SeereisenMagazin Logo klein 347 65RUND UM SÜDAMERIKA · AUSGABE 1/2019hr

19109 P1030151 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgDas herausragende Kulturdenkmal der Maya. Chichén Itzá auf Yukatán ist für uns Europäer so etwas wie der Petersdom von Mittelamerika. Fotos: Dr. Friedrich Egon Auer, Augsburg

Dr. Friedrich Egon Auer  

Rund um Südamerika mit MS ARTANIA
Auf den Spuren meiner Vorfahren oder Vorfahrer – Teil 2

Sternstunden der Menschheit – Von Recife zum Kap Hoorn und weiter
Kolumbus 1492, Armstrong 1969, Auer 2012

Friedrich Egon Auer hat hier versucht, in humorvoller Weise in die Kapitänsrolle zu schlüpfen und den Schwerpunkt auf die historischen Ereignisse der Entdeckungen dieser Küsten und Länder Südamerikas zu beschreiben. Ob Auer die vollständige Umschiffung von Südamerika gelingen wird, wissen wir immer noch nicht, aber langsam scheint dieses Ziel zum Greifen nahe zu kommen …

4. Balboas Schicksal: der Isthmus – vom Panamakanal nach New York
13.2.2012: Am karibischen Ausgang des Panamakanals, bei der Stadt Colon, hat sich Auer wieder im Griff, seine Wangen sind trocken. Neugier und Tatendrang stellen sich ein. Endlich kommen sie jetzt, die Länder Mittelamerikas; sie waren für ihn Jahrzehnte lang so etwas wie magische Kristalle in einem Glasperlenspiel, das nur im Schulatlas und auf Landkarten existierte. Jetzt aber ist die Live-Show angesagt!
Er schaut noch einmal über die Schulter und nimmt Abschied von Darien, diesem historischen Brennpunkt des 16. Jahrhunderts. Darien wurde von Vasco Nunes de Balboa im Jahre 1510 mit dem Namen „Santa María de la Antigua del Darién” gegründet. Sieben Jahre vor ihm hatte ja genau entlang dieser Küste schon der große Kolumbus auf seiner vierten und letzten Reise den „Seeweg nach Asien” gesucht, zusammen mit seinem Sohn und seinem Bruder, bis er verzweifelt aufgeben musste, der größte und tragischste Held unter seinesgleichen. Balboa aber beschritt daraufhin neue Wege. Er war der „Abenteurer” unter den Konquistadoren; so brutal wie die anderen auch, aber mit mehr Fantasie und Hirn unter der Schädeldecke ausgestattet. Diplomatie war seine wichtigste Waffe. Er arrangierte sich mit den Indios (anstatt sie – wie sonst üblich – bei der ersten Begegnung gleich einen Kopf kürzer zu machen). Er schloss Bündnisse mit ihren Häuptlingen, um an die Informationen heranzukommen, die er für den Weg in die neue Welt brauchte. Er ging dabei sehr weit und nahm die Tochter eines Häuptlings zur Braut. Der Häuptling erzählte ihm in der Folge von einem riesigen See, in den seit ewigen Zeiten mehrere Flüsse unermesslich viel reines Gold spülten.

