SeereisenMagazin Logo klein 347 65EDITORIAL · AUSGABE 4/2019hr

GORCH FOCK
Teure Nostalgie und Sicherheitsbedenken

Oh, oh, oh – nachdem sie als Bundesministerin für Verteidigung so ziemlich alles in die Grütze gefahren hat, was in diesem Amte möglich ist, und auch noch ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren wegen Geldverschwendung an der Hacke hat, soll Ursula von der Leyen nun Präsidentin der EU-Kommission werden. Also den wichtigsten und höchstbezahlten Job in der Europäischen Gemeinschaft zugeschanzt bekommen. Good luck, Europe, bonne chance, l’Europe! Viel Vergnügen, Europa! Die einzige, die sich darüber wirklich freuen wird, ist die Deutsche Bundeswehr. Wenn das „Bundesblondchen“ (Soldatenjargon) nach Brüssel geht, kann es bei Luftwaffe, Heer und Marine endlich wieder aufwärts gehen.

Nehmen wir aus der langen Leyen-Pannenserie nur mal das Drama GORCH FOCK heraus. Es sind ja keine weißen Möwen, die den hohlen Rumpf umkreisen, es sind die Schwarzen Pleitegeier: Die GORCH FOCK, einst Stolz der Deutschen Marine, dümpelt zur Zeit wie eine große Badewanne auf der Weser. Rund zwölf Millionen Euro sollte die Instandsetzung des Schiffes ursprünglich kosten. Bis jetzt wurden schon fast hundert Millionen verpulvert, und kein Mensch kann sehen, wo dieses Steuergeld versickert ist. Am Ende werden es 140 Millionen sein! GORCH FOCK würde sich im Grabe umdrehen, sähe er dieses Trauerspiel um seinen Dichternamen! Gleich zu Beginn dieser teuren Posse haben sich zwei korrupte Manager der Elsflether Werft die ersten zehn Millionen Euro unter den Nagel gerissen, die vom Bundesverteidigungsministerium an die Pleite-Werft überwiesen worden sind. Amateurhaft ausgehandelte Verträge haben diese Korruption ermöglicht.

Der Rumpf der GORCH FOCK ist nicht geschweißt, sondern nach früherer Bauart genietet. Aber noch mehr Nieten als in diesem Schiff sitzen im Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe in Bonn. Als Oberniete hat sich dort Ursula von der Leyen erwiesen. Ihre Schiffe schwimmen nicht, ihre Flugzeuge fliegen nicht, ihre Panzer rollen nicht. Ihre Soldaten hat sie pauschal beleidigt: „Fehlende Haltung”… Jetzt sollen Gerichte den Fall GORCH FOCK verfolgen. Allerdings bringt das die Millionen vergeigter Steuergelder auch nicht zurück. Vielleicht geht der eine oder andere „untreue” Werft-Manager für ein paar Wochen in den Knast. Aber der Skandal wird am deutschen Steuerzahler hängen bleiben und geht nicht mit nach Brüssel. „Unser Bundesblondchen” (Soldaten-Jargon) umgibt sich ja gern mit „Beratern” einer amerikanischen Beratungsfirma. Die sagen den deutschen Admiralen und Generälen, wo es lang geht. Ihrem eigenen Generalstab vertraut von der Leyen nicht. Lieber vertraut sie ihrer besten Freundin, die ihr die externen Berater für viele Millionen aus dem Wehr-Etat ja immer gern vermittelt hat.

Schwindelfrei mussten sie sein, die Marinesoldaten, die in die Masten der GORCH FOCK gestiegen sind. Aber die Vorgänge um die Sanierung des Schulschiffs waren und sind das Gegenteil von schwindelfrei. Wie fast alle Projekte auf der Hardthöhe ist auch die Posse um die GORCH FOCK aus dem Ruder gelaufen. Das ganze Unternehmen „Nautische Ausbildung unter Segeln” hat sich nach meiner Meinung überholt. Segelschiffe sind schwimmende Operette, Nostalgie für Salzwasser-Romantiker. Moderne Navigation und Nautik haben mit der Besanschot und mit Rahsegeln so überhaupt nichts mehr zu tun. Für hochtechnische elektronische und digitale Schiffsführung benötigt man keine 60 Meter hohen Masten, auch keine 4.000 Quadratmeter Segelfläche, sondern eine abgedunkelte Kommandozentrale mit leistungsfähigster militärischer Computertechnik.

