Ausgabe5-2013 

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 Die stilechte Unterkunft im Lappland-Urlaub: Eine Blockhütte am See mit Sauna und Terrasse, hier in Rukan Salonki.

Die stilechte Unterkunft im Lappland-Urlaub: Eine Blockhütte am See mit Sauna und Terrasse, hier in Rukan Salonki.

   

Thomas Meins

Sommer in Finnisch-Lappland – Weiße Nächte und wilde Bären

Finnland ist in den Sommermonaten fester Programmpunkt vieler Ostsee-Kreuzfahrten. Zu sehen bekommen die Passagiere bei einem Landgang in der Regel kaum mehr als Helsinki und Umgebung. Einige Schiffe laufen aber nicht nur die finnische Hauptstadt an, sondern auch das lappländische Kemi. Von der schmucklosen Industriestadt geht’s dann per Bus etwa 120 Kilometer weiter nordöstlich nach Rovaniemi. Die Hauptstadt der finnischen Provinz Lappland ist eingebettet in eine Wasser-, Wald- und Tundralandschaft und weckt schon beim ersten Blick die Sehnsucht nach endloser nordischer Weite. Weltberühmt ist Rovaniemi vor allem als Heimat des Weihnachtsmannes. Kreuzfahrer auf Landgang haben eine gute Chance, den alten Rauschebart in Rovaniemi zu treffen, auch im Hochsommer. Das gehört ebenso wie der Besuch einer Rentierfarm zum Pflichtprogramm bei einem Ausflug nach Lappland. Von der grandiosen lappländischen Natur bekommen die Tagesgäste allenfalls eine Ahnung. Was da am Busfenster vorbeizieht, ist die größte unberührte Wildnis Europas. Bären, Elche und Wölfe streifen durch tiefe Wälder, ungezähmte Flüsse rauschen durch Schluchten, stille Seen dehnen sich bis zum Horizont. Und darüber spannt sich ein klarer Himmel, an dem im Sommer die Sonne nie untergeht.

Lappland ist grün. Im Frühsommer explodiert die Landschaft am Polarkreis in einer Orgie aus allen möglichen Grüntönen. Birken und Nadelwälder schlagen aus, im Unterholz sprießen Sträucher und Blumen, und wo das Land nicht von Bäumen bedeckt ist, schillern Moose und Flechten von sattgrün bis grüngelb. Die Flora nutzt jeden Sonnenstrahl des kurzen subarktischen Sommers. Im Juni und Juli steht die Sonne auch um Mitternacht noch über dem Horizont. Das ist die Zeit der weißen Nächte. In den Nachtstunden fällt eine leichte Dämmerung über das Land, aber dunkel wird es nie. Die belebenden Grüntöne und die ewige Sonne lassen weder die Besucher noch die Finnen an Schlaf denken. Wer müde wird, geht einfach in die Sauna, springt anschließend in den nächsten sehr kühlen See und setzt sich zum Mitternachtsmahl mit Wodka ans Lagerfeuer. Im Seita Forest Spa bei Kuusamo lässt sich nicht nur die finnische Saunakultur hautnah erleben. In einer rustikalen Hütte an einem kleinen See sind Finnen-Sauna, Rauchsauna und Dampfsauna untergebracht. Wer nach Saunagang und Essen entspannen möchte, legt sich ins nachtschwarze Rundzelt und lauscht den Klängen und Erzählungen einer Schamanin.

In Lappland ist der Schamanismus mehr als touristisch zelebrierte Folklore. Schamanen gelten bei vielen Einheimischen wie vor Jahrhunderten als Heiler und Seelen-Experten – und sie predigen ein Leben im spirituellen Einklang mit der Natur. Angesichts einer Wildnis, die größer ist als die Benelux-Staaten und in der nicht mehr als 200.000 Menschen leben, eine naheliegende philosophische Leitlinie. Schamanen sind auch der Überzeugung, der Mensch stamme vom Bären ab. Ein befremdlicher Gedanke, aber in den Wäldern Lapplands wimmelt es von Braunbären. Betrachtet man das größte europäische Landraubtier als Verwandten, begegnet man dem Tier vielleicht eher mit dem gebotenen Respekt.