Ein „Goldsee”!
Dieses Gerücht elektrisierte das Energiebündel Balboa. Er wagte das undenkbare Abenteuer und kämpfte sich 1513 zusammen mit mehreren Spaniern und versklavten Eingeborenen durch den Dschungel Panamas, um diesen See zu finden. Pizarro war auch dabei. Es kam für die Unglückseligen auf diesem Weg zu schrecklichen Szenen, Balboas unmenschliche Grausamkeit bei der Durchsetzung seiner Befehle, das tägliche Krepieren erschöpfter Kameraden auf diesem Todesmarsch. Die Hölle auf Erden! Mit einem historischen Kraftakt schafften sie das Unmögliche, erreichten das vorgegebene Ziel und Balboa nahm den Goldsee für die spanische Krone in Besitz. Er weinte an dieser Stelle (wie später Auer, siehe oben). Balboa taufte ihn beim ersten Anblick „Südsee”, weil er dabei nach Süden blickte (und Magellan konnte sieben Jahre später, 1520, nicht wissen, dass sein „Pazifik” nichts Neues, sondern eben das Gleiche wie Balboas Südsee und damit schon „Eigentum der Spanier” war).
Der Isthmus, die undurchdringliche Wespentaille des neuen Erdteils, war bezwungen. Friedrich Egon Auer will jetzt aber weiter, verlässt dieses denkwürdige Darien in nördlicher Richtung. In Costa Rica, Honduras, Belize und Jamaika schleppt er sich mit seiner Frau bei unerträglicher Hitze Tag für Tag durch die Straßen der hoffnungs- und trostlosen Hafenstädte. Sie lassen sich von bereitwilligen Einheimischen auch den Dschungel dahinter zeigen; Brüllaffen, Faultiere, Kaimane, Reihervögel in allen Farben. Und zum ersten Mal legt Auer seine Hand auf Maya-Gestein, das ihn – tausendmal vorher auf Bildern betrachtet – jetzt tausendmal stärker berührt und ergreift. In Belize, beim Besteigen einer hohen Tempelpyramide holt er sich eine schmerzhafte Oberschenkelzerrung, die so nicht gekommen wäre, hätte er auf dem Joggingpfad und in den Gym-Räumen seiner ARTANIA fleißiger gearbeitet. Sein Konzept, mit erholsamen Saunagängen dieses Trainingsdefizit auszugleichen, erweist sich als nicht tragfähig.
Schließlich, in Mexiko auf der Halbinsel Yukatan, vor dem großen Mayatempel in Chichen Itza wird er sprachlos. Er steht unter Strom. Auer ist angesichts dieser tausend Jahre alten ästhetischen Pyramide Gefangener von Raum und Zeit.
Dann Tampa, Key West, Miami, das kennt er alles von früheren Entdeckungsreisen, Abhaken ist angesagt. In Port Canaveral will er sich in Ermangelung anderer Freuden in den Himmel schießen lassen, versäumt aber das letzte Shuttle um wenige Tage.
New York ist auch nichts Neues, neu aber ist für ihn die Ankunft, die Einfahrt vom Meer aus. Er findet sie ultimativ. Er vermisst dann sofort zwei Türme, zwischen denen er beim letzten Besuch mit seiner damals schon sehr aufgeregten Frau in einem Helikopter auf dem Weg zur Lady Liberty durchgeflogen ist.
Nach dem Anlegen im Hudson River gibt er für alle den Landgang frei, und auf dem Fußweg zum Times Square – so nahe am „Nabel der Welt” macht er sein Schiff fest – versteckt sich jeder der Landgänger unter einem Schirm, weil das auf dieser Reise fast schon vergessene Phänomen Regen tatsächlich in diesen Minuten einsetzt. Und eiskalt ist es plötzlich, wirklich fünf Grad Celsius?
