicht mehr überschaubar. Was soll da noch ein Buch mit dem Titel „Die Nordsee”, das 2019 im renommierten Mare Verlag in Hamburg erschienen ist? Autor ist Tom Blass, ein Engländer, übersetzt hat das 2015 in England erschienene Buch Tobias Rothenbücher. Ein Engländer also will, was lange das „Deutsche Meer” hieß, mit seinen Landschaften, Menschen und Geschichten einer rauen Küste auch einem deutschen Publikum nahe bringen? Eine niederländische Übersetzung erschien bereits. Blass holt weit aus mit seinem Thema:
„Die derzeit gängige Theorie zur Entstehung der Nordsee geht davon aus, dass dort, wo sich heute ihr südlicher Teil erstreckt, eine weite, eisfreie und von vielen Flüssen durchzogene Ebene mit großem Tier- und Vegetationsreichtum lag, in der Männer und Frauen mit Werkzeugen aus Holz , Feuerstein und Geweih jagen und fischen gingen. Als sich jedoch das Eis im Norden zurückzog, stiegen die Meerespegel, und das Wasser überflutete die Ebene, bis die zunehmend schmalere Landbrücke zwischen Europa und den Britischen Inseln schließlich unterbrochen war.”
Schon im ersten Kapitel, „Eine Nordsee-Überfahrt”, erkennt der Leser die Erzähltechnik des Autors. In eine stilsicher erzählte Reisebeschreibung baut Tom Blass seinen Sachbericht ein. Wer die Geschichte der Nordsee und ihre Rolle im Leben der Anrainer in Kurzform kennenlernen möchte, kann das auf den Seiten 14 bis 29.
Mit solchen Verschränkungen geht es in 15 Kapiteln weiter, rund um die Nordsee. In jedem Bericht muss man sich auf Überraschungen einstellen. Man erfährt von Atlantis und einem amerikanischen Professor, der fließend Saterfriesisch spricht, hört von der Ura Linda und liest, dass Queen Victoria über den Tausch Helgoland gegen Sansibar „not amused” war.
Das Buch ist unter den Stapeln Nordseeliteratur eine wahre Freude. Wer nur sie sucht, kann hoch zufrieden auf Seite 332 aufhören. Wer „Weiterführende Schritte ins Watt” machen will, wird sich über den Anhang freuen. In ihm werden – wie es sich bei einem Buch dieser Qualität gehört – die Zitate nachgewiesen und die Quellen aufgeführt, die im Text zitiert werden oder ihm zugrunde liegen. Und es gibt ein Register über neun Seiten.

Tom Blass
Die Nordsee
Landschaften, Menschen und Geschichte einer rauen Küste
Aus dem Englischen übersetzt von Tobias Rothenbücher.
Erschienen im mareverlag, Hamburg,
ISBN 978-3-86648-270-8,
28,00 €.

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