Begegnungen mit Braunbären sind die Spezialität von Tuomo Pirttima. Der drahtige Mittdreißiger, Typ Crocodile Dundee, führt Touristen von Mai bis August auf Bärensafaris. Dabei wird nur geknipst, nicht geschossen. Tuomo betreibt den nördlichsten Spotting Point für Braunbären in Finnland. Der Beobachtungspunkt ist nichts weiter als eine einfache Bretterbude mit Sehschlitzen. Sie steht an einer Lichtung gut 150 Kilometer östlich von Rovaniemi nahe der russischen Grenze. Braunbären in freier Natur zu sehen, ist ein überwältigendes Erlebnis. Manchmal sind es nur zwei oder drei Bären, die sich aus der Deckung trauen und sich an Tuomos Köder, ein halbes Schwein oder einen Riesenlachs, gütlich tun. Wer Glück hat, sieht die Tiere gleich rudelweise und wie sie sich um die Beute balgen, ihre Rivalen vertreiben oder ihre Jungen verteidigen. In der schmalen Hütte ist es mucksmäuschenstill, das kleinste Geräusch würde die Bären vertreiben. Denn keine 50 Meter entfernt, nur durch dünne Holzlatten getrennt, fressen, brüllen und kämpfen die Giganten, die aufgerichtet bis zu drei Meter groß sind. Die Safariteilnehmer können die Hütte erst wieder verlassen, wenn die Bären abgezogen sind. Das kann Stunden dauern, aber es ist jede Minute wert.

Etwa 1.400 Braunbären leben in den Wäldern Lapplands. Nach dem Winterschlaf fressen sie sich Speck für den anstrengenden Sommer an, für die Paarung und die Revierkämpfe.

 

Auf dem Speiseplan stehen nicht nur Flechten, Beeren und Blätter, sondern auch Rentiere und Elche, beides in Hülle und Fülle vorhanden in Lappland. Bei der Ernährung herrscht Einigkeit zwischen Mensch und Bär. Auch in der lappländischen Küche spielen Rentier und Elch eine entscheidende Rolle, etwa als Schinken, Wurst oder Rentierkäse. Beliebte Hausmannskost ist die Rentiersuppe, eine nahrhafte Mischung aus Fleisch, Kartoffeln und Möhren. Beim Picknick grillen die Finnen gern Elchburger oder knallrote Rentierwürstchen überm Feuer.

Raffiniertere Varianten der regionalen Küche bereitet Jarmo Pitikänen zu. Ein paar Kilometer südöstlich von Ruka, in den Hügeln des Ruukinvaara, betreibt Jarmo ein Gourmetrestaurant mit Kochschule. Mitten in der Wildnis, in völliger Einsamkeit, lebt er mit Frau und fünf Kindern auf einem alten Hof. Sein Restaurant „Tundra” residiert im ersten Stock eines Neubaus: eine offene Küche, ein kleiner Gastraum, nordisch stilvoll eingerichtet. Aber wer verirrt sich in dieser Ödnis für ein Drei-Gänge-Menü? Vor allem im Winter, sagt Jarmo, sei seine Hütte voll. Wenn im benachbarten Kuusamo Ski- und damit Hochsaison ist, rappelt's auch im Tundra. Sogar per Privatmaschine fliegen die Gourmets ein, entweder zu einem exklusiven Menü oder einem mehrtägigen Kochkurs.

Pitikänen hat als Chefkoch auf fünf Kontinenten gearbeitet und sich vor ein paar Jahren wieder in seiner Heimat Lappland niedergelassen. Seither verfeinert er den „Geschmack der Wildnis”: Im Tundra verarbeitet er Fisch aus dem eigenen See, Wild aus den umliegenden Wäldern, Wildkräuter, Beeren und sogar junge Kieferntriebe. In seinem Garten und in einem Minigewächshaus zieht er Gemüse, Kartoffeln und Salat,  exotische arktische Kräuter und eher südliche Gewächse wie Koriander. Und für seine verwöhnten Gäste hält er auch schon mal Zutaten wie Hummer, Kaviar und Foie Gras bereit, die natürlich nordisch zubereitet werden. Jarmo hat sich bestens an die Extreme der lappländischen Jahreszeiten angepasst. An den langen Sommertagen, wenn wenige Gäste kommen, sitzt er in seiner Töpferwerkstatt und formt skandinavisch schlichte, aber edle Servicekollektionen, auf denen er im Winter seine Menüs serviert.

