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19218 06 MS FREDO unterwegs im Nord Ostsee KanalMS FREDO unterwegs im Nord-Ostsee-Kanal.
Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Dr. Peer Schmidt-Walther

Zwei coole Jungs und ihr Schiff

Der einzige Stralsunder Frachter MS FREDO bietet zwei jungen, engagierten Steuerleuten eine ideale Weiterbildungs-Plattform. – An der Unterweser liegt die kleine Kreisstadt Brake. Ihr Flusshafen allerdings ist Ziel von großen Massengutfrachtern aus aller Welt, die ihre Getreideladungen hier löschen. Sie werden in gewaltigen Silos gestaut, die das flache Marschland weithin sichtbar überragen.
Hinter einem dicken 80.000-Tonnen-Pott von 230 Metern Länge duckt sich ein nur 83 Meter langer Küstenfrachter. Die FREDO, einziges Stralsunder Seeschiff, ist auslaufklar mit 1500 Tonnen brasilianischem Sojaschrot für Rønne, die Inselhauptstadt von Bornholm.
„Dann wollen wir mal”, meint Kapitän und Eigner Bernd Blanck und startet den 657 kW-Deutz-Diesel, der bullernd anspringt. „Achterleinen los!” gibt er den philippinischen Matrosen das Signal und legt den Maschinentelegrafen auf halbe Fahrt rückwärts. Schwerfällig schwenkt das Heck schräg gegen den Strom, der es mit ablaufendem Tidewasser auf über drei Knoten bringt.
Jetzt werden auch die Vorleinen eingeholt. Erst in Flussmitte dreht er den Steven nach Steuerbord, so dass FREDO endlich Vorausfahrt aufnehmen kann.
Erster Steuermann Kevin Oltmanns (28) und der Zweite, Marco Heynen (26) schauen dem ungewöhnlichen Manöverschauspiel gebannt und staunend zu. Kapitän Blanck erläutert: „Hätte ich erst die Vorleinen losgemacht, hätte uns der starke Strom gegen den Vordermann gedrückt. Auf you-tube gibt’s dafür genügend warnende Beispiele”. Der 52-Jährige steht schon seit 30 Jahren auf der Brücke und weiß, wovon er spricht: „Wer hier die speziellen Fahrwasserverhältnisse und besonderen Manöver ignoriert, hat schon verloren”.
Er lernte bei seinem Vater das Seemannshandwerk von der Pike auf: „Ich war sogar schon als Ungeborenes an Bord dabei, als meine Mutter mit mir schwanger ging”, grinst er und überlässt jetzt dem Zweiten das Ruder. Marco Heynen, ein blonder, schlaksiger Ostfriese, wie er im Buche steht, freut sich auf seine Wache: „Jetzt fahr ich das Schiff bis in die Nordsee, vor allem auf einem anspruchsvollen Revier”. Kevin und er teilen sich die beiden Wachen zwischen sechs und achtzehn Uhr. Beide halten sich für „seesüchtig” und Schiffe haben sie schon immer interessiert. Marco ist außerdem begeisterter Kitesurfer, der jede freie Minute sein Hobby pflegt, während Kevin lieber segelt. Er hat auch die mecklenburg-vorpommerschen Gewässer kennengelernt, nicht nur als er dort auf Probefahrt mit arabischen Küstenwachbooten der Peene-Werft war.
Beide sind Realschulabsolventen, die anschließend noch das Fachabitur gebaut und eine Schiffsmechanikerlehre absolviert haben, Kevin auf Schleppern und Marco auf Schwergutfrachtern. Der klassische Weg. Anschließend Steuermannsschule mit Patent zum Nautischen Offizier und im Sonderlehrgang noch oberndrauf das technische Patent. „Hat mir schon immer Spaß gemacht”, meint Marco, „die Arbeit in der Maschine”. Und Kevin ergänzt: „So versteht man auch die andere Seite viel besser, wenn es mal Probleme gibt”. Sie sind ehrgeizig und wollen lernen, lernen, lernen. Dazu gibt ihnen Bernd Blanck alle Chancen, zum Beispiel auch selbständig Manöver zu fahren. „Auf großen Schiffen”, weiß Kevin, „geht das gar nicht, da lässt einen der Kapitän nur zuschauen, aber dabei lernt man nicht das Fingerspitzengefühl für Manöverfahrten”. Auf FREDO sei „learning by doing” angesagt. „Nur so”, wirft Marco ein, „bekommen wir das beste Rüstzeug für den Lotsenberuf”. Den streben beide an, wenn sie das große Nautische Patent ausgehändigt bekommen und entsprechende Fahrtzeiten als Erster Offizier oder Kapitän nachweisen können. Obwohl deutsche Nautiker bei einigen Großreedereien immer häufiger durch billigere Kräfte ersetzt werden, haben Kevin und Marco gute Chancen, weiter voranzukommen. Ihre Erfahrungen können sie auch auf Küstenmotorschiffen sammeln.
Der als „Seeteufel” und „Münchhausen der Meere” berühmte Felix Graf Luckner (1881 bis 1966) indes riss von zu Hause und der Schule aus, um ohne Ausbildung zur See zu fahren. Kein Vergleich zu den beiden zielstrebigen Steuerleuten. 1926 übrigens lief der Graf mit seiner VATERLAND von Brake zu einer Weltreise aus.
Durch ihre Vorgänger sind die beiden coolen Jungs auf die Reederei Blanck gestoßen. „Ein Glück!”, meinen beide übereinstimmend. Die noch unbeweibten karrierebewussten Männer wollen sich sogar gemeinsam ein Segelboot anschaffen und „dahin fahren, wo nicht mal mehr FREDO hinkommt”.
Das Küstenmotorschiff bekommt nachts bei bis zu zehn Windstärken die Kraft der Nordsee zu spüren, die den Frachter ordentlich beutelt. Ruhigere Fahrt und ungestörten Schlaf beschert bei achterlicher See und auflaufendem Wasser die Elbe. Am frühen Morgen im Nord-Ostsee-Kanal übernimmt Bernd Blanck wieder das Ruder, denn er ist „Freifahrer”. Er darf nach diversen Passagen unter Aufsicht und einer speziellen Prüfung ohne Lotsen fahren. Bis heute hat er „weit über 2000 Passagen” – mit Lotse kostet jede 1.000 Euro, ein gewaltiges Sparpotenzial – auf dem Buckel. Blanck kennt jeden Zentimeter im „Graben”, wie der Kiel-Kanal bei den Seeleuten heißt.
Am übernächsten Morgen läuft FREDO in Rønne auf Bornholm ein, wird in Rekordzeit die Ladung gelöscht und schließlich Rostocks Seehafen angesteuert. Hier warten 1.500 Tonnen Rapsschrot – das entspricht 60 LKW-Ladungen – auf die Verschiffung zum AGRAVIS-Futtermittelwerk nach Oldenburg an der Hunte. „Wir befördern etwa vier Ladungen pro Monat und insgesamt rund 50.000 Tonnen pro Jahr für diesen Auftraggeber, eine sichere Bank”, freut sich Blanck. Der aus der Ölproduktion entstehende „Abfall” Rapsschrot sei als Futtermittelzusatz sehr begehrt. „Für uns das braune Gold”, grinst Bernd Blanck und greift zu einem frischen Rostocker Brötchen, das der Agent zum Frühstück aus der Stadt mitgebracht hat.

