Veus  

VEUS-LOG-Schriftzug

Offizielles Organ der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten

Dipl.-Ing. Peter Pospiech

1. Vorsitzender der VEUS und

Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin

Telefon +49-49 52-82 69 087

Mobil +49-1 71-62 90 729

pospiechp@googlemail.com

  Foto: Peter Pospiech, Rhauderfehn 
hr

   Das Wetter kann einem auch einen Strich durch die Rechnung machen.

Das Wetter kann einem auch einen Strich durch die Rechnung machen.

Ins Herz von Brasilien − Traum von einer Frachterreise?

Vom herben Spezialisten-Alltag beim Bewerkstelligen einer Reportagereise

Eigentlich sollte eine Reportage diese Überschrift tragen, doch es kam alles ganz anders. Seine ganz persönlichen Erfahrungen hat hier Dr. Peer Schmidt-Walther zu Papier gebracht.

 

„Wir liegen gut im Rennen”, hört man’s vom anderen Ende der Leitung – und ist erleichtert. Das „date” für den übernächsten Tag klappt also. Welch freudige Überraschung am Flughafen von Fort-de-France, der Inselhauptstadt von Martinique: Hinter der Barriere hält jemand ein Schild mit deinem Namen hoch. Na bitte, das Fax und du – beides angekommen. Begrüßung, breites Lächeln. Aber dann die andere Überraschung: „Das Schiff ist noch nicht im Hafen”. Ein heißer Schock bei 31 Grad! Gérard, der Taxifahrer, wedelt mit einem Stück Papier. Zum Kühlen? Es ist eine Mail vom deutschen Containerfrachter an den französischen Hafenagenten: Man treibe vor Trinidad und bedauere den Maschinenschaden. Ein Techniker samt neuem Regler für die Hauptmaschine werde aus Europa erwartet.

Kaum angekommen, schon gestrandet. Aber keine Panik, der rührige Antillen-Agent der deutschen Reederei hat bereits für Taxi und Hotel gesorgt. Welcher Spruch fällt einem dazu ein? Na klar: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Da helfen nur Galgenhumor und cool bleiben. Man hat kapiert: Auch ein „Fahrplan-Schiff” ist vor Pannen nicht gefeit. Dieses Risiko trägt der Passagier im Gepäck.

 

Kein Schiff wird kommen ...

Statt sich am heißen Karibikstrand zu aalen, hockt man air-condition-unterkühlt im Hotelzimmer, grübelt hin und her und lauert auf einen Anruf. Kein Schwein ruft mich ... doch: Prompt bimmelt es. Aber: Kein Schiff wird kommen, weiß der Agent nach einer Mail-Kanonade. Obwohl er Wichtigeres zu tun habe, lässt er Mitgefühl durchblicken. Amazonas passé? Sieht fast so aus. Den letzten Stand der Dinge müsste die Reederei in Deutschland wissen. Tut sie: Das Schiff liege in Warteposition und man müsse abwarten. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Die für Martinique bestimmten Container werde später ein anderer Frachter übernehmen. Aber nur wenn dieser und ein weiterer Hafen ausgespart würden, könne der Fahrplan aufrecht erhalten bleiben.

Bleibt noch eine Chance? Rückfragen beim Agenten, wie es mit Flügen nach Port of Spain stehe. Tja, Freitagmittag ginge einer – allerdings nur bis Santa Lucia. Von dort ab erst nach zwölf Stunden weiter, allerdings zunächst mal auf Warteliste. Was tun, wenn man in St. Lucia strandet? Schon jetzt die Notbremse ziehen und den Rückflug antreten? Vorbeugen ist besser. Anfrage bei der Air France in Frankfurt am Main kurz vor Büroschluss, ob in der Abendmaschine von Fort-de-France nach Paris noch Platz sei. Zittern und Bangen, denn Feiertage stehen bevor, und das Spezialticket ist nur an einem bestimmten Datum gültig. Das fällt mit der (bis dahin noch fahrplanmäßigen) Rückkehr in vier Wochen vom Amazonas nach Martinique zusammen.

 

Cool bleiben, Junge ...!

Glück, ein paar „gute Drähte” und Flexibilität spielen − Gott sei Dank! − mit: Die

Umbuchung klappt per Computerbefehl aus der deutschen Airline-Zentrale. Ein Platz ist auch sicher. Wie der Spatz in der Hand. Air France hat den Flexibilitätstest mit Bravour bestanden. Und die Sonne lacht dazu vom blauen Himmel. Noch sind ein paar Stunden Zeit. Cool bleiben, Junge. Vielleicht zur Abkühlung ein Bad im Penthouse-Pool mit Fernblick zu den Traumgestaden? Erst die Pflicht. Auf dem Merkzettel ist noch eine Frage offen: Warteliste Trinidad – Veränderungen? Lange Mittagspause im Reisebüro. Carpe diem, nutze den Tag. Telefonischer Lagebericht vom Kapitän. Das Schiff ankert in starkem Schwell vor Port of Spain. Im Laufe des Tages soll die Maschine repariert werden. Keine Ahnung, wann der Dampfer im Hafen festmacht. Ich hingegen könnte erst gegen 23 Uhr dort sein – vorausgesetzt,

 

der „Inselhüpfer” von St. Lucia nimmt mich mit. Die letzte Auskunft „steht” eisern: Warteliste. Na gut, mit dem Zusatz „priority – Vorrang”. Das wäre jetzt die Taube auf dem Dach. „Vielleicht werden Sie noch von den Immigration-Leuten festgehalten, stehen dann glücklich am Kai, und wir sind längst weg”, dämpft der Kapitän den allerletzten Hoffnungsschimmer. Er hat ja recht: Vorfahrt hat nun mal die Containerfracht, denn time is money. Davon lebt jede Reederei wie jedes Unternehmen. Betriebswirtschaft hautnah.