Drei Tage lang arbeitet er sich wie ein Wurm durch den Big Apple, zusammen mit seiner in diesem Dorf hoch motivierten Frau (immer wieder: „wenn man schon einmal hier ist, muss man …”). Verdiente Belohnung für die Anstrengungen bieten zwei Abendveranstaltungen der Extraklasse, eine in der Met und eine im Dizzy’s Jazzclub, das gibt es nur in New York.
Jetzt aber Leinen los! Die Dämmerung geht in Nacht über, unvorstellbar viele Lichter bilden die bekannte Silhouette New Yorks in der erhellten Dunkelheit, steuerbord und backbord, hautnah, den Hudson River hinaus. Nicht die Einfahrt, korrigiert er sich jetzt, sondern diese Ausfahrt ist ultimativ. Ein Lichtermeer, ein Glitzern, Weihnachten für alle tausend Menschen, die sich beim Dahingleiten an den Außendecks der ARTANIA versammeln; Weihnachten wie in Auers Kindheit, und nach diesen drei Tagen New York ist er auch beim Abendgebet seiner Kindheit gelandet: „Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe meine Äuglein zu”. Er will sie erst wieder öffnen, wenn er nach sechshundertachtundsechzig Seemeilen auf den Bermudas angekommen sein wird.
Beim Einschlafen gehen seine Gedanken vor dem endgültigen Verschwinden noch einmal auf Reisen: Er weiß, dass seine momentane Erschöpfung überhaupt nicht zu vergleichen ist mit dem erbärmlichen Zustand Balboas, damals nach dessen Überwindung des Isthmus. Auf dem qualvollen Weg von dem eben entdeckten pazifischen Meer, seinem „Goldsee” zurück nach Darien, im Januar 1514, musste sich der schon todkranke Balboa von Indios in einer Hängematte heimtragen lassen, und es gab nur noch wenige überlebende Begleiter (Pizarro war noch dabei). Balboa selbst war dem Sterben nahe.
Aber er steht wieder auf und kämpft weiter. Er scheut beim Verfolgen seiner Ziele auch keine Konflikte mit spanischen Konkurrenten, egal, ob diese mit oder ohne königlichen Auftrag unterwegs sind. Er vertreibt sie einfach, schickt sie zurück nach Spanien (z.B. Fernandez de Enciso) oder lässt sie vor der Küste in der Karibik regelrecht absaufen (z.B. Diego de Nicuesa, der vom spanischen König mit der Besiedlung des Festlandes beauftragt ist). Der nach Spanien heimgekehrte Enciso informiert den König über Balboas Alleingänge, was zu dessen Degradierung führt. Als Gouverneur von Darien wird ein anderer eingesetzt. Balboa hält ungeachtet dieser Attacken vor Ort weiter das Heft in der Hand. Er wird fernab von einem spanischen Gericht wegen seiner Rundumschläge sogar verurteilt, und dann, weil doch ein vielversprechender Hoffnungsträger für die Krone, wieder begnadigt.
Seine Indio-Freunde flüstern ihm weitere Geheimnisse und erzählen von einem Goldland Biru im Süden, was in logischer Konsequenz sein nächstes Ziel ist (das heutige Peru). Er bittet in einer Depesche den König von Spanien um eine Armee von tausend Mann zur Eroberung dieses Goldlandes (Inbesitznahme für die spanische Krone). Für dieses Vorhaben initiiert er auch den bahnbrechenden Schiffsbau auf der Südseeseite, jenseits des Isthmus. Die tausend Mann werden von Spanien aus in Marsch, nein, in See gesetzt, aber nicht für ihn; andere sorgen dafür, dass ihm das große Unterfangen verwehrt bleibt, allen voran ein „furor Domini”. Über dieses Monster wäre eigentlich noch zu berichten. 2.3.2012: Gute Nacht!