Informationen
MS FREDO: Bauwerft: Schiffswerft Hugo Peters, Wewelsfleth/Stör; Baujahr: 2/1985; Bau-Nr.: 607; Flagge: Deutschland; Taufname: PREMIERE (bis 2002), danach MONTIS, ab 1. Mai 2010 FREDO (Zusammensetzung aus den Heimatorten der Eigner Willem (Freiburg/Unterelbe) und Bernd Blanck (Dornbusch/Unterelbe); Telefon: 0171-2111839 (W. Blanck); E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
Abmessungen: Länge: 82,45 m, Breite: 11,33 m, Tiefgang (maximal): 3,43 (Typ Saima/Vänern-max, da der Frachter früher jahrelang zu den finnischen Seen unterwegs war); 1 Luke (3105 Kubikmeter Schüttgut); eingerichtet für Container-Transport: 46 TEU, verstärkt für Schwergutladung; BRZ: 1649, Tragfähigkeit: 1829 tdw, Ladetonnen: 1700 Tonnen; Displacement (Ladetonnen und 865 t Schiffsgewicht): 2694 t; Maschine: MWM, Typ TBD 440-6K, 441 kW (700 PS), Geschwindigkeit (maximal): 10,6 kn; GL-Klasse: GL+100 A4 MEG; Crew (maximal): 7; Passagiere: 1 Einzelkammer ( Bad/WC/Dusche gemeinsam mit 1. Offizier), breite Koje, Schrank, Sitzecke, Tisch, Stuhl, Schubfächer, Sat.-TV, Waschmaschine/Trockner können problemlos benutzt werden, Preis (inklusiv Vollpension): 60 Euro/Tag (Info/Buchung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Kapitäne Bernd + Willem Blanck: 0171-2111839); Brücke und Maschinenraum stehen dem Gast jederzeit offen.
Tipp: FREDO bietet sehr reizvolle Reisen zwischen großen, kleinen und kleinsten Nord-Ostsee-Häfen -Flüssen, -Kanälen und -Seen.


19218 01 MS FREDO an der Silo Pier in BrakeMS FREDO an der Silo-Pier in Brake.

19218 01b In Brake wird Sojaschrot geladenIn Brake wird Sojaschrot geladen.

19218 07 Die NOK Engstelle bei Landwehr wird passiertDie Nord-Ostsee-Kanal-Engstelle bei Landwehr wird passiert.

19218 14a Die Kreuzfahrt Faehre COLOR MAGIC kommt in der Foerde entgegenDie Kreuzfahrt-Fähre COLOR MAGIC kommt in der Kieler Förde entgegen.

19218 15 Erster Offizier Kevin Oltmanns hinten und Zweiter Marco Heynen auf der BrueckeErster Offizier Kevin Oltmanns (hinten) und Zweiter Marco Heynen auf der Brücke.

19218 16 Ein steifer SuedWest Wind schiebt FREDO nach OstenEin steifer Süd-West-Wind schiebt FREDO nach Osten.

19218 23 MS FREDO loescht seine Sojaschrot Ladung im Hafen von RønneMS FREDO löscht seine Sojaschrot-Ladung im Hafen von Rønne.

19218 25 Blick vom Kuestenradweg auf den Weststrand von BornholmBlick vom Küstenradweg auf den Weststrand von Bornholm.

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