 

Anzeige Zylmann

 

Vielleicht ließen sich noch ein paar Badetage rausschlagen, schweifen die Überlegungen ab. Damit nicht alles völlig umsonst war. Aber: traumhafte Preise – nein, danke. Damit ist der Möchtegern-Individualreisende sofort wieder auf dem Teppich. Erschwingliches gibt’s anscheinend nur im Pauschalpaket.

Im Kopf spult derweil ein Zeitrafferfilm ab: Gestrandet – Schiffbruch vor einer Frachterreise ... Wie hatte doch der Witzbold von Kapitän gleich gesagt: „Für Sie hat das Amazonas-Abenteuer schon begonnen. Fortsetzung folgt demnächst”. Noch einmal Vorfreude, wie schön. So wendet sich die karibische Kurzgeschichte gar ins Positive. Richtig ärgerlich wird’s erst auf der Rückfahrt vom Flughafen nach Hause im 90-Kilometer-Autobahn-Feiertagsstau.

Und dann die „Nachricht der Woche’ vom fürsorglichen Agenten – lieb von ihm – aus Martinique: „Dringend! Müssen Ihnen mitteilen, daß das Schiff nicht Fort-de-France anläuft. Es treibt mit Maschinenschaden vor Trinidad”. Da bin ich (gerade von Paris aus) in die Luft gegangen. Handy – natürlich flugsicherheitsbedingt – ausgeschaltet.

Vom Kapitän kommt – während meine Frau und ich die glückliche Heimkehr nach kurzer Langstreckenreise feiern, eine „Solidaritäts”-SMS: „Wir sehen uns unter einem günstigeren Stern!” Die Transatlantik-Strapazen sind wie verflogen. Wer will da noch behaupten, dass außer Spesen nichts gewesen sei?

Sicheres Fazit des Drei-Tage-Ausfluges: eine nicht ganz preiswerte, dafür umso spannendere karibische Nullrunde.  PSW

hr
Die 1965 gebaute MARCO POLO, hier im Frühjahr 2014 in Bergen, ist die letzte in Fahrt verbliebene Einheit einer Baureihe von fünf Passagierschiffen für sowjetische Rechnung.
Die 1965 gebaute MARCO POLO, hier im Frühjahr 2014 in Bergen, ist die letzte in Fahrt verbliebene Einheit einer Baureihe von fünf Passagierschiffen für sowjetische Rechnung.

  

Oldies but Goldies?

Ältere Kreuzfahrtschiffe sind auf der schwierigen Suche nach einer Nische neben den etablierten Reedereien. Die Oldtimer unter den Kreuzfahrtschiffen bekommen in vielen Häfen mehr Aufmerksamkeit als so mancher der neuen Mega-Liner, mit denen sich die großen Kreuzfahrtreedereien mittlerweile fast im Vierteljahresrhythmus gegenseitig zu übertrumpfen versuchen. Und doch haben es ältere Kreuzfahrtschiffe zunehmend schwer auf einem Markt, der von einem gnadenlosen Preiskampf auf der einen und einem immer größeren Bordangebot auf der anderen Seite bestimmt wird.

Und wie alt ist eigentlich alt? Douglas Ward schreibt in der neuesten Ausgabe seines Standardwerkes Berlitz Cruising and Cruise Ships: „Jedes Schiff, das vor 1990 gebaut wurde, kann als alt betrachtet werden”. Das mag aus Marketing-Gesichtspunkten stimmen, doch aus technischer Sicht ergibt sich ein anderes Bild. Denn im Gegensatz zu Fähren und Frachtschiffen verbringen Kreuzfahrtschiffe mitunter die Hälfte ihres Schiffslebens (nämlich die Tagesstunden, während der die Passagiere auf Landausflug sind) am Kai und haben aufgrund der damit verbundenen geringeren Beanspruchung oftmals eine weitaus längere Lebenserwartung als „normale” Handelsschiffe. So lag dann auch das Durchschnittsalter der 2013 verschrotteten Kreuzfahrtschiffe bei 39 Jahren und 2012 bei 47 Jahren. So richtig „alt” im Sinne von „reif für den Schiffsfriedhof” sind die meisten Kreuzfahrtschiffe also erst ab einem Alter von ungefähr 40 Jahren.