5. Alfa an Bravo: Bitte kommen! – Von den Bermudas in die Karibik und über den Atlantik heim
Auf den Bermudas sind alle Dächer weiß, alle! Das überrascht den sonst gut vorbereiteten Seemann Auer auf seiner Fahrt, das wusste er nicht. In den Friedhöfen sind auch alle Grabsteine und Grabplatten weiß, ganz weiß. Vor den Friedhöfen gibt es jeweils den Hinweis auf den Verwalter, was auf beliebig viele Spielarten protestantischer Religionsgemeinschaften hinweist, die es auf diesen Inseln mit insgesamt fünfundsechzigtausend Einwohnern geben soll. Man riecht förmlich das Geld, das die haben; allein in der Hauptstadt Hamilton mit ganzen dreitausend Einwohnern findet man Kirchen und Friedhöfe von Baptisten, Quäkern, Adventisten, Mormonen, Presbyterianer, Church of … nein, man kann sie gar nicht aufzählen; rätselhaft. Nicht einmal in London dürfte es noch mehr geben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das nicht wirklich alles Kirchengemeinden sind, sondern sich dahinter vielleicht auch berüchtigte Finanzinstitute verstecken, für die die Bermudas so bekannt sind.
Auer steigt auf die ARTANIA und steuert sie ziemlich genau entlang der östlichen Seite des Bermudadreiecks nach Hispaniola. Dabei befindet er sich zwei ganze Tage lang knapp innerhalb dieses berüchtigten Areals. Man muss also hier nicht unbedingt auf geheimnisvolle Weise verschwinden. So erreichen sie nach zwei Tagen wieder einen lebenswerten Äther, den karibischen. Und dann große Aufregung; vor Samaná tauchen gewaltige Buckelwale auf, die sich jährlich um diese Zeit in der Bucht paaren wollen. Sie lassen sich auch von vielen Schaulustigen auf herumkurvenden, Krach machenden Motorbooten nicht stören.
Dann, in Santo Domingo, gibt sich der Seefahrer einem Tagtraum hin. Er fühlt sich als Inkarnation der Dreifaltigkeit aus Fernando, Alfredo und José. Da gibt es einen Kolumbusplatz vor der alten Kathedrale von Santo Domingo, eine Kathedrale, deren historische Ausstrahlung alles aussticht. Auer lässt sich auf einer Bank vor der Kathedrale nieder, Aug’ in Aug’ mit dem „Cristobal Colón”, der in der Mitte des Platzes als metallener Riese den Menschen den richtigen Weg weist.
Es ist der Ort, an dem Kolumbus der Menschheit die Uhr eines neuen Zeitalters aufgezogen hat.
Die Sonne scheint an diesem stillen Nachmittag in den Platz herein. Auer entspannt sich, streckt die Viere von sich, schließt wieder einmal langsam die Augen. Da tauchen vor ihm noch im Unscharfen langsam Meereswogen auf, dann erscheint auf diesen Wellen – schon etwas schärfer – eine spanische Karavelle unter Segel. Auf ihrem Bug ganz vorne steht ein alter Kapitän. Auer nimmt spirituellen Kontakt mit seinem Gegenüber auf:
Alfa an Bravo: Bitte kommen! Alfa an Bravo: Bitte kommen!
Bravo an Alfa: Hier Balboa. Ich höre.
Alfa: Ola, Balboa! Großer Balboa von Darien! Hilf mir, kläre mich auf. Ich bin hier in Santo Domingo auf dem Platz des großen Kolumbus. Ich frage dich: von genau diesem Platz aus musstest du dich seinerzeit davonstehlen? Von hier aus musstest du im Jahre 1510 flüchten; was war los, wovor musstest du flüchten?
Bravo: Ja, Hombre! Höre, du Träumer, wie es dazu kam. Diego Kolumbus, der Sohn vom „Großen”, war damals schon Gouverneur von Hispaniola. „Vizekönig” war sein neuer Titel, extra für ihn kreiert. Und trotzdem konnte oder wollte er mir, der gescheiterten Existenz, nicht helfen. Er ließ meine Jäger gewähren und sah zu, wie sie mich verfolgten, diese Halsabschneider.
Alfa: Was, wer, diese Halsabschneider? Wer waren die? Erzähl!
Bravo: Hombre, ich war total pleite. Ich kam ja ursprünglich als Schweinezüchter hierher nach Hispaniola, baute mit geliehenem Geld dieses stinkige Geschäft auf. Aber nein. Das war nicht wirklich ich. Ich bin doch kein Geschäftsmann. Eher geht’s Kamel durch’s Nadelöhr. Da lief praktisch alles nur den Bach hinunter. Und so hatte ich mich langsam aber ordentlich versoffen.
Alfa: Und das geliehene Geld war verloren?
Bravo: Ja Hombre, das war futsch. Meine Gläubiger verfolgten mich wie wilde Viecher, wollten mich in Eisen legen und nach Spanien bringen, vor Gericht zerren, mich fertig machen.
Alfa: Aber nicht mit dir!