Wenn privatwirtschaftlich geführte Reedereien Seereisen unter Segeln anbieten, so ist das ihr Ding und völlig in Ordnung. Wieso aber soll der deutsche Steuerzahler für ein teures Nostalgie-Abenteuer einiger Träumer in Uniform so viele Millionen zahlen? Hinzu kommt das gewachsene Risiko. Die Ausbildung entspricht nicht mehr den seemännischen Anforderungen auf einem Rahsegler. Besonders, seitdem auch immer mehr weibliche Marinesoldaten auf der GORCH FOCK Dienst tun, haben sich die Unfälle gehäuft. Man kann sich eben nicht an anatomischen Natürlichkeiten vorbei-emanzipieren. Große Sprüche ersetzen keine kleinen Muskeln. Außerdem hat sich die alte Marine-Weisheit als wahr erwiesen: „Wiewer an Bord givt Dotslach un Mord”. Der Fall Jenny Böken, der jetzt wieder aufgerollt wird, war nicht der einzige bei der Marine und nicht der einzige auf der GORCH FOCK.

Wie ehemalige Besatzungsmitglieder immer wieder berichten, halten sich die romantischen Idealvorstellungen von Kameradschaft, Mut und „seemännischen Tugenden” an Bord in sehr übersichtlichen Grenzen. Immer wieder haben die „harten Kerle” von der Stammbesatzung die jungen Kadetten und Kadettinnen getriezt, schikaniert und lächerlich gemacht. Andererseits kann man auch die Berufssoldaten verstehen, dass sie keine verweichlichten und höhenängstlichen „Seetouristen in Uniform” über die Meere schippern wollen. Diese Unterschiede haben auf der GORCH FOCK immer wieder zu Spannungen geführt. So war das Schiff oft mehr BOUNTY als vielbesungene „Botschafterin der Meere”.

Segelschiffe als Zeugen der Vergangenheit sind ja schöne Bilder und nostalgische Erinnerung: in Stralsund liegt – mit gleichem Namen – die liebevoll gepflegte Großmutter der GORCH FOCK, Baujahr 1930. Hamburg bekommt gerade die restaurierte PEKING als neues Museumsschiff. An den Landungsbrücken liegt die grüne RICKMER RICKMERS. Travemünde hat die PASSAT. Bremerhaven die SEUTE DEERN. Elsfleth die GROSSHERZOGIN ELISABETH. Die GORCH FOCK könnte in Kiel umgetauft werden auf URSULA VON DER LEYEN und dort dann gut vertäut für immer liegenbleiben. Man schickt ja auch keine Zeppeline mehr über die Meere …

Aber trotz aller Kosten und Bedenken: die GORCH FOCK wird nun weiter saniert. In zwei Jahren soll das Schiff wieder auf Reisen gehen. Ich halte das für teuren Anachronismus. Und für ein Sicherheitsrisiko. Denn die Crew kann – aufgrund neuer Dienstvorschriften – gar nicht mehr so konsequent ausgebildet werden, wie das auf einem Segler seit Jahrzehnten überlebenswichtig ist. So brauchen die jungen MarinesoldatInnen nicht mehr in die Masten zu klettern, wenn sie das lieber nicht tun mögen. Schwindelfreiheit ist auf diesem Segler also nicht mehr unabdingbar. Auch nicht die Kraft, im Ernstfall dicke Taue durchzuholen. Oder die Segel zu reffen, wenn Sturm aufzieht über dem Meer. Unter dem ersten Kommandanten von Stackelberg funktionierte die Arbeit an Deck noch im Rhythmus alter Shanties. Oder des eigenen Gorch-Fock-Liedes:

„Weiß ist das Schiff, das wir lieben,
weiß seine Segel, die sich bläh’n,
stets hat der Wunsch uns getrieben,
hoch vom Mastkorb in die weite Welt zu seh’n”.

Im September 1957 ist das Schulschiff PAMIR bei schwerem Sturm im Atlantik gesunken … E i n e PAMIR reicht. Ich wünsche den Jungs und Deerns auf der GORCH FOCK immer Mast- und Schotbruch. Trotz allem werde ich Euch immer wieder gern an Bord besuchen … Euer Herbert Fricke