Anfang 2014 zählte die über 400 Einheiten starke Flotte aktiver Hochsee-Kreuzfahrtschiffe 30 Schiffe, welche zu diesem Zeitpunkt 40 Jahre alt oder älter waren. Doch nicht alle von ihnen waren bei dem Versuch, sich in einer Nische neben den großen Kreuzfahrt-Konzernen zu etablieren, gleich erfolgreich. Und das hatte mitunter ganz verschiedene Gründe. Denn nicht überall, wo man ältere Tonnage preisgünstig erworben hat oder wo längst abgeschriebene Schiffe einfach immer weiter im Dienst bleiben, ist auch der laufende Betrieb günstig – im Gegenteil. Der Treibstoffverbrauch ist im Vergleich zu moderneren Einheiten unverhältnismäßig hoch, Ersatzteile sind schwer zu beschaffen oder müssen als Einzelstücke aufwendig nachproduziert werden, oder es sind die ständigen Renovierungen, die etwaige Profite schnell wieder aufzehren. Eine ganze Reihe älterer Passagierschiffe sind daher am Ende ihrer Karriere nur noch als mehr oder weniger stationäres Kasinoschiff im Einsatz (ORIENTAL DRAGON, MACAU SUCCESS, NEW IMPERIAL STAR) oder fristen ihr Dasein auf Kurzkreuzfahrten mit langsamer Fahrt (BIRGER JARL, GALAPAGOS LEGEND, LOUIS AURA). Auch ist ältere Tonnage anfälliger für spontane Ausfälle oder länger als geplant andauernde Reparaturen, wenn plötzlich technische Defekte auftreten.

Erst Anfang 2014 nahm die Karriere der 1973 als VISTAFJORD gebauten SAGA RUBY ein unrühmliches und abruptes Ende, als das Schiff seine letzte Atlantiküberquerung wegen eines Generatorschadens auf den Kanarischen Inseln absagen musste und auch das heimatliche Southampton am Ende nur mit Verspätung erreichen konnte, da man dem Schiff so kurz vor der Außerdienststellung einen Sturm in der Biskaya nicht mehr zumuten wollte. Siehe auch Verabschiedung der SAGA RUBY Seite 13.

Weniger hart traf es dagegen im März dieses Jahres die AZORES, deren erste Reise für ihren neuen Charterer Ambiente Kreuzfahrten ebenfalls nur mit Verspätung beginnen konnte – die lokale Hafenstadtkontrolle hatte einige technische Details an Bord zu beanstanden.   

Ärgerlicher ist es da schon, wenn aufgrund sich verzögernder Reparaturen eine komplette Saison oder eine ganze Charter abgesagt werden muss. Dies betraf 2013 die norwegische NORDSTJERNEN bzw. 2014 die portugiesischen Schwesterschiffe LISBOA und PRINCESS DAPHNE. Während die LISBOA trotz gestiegener Kosten für ihre Renovierung nun einfach ein Jahr später in Fahrt kommen soll, bedeutete die anderthalbjährige Aufliegezeit ihres Schwesterschiffes PRINCESS DAPHNE im Mai 2014 das Ende für den 1955 gebauten Liner. Dieser Umstand verdeutlicht aber auch, wie viel „Leben” in einem Schiff steckt, wenn es nur Tag für Tag in Betrieb bleibt und entsprechend gepflegt und gewartet wird. Der 1964 gebaute Hurtigruten-Veteran LOFOTEN zum Beispiel beging 2014 sein 50jähriges Dienstjubiläum und dürfte auch in absehbarer Zukunft vorerst nicht durch ein modernes Schiff ersetzt werden, sondern weiter ganzjährig zwischen Bergen und Kirkenes im Einsatz bleiben.

Übrigens dürfen die bisher genannten Beispiele auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Angebot an kleinen alten Kreuzfahrtschiffen mittlerweile arg begrenzt ist. Denn wo man vor 20 Jahren noch auf eine ganze Reihe ausgemusterter ehemaliger Linienpassagierschiffe oder Fähren aus den 1960er oder 1970er Jahren zurückgreifen konnte, ist diese Tonnage mittlerweile praktisch vom Markt verschwunden. „Klassische” Linienpassagierschiffe sind ab den späten 1960er Jahren nicht mehr gebaut worden, und die meisten Nachtfähren waren irgendwann so groß, dass sie sich für einen Umbau zum Kreuzfahrtschiff schlicht nicht mehr eigneten. Wenn also heute noch ältere Second-Hand-Tonnage für einen neuen Eigner oder Charterer in Fahrt gebracht wird, muss das betreffende Schiff daher in der Regel erst noch mit vergleichsweise hohem (zeitlichen) Aufwand an die Bedürfnisse des neuen Besitzers angepasst werden. Der Umbau der 1972 gebauten Ostseefähre ÅLANDSFÄRJAN zur EXPEDITION oder der des 1960 gebauten Hurtigruten-Schiffes HARALD JARL zur ANDREA sind hierfür aufschlussreiche Beispiele.  