Bravo: Nein Hombre, nicht mit mir. Ich hörte in diesen Tagen, dass im Hafen genau unterhalb des Platzes, an dem du gerade träumst, ein Martin Fernandez de Enciso im Auftrag des spanischen Königs einen Törn zum Festland vorbereitet. Er sollte dort, im Norden des heutigen Kolumbien, eine Kolonie gründen. Arriba! Ich kannte mich da aus; ich war zehn Jahre vorher schon in dieser Region.
Alfa: Hast du also bei diesem Enciso angeheuert?
Bravo: Dios mio! Nie und nimmer hätten die mich genommen, ich wäre sofort ausgeliefert worden. Ich habe mich in meiner Verzweiflung – du musst es mir glauben – mit Rüstung und Schwert in einer Transportkiste versteckt, die dann auf seine Galeone gebracht wurde.
Drei Tage nach dem Auslaufen kroch ich aus dieser Kiste und stellte mich Enciso.
Alfa: Und dann? Wie reagierte er?
Bravo: Hombre, er wollte mich auf der nächsten Insel aussetzen. Aber, noch bevor wir diese erreichten, begegneten wir einer anderen Galeone, die ein junger Spund mit dem Namen Francesco de Pizarro anführte. Sie kamen genau aus unserer Zielregion. Katastrophale Ereignisse vertrieben sie. Alle spanischen Siedlungsversuche an dieser Küste scheiterten, sowohl an den Giftpfeilen wehrhafter Indios als auch an unerträglichen klimatischen Umständen.
Alfa: Was habt ihr dann gemacht? Wie reagierte Enciso?
Bravo: Enciso war ja ein Beamter, Hombre, also kannst du dir ausdenken, wie er reagierte, als er das hörte. Er zog sofort den Schwanz ein und wollte zurück nach Hispaniola.
Alfa: Mein Gott, das durfte dir ja nicht passieren!
Bravo: Correcto, Hombre! Genau, und das war meine Stunde! Ich schaffte es, die Crew Encisos vom Gegenteil zu überzeugen, und ich schaffte es auch, Pizarro und dessen Crew regelrecht umzubiegen in die Richtung, aus der sie kamen. Mein Weg nach Darien, wo ich das Gold roch, war frei! Enciso schickte ich anschließend von dort nach Spanien heim. Das sollte ich ja später noch bereuen, wie du weißt. Maldita!
Alfa: Balboa höre, alle reden heute, fünfhundert Jahre später, von Kolumbus, Vespucci, Cortez oder Pizarro. Aber von dir, dem Bezwinger des Isthmus, und deinen bahnbrechenden Unternehmungen auf der Südseeseite hört man wenig.
Bravo: Hombre, das mag vielleicht in Europa so sein, du Traumtänzer. Aber mein Lebenswerk ist hier in dieser Region manifestiert. Überleg mal: in Panama zahlt man nicht mit Dollars, sondern mit Balboas, man hat hier eine Stadt nach mir benannt (nicht nur nach Columbus); es gibt hier keinen Ort, in dem nicht eine Straße meinen Namen trägt. Und für die vielen Denkmäler muss ich mich fast schämen, ich habe sie nicht verdient.
Alfa: Doch, das hast du, Balboa! Aber was du sicher nicht verdient hast, ist dein schreckliches Ende?
Bravo: Hombre, weißt du überhaupt, wie es dazu kam? Alles ging von einem einzigen irrsinnigen Spanier aus. Pedro Arias de Ávila oder etwas später „Pedrarias Davila”, so hieß dieses Ungeheuer. Er kam im Auftrag des spanischen Königs mit tausend Mann in die Karibik. Ich hatte ja diese Idee, mit tausend Mann auf der anderen Seite des Isthmus nach Peru zu segeln, mir hätte man die Leute unterstellen sollen. Aber dieser Pedrarias wurde hier zur gefürchteten Schreckensgestalt, nicht nur für die Indios, auch für alle spanischen Eroberer dieser Tage, die nördlich und südlich von Panama unterwegs waren.
Alfa: Warum habt ihr ihn nicht einfach festgenommen, entmachtet und heimgeschickt?
Bravo: Hombre, keiner hatte eine Chance gegen diesen Wahnsinnigen! Sie nannten ihn den „furor Domini”. Krankhafter Ehrgeiz zerfraß ihn. Dieses Scheusal plünderte und verwüstete in einem unfassbaren Terror mehr als ein Jahrzehnt lang alle Länder dieser Region.
Alfa: Aber warst du selbst da nicht aus der Schusslinie? Du hast doch seine Tochter zur Frau genommen, bist sein Schwiegersohn geworden.
Bravo: Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb, Hombre: seine Eifersucht und sein Hass verfolgten bald auch mich. Er konnte es nicht ertragen, dass ich, und nicht er, den Isthmus bezwungen habe und zum Baumeister dieser Kolonie wurde. Er zerrte mich eines Tages, im Jahre 1519, willkürlich wegen Hochverrats vor Gericht. In seinem Auftrag legte mich damals Pizarro persönlich bei der Verhaftung in Ketten! Maldita! Ausgerechnet Pizarro! Mein Zögling. Alles, was er weiß und kann, hat er von mir. Dieser Bastard! Hasta la vista!
Alfa: Balboa, noch eine letzte Frage: wie lautete schlussendlich das Urteil in diesem Prozess?
Bravo an Alfa: Rübe ab! Over. Over and out! Hasta la Vista, Hombre!

