SeereisenMagazin Logo klein 347 65FLIEGENDE PINGUINE · AUSGABE 1/2019hr

19115 02 Bowspirit Kids Group Logo with white background Bow Spirit Kids GroupDer fliegende Pinguin „Bowie” ist das Maskottchen der Bowspirit Kids Group. Foto: Bowspirit Kids Group, Lübeck

Kai Ortel

Bowspirit Kids Group
  Lübecker Start-Up möchte mit Fährschiff schwimmendes Freizeit- und Erholungscamp ins Leben rufen

Die Idee ist so einfach wie schön: Ein schwimmendes Freizeit- und Erholungscamp für kranke und traumatisierte Kinder. Ein Schiff, das außerdem für maritime Abenteuer- und Erlebnispädagogik zum Erforschen der Meere zur Verfügung steht. Die deutsche Bowspirit Kids Group will genau diesen Ort schaffen – einen Ort, an dem kranke und traumatisierte Kinder Erholung finden und wo der Ernst der Krankheit und die Sorgen der Familie und Freunde für einige Zeit vergessen werden können. „Kindertränen in Freudentränen” verwandeln, lautet so auch deren Motto.
Zu diesem Zweck wurde die Bowspirit Kids Group im Frühjahr 2018 in Lübeck gegründet. Der Aktivitätsschwerpunkt der Gruppe liegt in der Schaffung eines maritimen Freizeit- und Erholungscamps für kranke und traumatisierte Kinder und deren Geschwisterkinder, die Spaß und Abwechslung von ihrer Krankheit erfahren sollen. Hierzu will sich das Start-Up die Mobilität eines Passagierfährschiffes zunutze machen, um auch außerhalb des vorgesehenen Basishafens operieren zu können und so die Bowspirit Kids Group und ihre Arbeit weltweit vorzustellen.
Die Gruppe besteht aus zwei Gesellschaften – der Bowspirit Kids gemeinnützige GmbH – www.bowspirit-kids.org – und der kommerziell geführten Bowspirit Management GmbH – www.bowspirit-management.com –, welche gesellschaftsrechtlich so miteinander verflochten wurden, dass erwirtschaftete Gewinne nicht an Gesellschafter ausgekehrt werden können, sondern der übergeordneten gemeinnützigen Zielsetzung zugeführt werden. Der Namen „Bowspirit” ist dabei eine Abwandlung des englischen Bowsprit (deutsch Bugspriet), jenem über den Vorsteven klassischer Segelschiffe hinausragenden, fest mit dem Rumpf verbundenen Rundholz, an das mitunter noch der Klüverbaum angeschlagen ist. Der Bugspriet und mit ihm das Vorschiff unmittelbar hinter ihm ist die eigentliche „Spitze” eines Schiffes; wer einmal dort gestanden hat, weiß, dass hier eine ganz besondere Atmosphäre herrscht, ein besonderer „Spirit”. Der Blockbuster „TITANIC” mit Leonardo di Caprio und Kate Winslet wäre ohne die Schlüsselszene am Bug des Liners nicht denkbar, doch auch auf modernen Kreuzfahrtschiffen wie der AIDAperla (und natürlich älteren wie der NORDSTJERNEN) werden zunehmend Möglichleiten geschaffen, den Passagieren diesen „magischen” Ort zugänglich zu machen.
Maskottchen der Bowspirit Kids Group ist „Bowie”, ein fliegender Pinguin mit einem Pflaster auf dem Bauch. Was zuerst wie ein Ding der Unmöglichkeit anmutet (schließlich können Pinguine nicht fliegen), gehört zum Konzept, denn Bowie steht symbolisch für jedes Bowspirit Kid, das an Bord zu Gast sein soll und das trotz oder gerade wegen des individuell Erlebten wieder aufrecht in eine selbstbestimmte Zukunft gehen soll. „Wir bringen Pinguine zum Fliegen” ist daher ein weiteres Motto der Gesellschaft.
Konkret beabsichtigt die Bowspirit Kids Group, ihre Aktivitäten nicht allein auf klassische Spenden zu stützen, sondern finanzielle Ressourcen auch durch Social Events und Businesspatenschaften einzuwerben. In Abhängigkeit vom laufenden Spendenvolumen bzw. den Einnahmen aus kommerziellen Support-Aktivitäten sind in den kommenden Jahren Seereisen zu verschiedenen weltweiten Einsatzorten vorgesehen, um die Bowspirit Kids Group und ihre Arbeit dort vorzustellen und weitere Projekte unter dem Leitgedanken „Erholung von der Krankheit” zu initiieren. Der Besuch an den Einsatzorten soll jeweils auch ausreichend Zeit für örtliche Begegnungen, Schnupperaufenthalte und pädagogische Abenteuercamps bieten.
Mitinitiator und Geschäftsführer von Bowspirit Kids ist Michael Speckenbach, ehemaliger Verbandsjurist und Rechtsanwalt sowie Strategie- und Kommunikationsberater für die Fähr- und RoRo-Industrie. Ihm zur Seite steht ein Ko-Initiator, der unter dem Namen „Der Alte” zunächst anonym bleiben will, aber ebenfalls über ein profundes Wissen rund um die Themen Schiffsmanagement und Sicherheit auf See verfügt. Diesem Team steht ein vierköpfiges Kuratorium zur Seite, das sich aus einer Heilpraktikerin (Renate Schönbohm), einem Logistiker (Ingo Kock), einem Professor der Augenheilkunde (Prof. Dr. Salvatore Grisanti) und einer Grafikdesignerin (Elke Thompson) zusammensetzt.