Oftmals betreiben die Eigner älterer Kreuzfahrtschiffe auch nur eine oder zwei Einheiten, was sie im Vergleich zu den großen Kreuzfahrtkonzernen auch finanziell benachteiligt. Da nämlich die Verwaltungskosten für eine Reederei mit drei oder vier Schiffen nicht wesentlich höher sind als für eine Reederei mit nur einem Schiff, können erstere schneller einen signifikant höheren Umsatz und Gewinn erzielen, ohne dass zur selben Zeit die Kosten im gleichen Maße steigen. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass Anbieter kleiner älterer Kreuzfahrtschiffe im Gegensatz zu früher nicht einmal mehr beim Reisepreis die Nase vorn gegenüber den Platzhirschen haben – im Gegenteil: Mit ihren effizienten Organisationen an Land und riesigen Flotten auf See können die großen Kreuzfahrtkonzerne viel niedrigere Preise bieten als kleine Nischenanbieter, die ein bestimmtes Preisniveau allein aus Selbstschutz nicht unterbieten können. Außerdem erzielen die großen Reedereien zusätzlich zu den reinen Ticket-Erlösen auf ihren Mega-Linern auch noch enorme Umsätze z. B durch Aufschläge für Spezialitätenrestaurants oder für besondere kostenpflichtige Attraktionen an Bord, was auf kleinen Schiffen nicht möglich ist. Im Gegensatz zu früher, als viele auch ältere Kreuzfahrtschiffe ein Auskommen und damit eine Existenzberechtigung in einem noch im Wachstum befindlichen Markt hatten, wird derselbe Markt heute von großen Kreuzfahrt-Konzernen dominiert, deren Schiffe die Einheiten der weniger finanzkräftigen Konkurrenz nicht nur in Punkto Größe und Bordangebot, sondern auch preislich unpopulär erscheinen lassen. Für den deutschen Markt bedeutet dies z. B., dass sich die kleine OCEAN MAJESTY (eine 1966 gebaute ehemalige Mittelmeerfähre) im August 2014 auf einer siebentägigen Südnorwegen-Kreuzfahrt für 899 € gegen die großen Schiffe von Costa Crociere und Royal Caribbean International behaupten muss, die ähnliche Reisen für 200 € weniger anbieten. Die englische DISCOVERY hingegen wird Ende 2014 außer Dienst gestellt; ihr Eigner kann das 1972 gebaute Schiff einfach nicht mehr profitabel betreiben.

Man muss also schon ein ausgewiesener Fan kleiner alter Passagierschiffe sein, um sich eine Reise wie die o. g. gleich mehrere Hundert Euro mehr kosten zu lassen. Doch zum Glück haben viele Kreuzfahrtschiff-Oldtimer solch eine loyale Kundschaft, die „ihrem” Schiff auch über diverse Namens- und Eignerwechsel hinweg die Treue hält. (Was im Übrigen auch für die Besatzung der Schiffe gilt, wie z. B. die DELPHIN zeigt.) So wurden die Reisen der AZORES 2014 mit erstaunlicher Häufigkeit von Kunden gebucht, die an Bord stolz erzählten, dass sie bereits mit dem Schiff gefahren seien, als dieses in den 1970er Jahren noch den Namen VÖLKERFREUNDSCHAFT trug. Allerdings hat diese Loyalität dort Grenzen, wo ein Schiff im Zuge diverser Umbauten auch seinen Charakter soweit verändert hat, dass das alte Schiff in dem neuen nicht mehr wiederzuerkennen ist. Diese Erfahrung hat zum Beispiel FTI Cruises machen müssen, als die Reederei das ehemalige ZDF-„Traumschiff” BERLIN 2012 mit just diesem Attribut bewarb – nicht ahnend, dass man damit vor allem Enttäuschung darüber produzieren würde, dass das Schiff 30 Jahre nach seinem Traumschiff-Einsatz nirgendwo mehr so aussah wie zu Deilmann-Zeiten. Außerdem wird die Zahl derjenigen Gäste, die noch immer „ihren” Schiffen aus den 1960er und 1970er Jahren die Treue halten, auch nicht unbedingt größer. Haben die kleinen alten Kreuzfahrtschiffe also ihre Fans bald nur noch unter einer kleinen Schar Nostalgiker und Schiffsliebhaber?   

Leider geht es alten Passagierschiffen in dieser Hinsicht nicht anders als alten Autos oder alten Lokomotiven: Verwinkelte Korridore, viel Messing und weitläufige Holzdecks mögen Liebhaberherzen begeistern, im Hinblick auf Brandschutz und Sicherheit sind Alleinstellungsmerkmale wie diese von höchst zweifelhafter Natur. Aus diesem Grund werden schon seit einigen Jahren ältere Kreuzfahrtschiffe vor allem deswegen verschrottet oder außer Dienst gestellt, weil ihre Umrüstung auf moderne Sicherheitsstandards jeden finanziellen Rahmen sprengen würde. In der Ostsee traf dieses Schicksal innerhalb kurzer Zeit mit der KRISTINA REGINA und der BIRGER JARL gleich zwei überaus beliebte Passagierschiff-Oldtimer. Ähnlich strikt sind auch die neuesten Umweltauflagen, die u. a. das Verbot der Verbrennung von Schweröl in ökologisch sensiblen Gebieten wie der Arktis, der Antarktis oder der norwegischen Fjorde beinhalten. Vor allem ab 2015 dürften daher diese Gebiete von älteren Kreuzfahrtschiffen gemieden werden.

Dabei waren Schiffsreisen abseits der Hauptrouten zu weniger bekannten, mitunter abgelegenen Häfen bisher immer ein Vorteil, den kleine Kreuzfahrtschiffe gegenüber ihrer großen Konkurrenz hatten; auch gänzlich neue Märkte wurden in der internationalen Kreuzfahrt zuerst immer von kleinen Schiffen erschlossen. Mittlerweile sind aber nicht nur kaum noch neue Märkte vorhanden, die es zu erschließen gäbe, sondern haben auch die großen etablierten Kreuzfahrtreedereien begonnen, kleinere Einheiten auf neuen, destinationsintensiven Routen einzusetzen. So komplettiert schon seit ein paar Jahren die kleine CELEBRITY XPEDITION die Flotte von Celebrity Cruises und kommt die 2007 für Hurtigruten gebaute FRÅM mitnichten im Liniendienst entlang der norwegischen Küste zum Einsatz, sondern macht der traditionell stark fragmentierten Flotte von bisher meist älteren Expeditions-Kreuzfahrtschiffen Konkurrenz.