Eine halbe Autostunde nördlich vom Tundra liegt der Oulanka Nationalpark. Hier zieht's Wanderer auf die mehrtägige „Bärenrunde” durch dichten Urwald, sanfte Täler, vorbei an rauschenden Wasserläufen und über Klippen und Hängebrücken. Die Stromschnellen des Kitkajoki lassen sich bei einer 20 Kilometer langen Raftingtour vom Wassersportcamp in Juuma bis zur russischen Grenze erkunden. Aber nur unter professioneller Anleitung, der schäumende Mittellauf des Flusses wird ohne Ortskenntnis und die richtige Ausrüstung schnell zur Falle. Wer das feuchte Abenteuer scheut, kann sich dafür an den 600 Meter langen Stromschnellen an der Kiutaköngäs-Schlucht sattsehen, nur einen Kilometer vom Besucherzentrum des Parks entfernt. Dort betreibt Jukka „Susi” Nordman ein Café, auf Wunsch serviert er Kaffee und Rentiersuppe auch am offenen Feuer direkt an der Schlucht. Café und Bootsverleih sind Susis Sommergeschäft, im Winter ziehen seine 200 Huskies Touristen auf Hundeschlitten durch den Park.

Auch der Weihnachtsmann ist in Lappland das ganze Jahr über im Geschäft. In Rovaniemi residiert er im Santa Village. Das Show-Dorf an der E 75 lockt ganzjährig mit Souvenirläden, einem Rentiergehege, einer Poststube und dem Blockhaus des Weihnachtsmannes. Beliebtes Mitbringsel der Lappland-Touristen: ein Foto mit Santa Claus und eine Urkunde, die den Polarkreis-Übertritt bestätigt. Der Weihnachtsmann hat außerdem noch ein Büro im Santa Park ein paar Kilometer weiter und 50 Meter tief in einem Berg versteckt. Ein ehemaliger Atomschutzbunker dient als unterirdischer Vergnügungspark mit Eisbar, Restaurants, Shopping-Mall, Fahrgeschäften und Spielzeugwerkstatt. Wenn sich im lappländischen Winter 50 Tage lang die Sonne nicht sehen lässt, sicher eine Option, um sich aufzuwärmen.

Lappland ist mehr als einen Tagesausflug wert. Ein längerer Trip in den hohen Norden Finnlands lässt sich mühelos mit einer Fähr- oder Kreuzfahrt nach Helsinki verbinden. Rovaniemi wird täglich von Helsinki aus angeflogen. Der Flughafen liegt, wie fast alles in Rovaniemi, direkt am Polarkreis. Die einzige Start- und Landebahn ist eine betongraue Schneise inmitten eines grünen Universums: Bäume, Bäume, Bäume soweit das Auge reicht.

Mehr Reise-Informationen über Lappland gibt es unter www.onlyinlapland.com, der offiziellen Tourismus-Seite der Provinz.

Die Stromschnellen in der Kiutaköngäs-Schlucht sind eine der Hauptattraktionen im Oulanka Nationalpark.

Die Stromschnellen in der Kiutaköngäs-Schlucht sind eine der Hauptattraktionen im Oulanka Nationalpark.

Der Oulanka Nationalpark besteht seit 1956 und dehnt sich hufeisenförmg bis zur russischen Grenze aus. Zu seinen Bewohnern gehören Elche, Bären, Wölfe ...

Der Oulanka Nationalpark besteht seit 1956 und dehnt sich hufeisenförmg bis zur russischen Grenze aus. Zu seinen Bewohnern gehören Elche, Bären, Wölfe ...

 

... Adler und Schneehasen. Nichts für Anfänger: Die Stromschnellen des Kitkajoki sind gefährlich.

... Adler und Schneehasen. Nichts für Anfänger: Die Stromschnellen des Kitkajoki sind gefährlich.

Rafting im Oulanka Nationalpark erfordert Ortskenntnis und Ausdauer. Eine Tour von Juuma bis zur russischen Grenze dauert bis zu sechs wilde Stunden.Rafting im Oulanka Nationalpark erfordert Ortskenntnis und Ausdauer. Eine Tour von Juuma bis zur russischen Grenze dauert bis zu sechs wilde Stunden.

 

Picknick in der Wildnis: Rafting ist anstrengend – der Guide serviert in der Pause Elchburger über offenem Feuer.