Den tatsächlichen Start der Aktivitäten der Bowspirit Kids Group markierte im vierten Quartal 2018 die Aktion „Die größte schwimmende Pinnwand der Welt”. Gleichzeitig bedeutete dieses Projekt den Beginn der Crowdfundraising-Phase, an deren Ende die Gesellschaft ein älteres Passagierfährschiff erwerben möchte, um es in Eigenregie zu betreiben. „Wir wollten die Freude am Helfen mit einer erreichbaren Herausforderung verknüpfen”, so Michael Speckenbach. Auf diese Weise entstand die Idee zur „größten schwimmenden Pinnwand der Welt” – nicht etwa eine Korktafel mit Pins auf einem kleinen Boot, sondern die Bordwand eines echten, großen Seeschiffes. Um dies zu erreichen, muss zunächst eine virtuelle Bordwand auf der Website der Bowspirit Kids Group mit (kostenpflichtigen) Einträgen gefüllt werden. Diese sollen helfen, im weiteren Verlauf den geplanten Kauf des Fährschiffes mitzufinanzieren. Jeder Eintrag auf der virtuellen Pinnwand wird bei Erfolg der Aktion mittels einer bedruckten Folie auf die Bordwand des echten Schiffes übertragen. In der Seeschifffahrt ist diese Technik als Korrosionsschutz und zur Anbringung großer Werbebotschaften schon lange etabliert. Jeder kann bei der Aktion mit einem individuellen Text, Gruß, einer Grafik oder einem Foto mitmachen, außerdem zeigt ein Rechner an, wie groß der Fundraising-Beitrag für den jeweiligen Eintrag ist. Darüber hinaus ist es seit Mitte Dezember auch möglich, die Bowspirit Kids Group über globale Spendenplattformen wie www.betterplace.org und www.gofundme.com zu unterstützen.
Ziel der Kampagne ist es, bis zum Frühsommer 2019 die virtuelle Bordwand so gefüllt zu haben, dass die Gesellschaft in die konkrete Umsetzung ihres Projekts einsteigen kann. Und auch die dürfte eine Herausforderung werden. Denn ein Fährschiff muss die Bowspirit Kids Group erst noch finden (und kaufen). Zwar wirbt die Gesellschaft mit der Zeichnung einer fiktiven MARY POPPINS, die stark an die 1974/75 in Lübeck gebauten TT-Line-Fährschiffe PETER PAN und NILS HOLGERSSON erinnert. Doch erstere ist bereits 2010 verschrottet worden, und letztere liegt, unter dem Namen THEOFILOS, seit über fünf Jahren mehr oder weniger vernachlässigt, in Piräus auf. Andere geeignete Schiffe ähnlichen Jahrgangs sind zwar durchaus auch in der Ostsee noch in Fahrt, werden jedoch mit zunehmendem Alter nicht günstiger im Unterhalt. Doch wenn alles klappt, könnte die Bowspirit Kids Group nicht nur eine Marktlücke schließen, sondern tatsächlich Neuland betreten. Denn während Mercy Ships mit der AFRICA MERCY (der ehemaligen DSB-Fähre DRONNING INGRID) ein reines Hospitalschiff und OM Ships mit der LOGOS HOPE (einer weiteren ehemaligen Ostseefähre) christliche Missionsarbeit betreibt, setzten Peace Boat und Semester at Sea ihre OCEAN DREAM (das ehemalige Carnival-Kreuzfahrtschiff TROPICALE) bzw. WORLD ODYSSEY (Phoenix Reisen’s DEUTSCHLAND) auf Weltreisen für überwiegend gut betuchte Studenten ein. Sollten Sie in einem oder zwei Jahren dagegen an der deutschen Ostseeküste einer MARY POPPINS begegnen, könnte sie voller „fliegender Pinguine” sein – Kindern, denen das Schiff nach überstandener Krankheit oder Operation neue Hoffnung gibt.
www.bowspirit-kids-group.org/de

19115 09 MARY POPPINS Die groesste schwimmende Pinnwand der Welt Bow Spirit Kids GroupSeit dem Herbst 2018 sammelt die Bowspirit Kids Group Gelder mithilfe einer virtuellen Pinnwand in Form der geplanten MARY POPPINS. Foto: Bowspirit Kids Group, Lübeck

19115 05 Africa Mercy Mercy ShipsDie AFRICA MERCY ist seit 2007 als schwimmendes Hospital für die notleidende Bevölkerung Afrikas im Einsatz. www.mercyships.de Foto: Mercy Ships, Landsberg am Lech

19115 07 Ocean Dream Kopenhagen05 2018 Kai OrtelHinter der OCEAN DREAM der japanischen NGO Peace Boat verbirgt sich die ehemalige TROPICALE der Carnival Cruise Line.
Foto: Kai Ortel, Berlin

19115 08 Deutschland Kieler Foerde40 2018 Kai OrtelDie DEUTSCHLAND ist im Sommer ein bekannter Anblick in Nord- und Ostsee. In der Nebensaison verkehrt sie als schwimmende Universität WORLD ODYSSEY. Foto: Kai Ortel, Berlin