Auch das Konzept des „Slow Steaming” bzw. „Slow Cruising” (lange Liegezeiten in den Häfen, ausgedehnte Landausflüge, kurze nächtliche Seewege mit langsamer Fahrt) ist dieser Tage nicht mehr nur eine Domäne kleiner älterer Kreuzfahrtschiffe. Bei Costa Crociere werden Ende 2014 bereits drei Schiffe vom „Mainstream”-Produkt im selben Haus abgegrenzt, und andere Reedereien ziehen nach.  

Bleibt noch ein letztes Unterscheidungsmerkmal kleinerer älterer Kreuzfahrtschiffe: Die intime Atmosphäre und der persönliche Service, den die großen Mega-Liner in ihren riesigen Restaurants und Lounges kaum bieten können.

Dazu eine gewisse Flexibilität und Spontaneität, wo das Bordprogramm auf den Mega-Linern straff durchorganisiert ist. Dies auf kleinen älteren Schiffen anzubieten ist jedoch eine Gratwanderung, denn persönlicher Service auf hohem Niveau hat irgendwann seinen Preis (und ist daher vor allem auf yacht-ähnlichen Kreuzfahrtschiffen neueren Baujahrs zu finden). Und auch ein „Schiff im Schiff”-Konzept haben viele der großen Kreuzfahrtreedereien längst realisiert, indem sie exklusive Bordbereiche ausgewiesen haben, die allein den Passagieren bestimmter Kabinenkategorien vorbehalten sind.

Die Oldtimer unter den Kreuzfahrtschiffen werden es also in Zukunft noch schwerer haben als in der jüngeren Vergangenheit, und nicht wenige von ihnen dürften schon bald auf den Schiffsfriedhöfen von Aliaga oder Alang ihr Ende finden. Denn wo in der öffentlichen Wahrnehmung alle Blicke auf die großen Mega-Liner gerichtet sind, die Jahr für Jahr neu in Dienst gestellt werden, gelten selbst zehn Jahre alte Schiffe schnell als alt und 70.000 BRZ große Einheiten bestenfalls als mittelgroß. Und wenn die Reisen mit den großen neuen Schiffen ohnehin nicht teurer sind als die mit den älteren kleineren Schiffen, sind die Betreiber von Oldtimern wie LOUIS AURA, FUNCHAL oder NORDSTJERNEN praktisch ständig einem enormen Kostendruck ausgesetzt. Wer sich dem Charme dieser Schiffs-Oldies hingeben will, sollte sich also beeilen. Kai Ortel

 

Die AZORES, hier 2014 im dänischen Esbjerg, ist ein Schiff mit neun Leben. 1948 als STOCKHOLM gebaut, fuhr sie u. a. unter den Namen VÖLKERFREUNDSCHAFT, ITALIA PRIMA und ATHENA und wurde in ihren 65 Dienstjahren mehrfach umgebaut.Die AZORES, hier 2014 im dänischen Esbjerg, ist ein Schiff mit neun Leben. 1948 als STOCKHOLM gebaut, fuhr sie u. a. unter den Namen VÖLKERFREUNDSCHAFT, ITALIA PRIMA und ATHENA und wurde in ihren 65 Dienstjahren mehrfach umgebaut.

 

Oldtimer unter sich: Die 1957 als AUSONIA gebaute AEGEAN TWO wurde 2010 verschrottet, die 1968 gebaute ORIENT QUEEN unternimmt unter dem Namen LOUIS AURA noch immer Mittelmeer-Kreuzfahrten. Das Foto zeigt die beiden Schiffe 2007 in Rhodos.

Oldtimer unter sich: Die 1957 als AUSONIA gebaute AEGEAN TWO wurde 2010 verschrottet, die 1968 gebaute ORIENT QUEEN unternimmt unter dem Namen LOUIS AURA noch immer Mittelmeer-Kreuzfahrten. Das Foto zeigt die beiden Schiffe 2007 in Rhodos.

 

Neustart mit Hindernissen: Nach dem Ausscheiden aus der Hurtigruten-Flotte musste die Wieder-Indienststellung der 1956 gebauten NORDSTJERNEN von 2013 auf 2014 verschoben werden, weil sich die Renovierung des Schiffes (hier 2012 in Longyearbyen) verzögerte.

Neustart mit Hindernissen: Nach dem Ausscheiden aus der Hurtigruten-Flotte musste die Wieder-Indienststellung der 1956 gebauten NORDSTJERNEN von 2013 auf 2014 verschoben werden, weil sich die Renovierung des Schiffes (hier 2012 in Longyearbyen) verzögerte.