Puerto Rico und die Kleinen Antillen sind die nächsten Stationen von Auers Umschiffungsexpedition. Zunächst besucht er San Juan auf Puerto Rico. Die beiden gewaltigen spanischen Castillos, San Cristobal und San Felipe del Morro, gehen ihm – vor dem Hintergrund der blutigen Historie – unter die Haut; steinerne Zeitzeugen zahlloser Kanonaden europäischer Kampfhähne. Auer ist neutral, aber dass es einmal den Holländern hier gegen die Spanier fast gelungen wäre … (das war in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, es geht hier also nicht um Fußball).

Dann Schlag auf Schlag, ein stressiges Antillen-Stakkato
Die britischen Jungfern-Inseln (man geht in den berühmten, zauberhaften „Baths” baden), Antigua (Auer segelt auf einem Katamaran entlang der Westküste), Dominica (hinein in den Dschungel, was anderes gibt es da nicht), Martinique (bunte Fische, eine blonde Letizia betreut Interessierte persönlich beim Schnorcheln, ihre Mutter eine Neapolitanerin, der Vater ein Korse, sie flüchtete mit zwanzig von Paris hierher, das passt!), Grenada (eine karibische Augenweide; am Abend lässt eine neunköpfige Steelband auf der ARTANIA die Fetzen fliegen), und die letzte Perle vor dem großen Ritt über den Atlantik, die Insel Barbados (nicht nur geographisch ein Ausreißer: very british).
Es sind „vollkommene” Inseln, diese kleinen Antillen, weil sie nicht nur rund herum vom Wasser umspült sind, wie sich das für Inseln so gehört. Sie sind auch Inseln, was ihre Menschen, deren Hautfarbe, ihre Kultur, Sprache, Währung, Flora, Fauna und ihre Eroberer der vergangenen Jahrhunderte angeht. Sie sind nicht austauschbar, keine Insel gleicht der anderen. Sie bilden die ungleichmäßigste Perlenkette, die es gibt (nur flotte Hippie-Mädchen tragen ein solches Durcheinander um den Hals).
Aber eines ist ihnen – neben Cricket – doch gemeinsam. Beim Umblättern von der einen Inselgeschichte zur nächsten hat man immer eine Laokoongruppe vor sich. Ein Engländer, ein Franzose, ein Spanier, ein Holländer und manchmal auch ein Amerikaner sind wie Freistilringer ineinander verschlungen (da schaut sogar irgendwo ein dänischer Unterschenkel heraus). Das hat mit Griechisch-Orthodox nichts mehr zu tun, was die da getrieben haben. Sie ringen um die Hegemonie über das Eiland und die dorthin verpflanzten Afrikaner (eingeborene Kariben wurden in der Regel vorher eliminiert, ganz wenige überlebten).
Das ging so Jahrhunderte lang. Es gibt Inseln, die haben im Laufe dieses Turniers dreißigmal den Sieger gewechselt. Als Ergebnis sind die einzelnen Perlen heute ganz unterschiedliche, kleine Welten, Verschmelzungen der „befreiten” Afrikaner mit ihren Laokoonringern, also ihren siegreichen oder unterlegenen ehemaligen Peinigern; und ein Schuss originäres Kariben-Blut ist auch dabei, wie könnte es anders sein.
Wenn die Europäische Union dereinst tatsächlich ein vollendetes Jahrhundertwerk werden sollte, dann könnten die Vereinigten Antillen nur ein Jahrtausendwerk werden. So böse sollte man aber nicht denken. Eine „Union” ist wahrscheinlich das Letzte, was die wollen. Jedem das Seine!
Auer schließt das Abenteuer der Umschiffung Südamerikas hier mit dem Auslaufen auf Barbados ab. Zurückhaltung beim Abschieds-Rumpunsch hat er sich vorgenommen, sonst glaubt er wieder, es ginge jetzt erst richtig los mit der Traumreise (wie es ihm auf Antigua passierte). Fast einundzwanzigtausend Seemeilen liegen schon in seinem Kielwasser. Seine Ansage an den Steuermann ist jetzt „general course zero seven one!”. Von Barbados nach Gran Canaria, sechs ganze Tage lang auf hoher See. Was noch kommt, ist Wiederholung. Madeira, Cadiz und Palma de Mallorca sind die verbleibenden Fluchtpunkte, wo er noch ein paar Winkel aufsuchen wird. Dann ist endgültig Schluss. Jeder hat ein Recht auf Heimat! „Schieflage” oder „Abschleppen” sind Vokabeln, die er jetzt vor der Atlantiküberquerung nicht mehr lesen kann. Auch „Leck” will er keinesfalls hören. Die Rost-Halbwertszeit seiner metallenen ARTANIA wünscht er sich in den Langzeitbereich. Er bekämpfte den Rost ja noch vor Jahresfrist auf seiner eigenen weißen, kleinen 34-Fuß-Yacht FREE AND EASY, in der Adria, wo er mit seiner weitaus besseren Hälfte immer hinter den verdammten roten Flecken her rubbelte; hier auf der ARTANIA machen diesen Job tagein tagaus und ohne Unterlass kleine schwarzhaarige Filipinos mit großen schwarzen Sonnenbrillen (es wäre respektlos, von Rostumwandlern zu sprechen). Alfa to undisclosed recipients: Servus und Over!
www.phoenixreisen.com