Picknick in der Wildnis: Rafting ist anstrengend – der Guide serviert in der Pause Elchburger über offenem Feuer.

Picknick in der Wildnis: Rafting ist anstrengend – der Guide serviert in der Pause Elchburger über offenem Feuer.

Tundra-Küchenchef Jarmo Pitkänen baut viele seiner
Zutaten für seine nordischen Kreationen im eigenen ...

... Garten und Gewächshaus an. Der erste Gang im Tundra, von den Kochschülern zubereitet: Marinierter Lachs, Kitkafingers, geräucherter Barsch.

... Garten und Gewächshaus an. Der erste Gang im Tundra, von den Kochschülern zubereitet: Marinierter Lachs, Kitkafingers, geräucherter Barsch.

Die größte Gefahr geht auf lappländischen Straßen nicht von Rasern aus, sondern von Rentieren, mit denen Autofahrer praktisch überall rechnen müssen.Die größte Gefahr geht auf lappländischen Straßen nicht von Rasern aus, sondern von Rentieren, mit denen Autofahrer praktisch überall rechnen müssen.

Auch das Fleisch der Rentiere landet auf dem Tisch – als Braten, Wurst oder Beilage in der Suppe.

Auch das Fleisch der Rentiere landet auf dem Tisch – als Braten, Wurst oder Beilage in der Suppe.

Von Mai bis August ist die beste Zeit, um in Lappland Braunbären zu beobachten.

Von Mai bis August ist die beste Zeit, um in Lappland Braunbären zu beobachten.

In Lappland leben etwa 240.000 Rentiere – mehr als Menschen. Im Winter werden die halbwilden Tiere zusammengetrieben, einige Rentierfarmer produzieren sogar Rentiermilch und -käse.In Lappland leben etwa 240.000 Rentiere – mehr als Menschen. Im Winter werden die halbwilden Tiere zusammengetrieben, einige Rentierfarmer produzieren sogar Rentiermilch und -käse.

 

Jukka „Susi” Nordman züchtet auf seiner Farm Erä-Susi Huskies. Im Winter geht er mit seinen 200 Schlittenhunden auf Safari durch das verschneite Lappland.

Jukka „Susi Nordman züchtet auf seiner Farm Erä-Susi Huskies. Im Winter geht er mit seinen 200 Schlittenhunden auf Safari durch das verschneite Lappland.

Exklusiv und abgeschieden, aber bodenständig: Das Seita Forest Spa bei Kuusamo bietet traditionelle Saunakultur in rustikalen Hütten und viel Platz zur Entspannung. Auf Wunsch werden auch Speisen und Getränke aufgefahren. Besuch nur auf Voranmeldung, feste Öffnungszeiten gibt es nicht.Exklusiv und abgeschieden, aber bodenständig: Das Seita Forest Spa bei Kuusamo bietet traditionelle Saunakultur in rustikalen Hütten und viel Platz zur Entspannung. Auf Wunsch werden auch Speisen und Getränke aufgefahren. Besuch nur auf Voranmeldung, feste Öffnungszeiten gibt es nicht.

 

Bis hierher und nicht weiter: Der Oulanka Nationalpark grenzt unmittelbar an Russland. Für Menschen ist die Grenzzone tabu, aber Bären wechseln munter hin und her über die grüne Grenze.

Bis hierher und nicht weiter: Der Oulanka Nationalpark grenzt unmittelbar an Russland. Für Menschen ist die Grenzzone tabu, aber Bären wechseln munter hin und her über die grüne Grenze.

Auch der Weihnachtsmann macht mal Pause: Das unterirdische Büro von Santa Claus im Santa Park. Im

Santa Park gibt’s auch gute Gaben für Erwachsene ...Auch der Weihnachtsmann macht mal Pause: Das unterirdische Büro von Santa Claus im Santa Park. Im

Santa Park gibt’s auch gute Gaben für Erwachsene ...

... die Eisprinzessin schenkt in der Eisbar leckeren Wodka aus.

... die Eisprinzessin schenkt in der Eisbar leckeren Wodka aus.

 Die lappländische Hauptstadt Rovaniemi hat nur rund 35.000 Einwohner, zählt aber flächenmäßig zu einer der größten Städte der Welt.

Die lappländische Hauptstadt Rovaniemi hat nur rund 35.000 Einwohner, zählt aber flächenmäßig zu einer der größten Städte der Welt.

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