 

Liste alter Kreuzfahrtschiffe

Liste Schiff Baujahr Alter Passagiere Ex-Name(n)
1. AZORES 1948 66 492 STOCKHOLM
2. LISBOA 1955 59 559 DANAE
3. PRINCESS DAPHNE 1955 59 422 DAPHNE
4. SERENISSIMA 1960 54 117 HARALD JARL
5. FUNCHAL 1961 53 465  
6. GALAPAGOS LEGEND 1963 51 92 HELGOLAND
7. LOFOTEN 1964 60 153  
8. MARCO POLO 1965 49 848 ALEKSANDR PUSHKIN
9. PORTO 1965 49 320 ISTRA, ARION
10. N. G. ENDEAVOUR 1966 48 110 CALEDONIAN STAR
11. OCEAN MAJESTY 1966 48 535 JUAN MARCH
12. FREEWINDS 1968 46 500 BOHEME
13. LOUIS AURA 1968 46 728 STARWARD, BOLERO
14. POLARIS 1968 46 76 DISKO
15. CLUB HARMONY 1969 45 760 COSTA MARINA
16. POLAR STAR 1969 45 90 NJORD
17. OCEAN STAR PACIFIC 1971 43 1.050 NORDIC PRINCE
18. ROYAL IRIS 1971 43 661 THE AZUR
19. ADRIANA 1972 42 264 AQUARIUS
20. BLACK WATCH 1972 42 804 ROYAL VIKING STAR
21. BOUDICCA 1972 42 880 ROYAL VIKING SKY
22. DISCOVERY 1972 42 472 ISLAND PRINCESS
23. EXPEDITION 1972 42 214 ÅLANDSFÄRJAN
24. ORIENTAL DRAGON 1972 42 581 SUN VIKING
25. AEGEAN ODYSSEY 1973 41 378 AEGEAN I
26. ALBATROS 1973 41 824 ROYAL VIKING SEA
27. SAGA RUBY 1973 41 561 VISTAFJORD
28. MACAU SUCCESS 1974 40 404 GOLDEN ODYSSEY
29. MARIYA YERMOLOVA 1974 40 256  
30. OCEAN DIAMOND 1974 40 226 LE DIAMANT
 

Quelle: Aktive Hochsee-Kreuzfahrtschiffe Baujahr 1974 und älter; Stand 1. Januar 2014 nach ShipPax GUIDE 2014.

 

Verschrottet 2013: ATLANTIC STAR (Baujahr 1984, 29 Jahre alt), PACIFIC (Baujahr 1971, 42 Jahre alt) und THE CALYPSO (Baujahr 1967, 46 Jahre alt). Durchschnittsalter bei Verschrottung: 39 Jahre.

 

Verschrottet 2012: COSTA ALLEGRA (Baujahr 1969, 43 Jahre alt), MIRAGE 1 (Baujahr 1973, 39 Jahre alt), OCEAN MIST (Baujahr 1956, 56 Jahre alt), OLA ESMERALDA (Baujahr 1966, 46 Jahre alt), SAPPHIRE (Baujahr 1967, 45 Jahre alt), THE EMERALD (Baujahr 1958, 54 Jahre alt). Durchschnittsalter bei Verschrottung: 47 Jahre. Kai Ortel

hr

Sturmtief Ulla

Wind- und Wellenhoehen

Extreme Wellen in Keltischer See und Ärmelkanal am 14./15. Februar 2014

Einleitung

In den letzten Wochen entwickelten sich über dem Nordatlantik immer wieder kräftige Sturmtiefs, die in einer westlichen Strömung über den Nordwesten Europas zogen. Davon entwickelten sich im Dezember 2013 sieben, im Januar 2014 sechs und im Februar 2014 weitere drei zu Orkantiefs mit einem Kerndruck ≤ 950 hPa. Diese hohe Anzahl von 16 Orkantiefs in den Wintermonaten wurde seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1956 nur noch im Winter 1990/1991 beobachtet, gefolgt vom Winter 1989/1990 mit 15 und vom Winter 1992/1993 mit 14.

Die Zugbahnen der Sturmtiefs der letzten Wochen verliefen vor allem im Januar und Februar 2014 meist südlicher als üblich, wodurch die Britischen Inseln besonders stark in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Schwere Schäden entstanden durch Sturm mit Orkanböen, Hochwasser und Überschwemmungen durch häufige und kräftige Niederschläge, die mit den Tiefs verbunden waren, wie auch durch hohen Wellengang in den Küstenregionen. Doch nicht nur die Menschen an Land, auch Schiffe auf See im Bereich der Sturmtiefs waren durch hohen Seegang gefährdet.

Die Kraft dieser Wellen kann selbst auf größeren Schiffen Schäden verursachen, wie sich beim Kreuzfahrtschiff MS MARCO POLO zeigte, welches laut Angaben des Schiffsbetreibers am Nachmittag des 14. Februars 2014 auf seiner Fahrt von den Azoren nach Tilbury (Hafen nahe der Themsemündung in England) im Bereich der Keltischen See von einer Riesenwelle getroffen wurde (Statement vom 14. Februar 2014, Statement vom 15. Februar 2014). Diese drückte die Fenster eines Bordrestaurants auf Deck 6 ein, was zu einem Wassereinbruch führte. Ein Passagier kam ums Leben, weitere wurden verletzt. Die Sachschäden waren dabei nur auf einen kleinen Teil des Restaurants beschränkt (Statement vom 16. Februar 2014).