19109 P1030139 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgMexiko: Über die vor der Küste liegenden Insel Cozumel geht’s in einer Bus-/Autokolonne ins Landesinnere, bis man, ob man will oder nicht, die Tempelanlagen von Chichen Itza erreicht.

19109 P1030071 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgGeschichtsträchtiges Belice.

19109 P1030077 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgBelice, das Land der hundert Maya-Ruinen.

19109 P1030092 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgJamaika, Montego Bay mit seinem anmutigen karibischen Charme zu Wasser und zu Lande.

19109 P1030100 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgDie Strom-Masten der elektrischen Verkabelung von Jamaika (komplexe Technik, als stammte sie aus der Rokoko-Zeit).

19109 P1030209 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgEin eleganter Schoner zieht vor Fort Myers/Florida in Richtung Karibik: als ob er Kurs ins Paradies hielte.

19109 P1030217 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgKey West, überall kann man es verstehen und nachvollziehen: Hemingways Wahlheimat.

19109 P1030225 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgCubanische Architektur in Miami.

19109 P1030231 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgTypischer Beobachtungsposten (observation post for the lifeguard) am begehrten Miami Beach.

19109 P1030317 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgMan kommt in unseren Zeiten des Flugverkehrs nicht oft auf einem Schiff im Hafen von New York an. Da will natürlich jeder an der Reling stehen.

19109 P1030339 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgIm Anorak und Wanderschuhen wird einem, wenn man es eilig hat, in der MET der Don Giovanni vorgeführt. Kundenfreundlicher geht es nicht.

19109 P1030359 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgHoffentlich geht da bald die Freiheit nicht verloren. Das wäre wichtig.

19109 P1030472 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgNicht nur alle Dächer, auch sonst scheint alles weiß zu sein auf den Bermuda-Inseln.

19109 P1030592 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgSanto Domingo: Die älteste Kathedrale Amerikas (1521) und am Platz davor der wegweisende, metallene Columbus stechen
mit ergreifender Ausstrahlung alles andere in der neuen Welt aus.

19109 P1030685 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgAuf Puerto Rico: das spanische Castillio San Felipe del Morro, über Jahrhunderte ein grauenhaftes, europäisches Schlachtfeld.

19109 P1030765 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgAußerhalb des Urwalds von Dominica zeigen sich in botanschen Gärten stolze, massive Palmen-Gewächse, und auch ...

19109 P1030781 Foto Dr Friedrich Egon Auer Augsburg... der berühmte „Banyan Dominica”: wenn genug Platz ist, geizt er nicht mit verschränkt und miteinander tanzenden Luftwurzeln.

19109 P1030887 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgNoch ein letzter Blick auf unserer letzten Antilleninsel, am Strand von Barbados.

19109 P1030934 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgGran Canaria, Las Palmas; am Plaza del Pilar Nuevo trifft man sich auf dem Kunst- und Kulturmarkt.

19109 P1030962 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgWir steuern den Hafen von Funchal an, die Hauptstadt von Madeira.

19109 P1040013 Foto Dr Friedrich Egon Auer Augsburg„Nossa Senhora do Monte”, die Wallfahrtskirche oberhalb von Funchal.

19109 P1040015 Foto Dr Friedrich Egon Auer AugsburgKaiser Karl I von Österreich wurde nach seinem Tod 1922 in der Wallfahrtskirche do Monte oberhalb von Funchal begraben. Seit 1971 liegt sein Herz in der Loretokapelle im Kloster Muri (Schweiz), einer Grabesstätte der Habsburger Familie.
2004 wurde er vom Papst selig gesprochen.