 

Wetterlage und Seegang am 14. Februar 2014, Keltische See

Am 14. Februar 2014, 12 UTC, lag Sturmtief ULLA, welches sich zwei Tage zuvor über dem westlichen Nordatlantik gebildet hatte, mit seinem Zentrum südwestlich von Irland. In den folgenden 12 Stunden verlagerte es sich zur Irischen See und zog dann weiter Richtung Nordskandinavien. In den Seegebieten südwestlich der Britischen Inseln, insbesondere im Bereich der Keltischen See, war es am Nachmittag des 14. Februars besonders stürmisch. Dieses Gebiet lag rechts der Zugbahn von Sturmtief ULLA, wo sich Verlagerungsgeschwindigkeit und Gradientwind (Wind, der um das Zentrum des Tiefs weht) addierten. Während des Nachmittags drehte der Wind dort

von SSW auf WSW. Eines der Schiffe, die zu jener Zeit in der Keltischen See unterwegs waren und Daten zu Wetter und Seegang meldeten, war das Containerschiff LIVERPOOL EXPRESS.

Es verzeichnete um 12 UTC auf der Position 49,7°N / 7,3°W Wind aus SSW mit einer Stärke von 10 Bft (schwerer Sturm) bzw. einer Geschwindigkeit von 50 kn (93 km/h) und Wellenhöhen (sowohl Windsee als auch Dünung) von 8 Metern. Bei bedecktem Himmel regnete es leicht, wobei die Sichtweite 2 bis 4 Kilometer betrug. Um 15 und um 16 UTC verzeichnete die Boje 62163 auf der Position 47,5°N / 8,4°W (am Südrand der Keltischen See) Wellenhöhen von jeweils 13,4 Meter bei einer Windstärke von 9 Bft (Sturm) bzw. einer Windgeschwindigkeit von 41/42 kn (76/78 km/h). Der Wind wehte in der Zeit zwischen 10 und 17 UTC am stärksten. Die Wellen erreichten ihre größte Höhe bei Durchzug der Kaltfront von Sturmtief ULLA um etwa 15 bis 16 UTC.

Um Mitternacht (15. Februar 2014, 00 UTC) hatte sich das Feld mit den größten signifikanten Wellenhöhen (= mittlere Höhe des obersten Drittels aller Wellen in einem Beobachtungszeitraum), die mehr als 14 Meter betrugen, in den Ärmelkanal verlagert.

 

Wind und Seegang im Bereich der Keltischen See im Februar

Klimatologische Auswertungen von ERA-40 Reanalysen für den Zeitraum 1971- 2000 zeigen, dass global betrachtet sowohl die Anzahl an Tagen pro Jahr mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 24 m/s (≥ Bft 10) als auch die Anzahl an Tagen pro Jahr mit signifikanten Wellenhöhen von mehr als 9 Meter über dem Nordatlantik am höchsten ist.

Eine Analyse der Daten von Schiffsbeobachtungen aus den Jahren 1960 bis 2002 gibt noch genauere Informationen über die mittleren Wind- und Seegangsverhältnisse im Bereich der Keltischen See speziell im Februar:

Über der Keltischen See weht der Wind im Februar meist aus Südwest bis West. Windstärken von 4 bis 5 Bft treten am häufigsten auf, während solche von 10 bis 12 Bft sehr selten sind. Die mittlere Wellenhöhe liegt im Februar um 2 Meter, wobei in etwa 95 Prozent der Fälle die Wellenhöhe unter 5 Meter liegt. Höhere Wellen sind dagegen als seltenes Ereignis einzustufen. Peter Pospiech

Quelle: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Seewetteramtes Hamburg.

 

hr
Trotz dieser Sonnenuntergänge – Romantik bleib oft auf der Strecke.
Trotz dieser Sonnenuntergänge – Romantik bleib oft auf der Strecke.

PSW 2013 weltweit on tour

Die Idee dazu hat Peter Pospiech, 1. Vorsitzender von VEUS, gehabt. „Du musst mal für uns eine kurze Zusammenfassung deiner Reise-Highlights 2013 machen”. Dem kann man doch nichts entgegensetzen.

So ganz gewöhnlich ist es ja nicht, dass ein VEUS-Kollege über sechs Monate im Jahr unterwegs ist. Aber als Schifffahrts- und Reisejournalist bringt man es eben auf solche Zeiten, denn „von nichts kommt nichts”, sagte meine Mutter immer. Will sagen: ohne Moos nix los, eine Binsenweisheit, die allerdings Ansprüche stellt. Denn Reportagen werden selten am häuslichen Schreibtisch produziert, sondern draußen in der Welt. Als Chefreporter vom SeereisenMagazin fühle ich mich dem schon seit vielen Jahren verpflichtet.

Auch weil Reisen für mich angewandte Geografie ist, die ich mal in Berlin studiert und mit zwei Staatsexamen sowie einer geomorphologischen Promotion über arktische Küsten an der Greifswalder Uni abgeschlossen habe.

 

Heiß-kalte Kontraste

Im Januar ging’s gleich richtig los: von Argentinien via Feuerland in die Antarktis. Eine meiner Lieblings-Regionen, weil sie eine grandiose Natur bietet und touristisch noch wenig strapaziert ist. Genauso wie Patagonien, das man unbedingt vorher erkunden sollte.

Rund Kap Hoorn − mit Anlandung − ging es durch die Maghellan-Straße, den Beagle-Kanal und die Chilenischen Fjorde nach Chile. Meiner Meinung nach schöner als Norwegen, weil die Route wahrhaft spektakuläre Aussichten bietet und fast menschenleer ist.  

Pause in Chile mit Stationen in Puerto Montt, Valparaiso und Santiago. Auch ein Teilstück auf der „Traumstraße der Welt” gehörte dazu.

In Callao, dem Hafen von Peru, wurde das Schiff gewechselt, nicht ohne vorher die Hauptstadt Lima und ihre Region erkundet zu haben. Übrigens völlig problemlos, wenn man sich bemüht, ein paar spanische Brocken zu lernen. Von nun an dampften wir nach Norden, legten in Häfen von Ecuador, Costa Rica, Guatemala und Mexiko an, besuchten San Diego, Los Angeles, San Franzisco und Seattle. Natürlich verbunden mit diversen Landausflügen. Auch wenn ich schon einige Male dort war, reizen immer wieder Natur, Kultur und Veränderungen seit dem letzten Besuch. Aber auch Gespräche mit Touristikern vor Ort, wobei die US-amerikanischen Kollegen sich als äußerst kooperativ erwiesen haben. So war es möglich, jeweils innerhalb eines Tages ein Optimum an Erlebnissen und Eindrücken zu bekommen sowie hinter die Kulissen zu schauen. „Normale” Ausflügler kommen selten in den Genuss. Endhafen war dann die kanadische Westküsten-Metropole Vancouver. Ein absolutes Muss.

Um nicht fliegen zu müssen, sind wir auf die Bahn umgestiegen. THE CANADIAN ist eine Legende: Über 4.000 Kilometer durch Rocky Mountains und Prärie bis nach Toronto am Ontario-See. Auch hier wieder Pause, wobei die Niagara-Fälle auch dazu gehörten.

 

Fliegerischer Leckerbissen

Dann noch ein „kurzer Hüpfer” über den Atlantik, und Stralsund hatte uns wieder. In Nordeuropa herrschte noch tiefster Winter. Das ist für mich das Signal, um − the same procedure as every year − eine Eisreise per Frachter zu unternehmen. Diesmal war der schwedische Mälarsee das Ziel, der im März noch völlig erstarrt war. Auf dem gegenüber liegenden Vänern See war ich mal im Sommer, aber der Mälaren fehlte mir noch in meiner Sammlung. Es war bitter kalt und sehr stürmisch, aber ein absoluter Eis-Genuss.

Kontrastprogramm während einer Kreuzfahrt zu den Kapverden, Kanaren und nach Madeira. Hier gab’s Wärme satt und keinen Sturm, aber Inselerlebnisse zum Träumen.

Bis es mal wieder nach Tegel ging. Auf dem Programm ein fliegerischer Leckerbissen: in sechs Stunden zum Nordpol mit Umrundung sowie Rückflug über ein fantastisch wolkenfreies Nordost-Grönland und Island zurück nach TXL. Die längste Non-Stopp-Strecke von Berlin nach Berlin. Mit unglaublichen Blickgenüssen. Sogar Stralsund und unser Heilgeistkloster konnte ich aus 12.000 Meter Höhe bestaunen. Schon zum zweiten Mal aus dieser Perspektive.

1990 stand ich zum ersten Mal – auch als erster deutscher Journalist – auf diesem magischen Punkt Nordpol, zum dem mich ein russische Atomeisbrecher brachte.  

Zurück nach Meck-Pomm: Eine Hausboot-Überführung nach Potsdam stand an, immer wieder ein Erlebnis, auch wenn ich das schon ein paar Dutzend Mal gemacht hatte. Skipper auf so einem 15-Meter-Teil zu sein, ist schon ein Erlebnis.

Für Stralsund stand Anfang Mai ein besonderes Ereignis an: der Anlauf des für Sundmaße größten Kreuzfahrtschiffes, wobei ich an den Vorbereitungen maßgeblich beteiligt war – als offizieller Kreuzfahrtberater der Hansestadt.

 

Seele baumeln lassen

Nach einer meiner letzten Flusskreuzfahrten auf einem in Stralsund gebauten 135-Meter-Schiff reizte mich die Mainfranken-Region besonders. Zu Wasser, Land und in der Luft konnte ich diese schöne Ecke Deutschlands erkunden. Wobei man die Erkenntnis gewinnt nach einigen Weltumrundungen, dass Deutschland immer noch viele „weiße Flecken” für mich aufweist.

Und wieder ging’s zurück nach Norden – auf das nächste Hausboot, Hans-Peter Gaul war dabei. Bevor die Saison begann und damit schon regelrechte Staus auf der mecklenburgisch-brandenburgischen Kleinseenplatte. Bis zur vier Stunden Wartezeit muss man dann einkalkulieren. Das ist kein Spaß mehr, sondern Stress pur. Muss ich mir nicht antun.

Pause mit Rosemarie auf unserer Lieblingsinsel Mön, in einem kuscheligen Fischerhaus direkt an der Ostsee. Hier kann ich die Seele baumeln lassen und wieder Kraft sammeln für neue Unternehmungen. Wie zum Beispiel der anschließenden Reise mit einem Bulkcarrier von Dänemark nach Schweden, wo 20.000 Tonnen Erz für ein Stahlwerk in Bremen geladen wurden. Spannend war mit diesem großen Teil auch die Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal, obwohl ich ihn schon x-Mal durchfahren habe, auch schon als Seemann und sogar mit dem Segelschulschiff GORCH FOCK (II). Woran ich mich nicht so gerne erinnere, denn Weihnachten stand vor der Tür, unsere Mädels auf der Pier und wir durften in den Schleusen keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen. Das war nur ein klitzekleiner Teil einer harten Schule. Im Gegensatz zu heute. Auf dem Flaggschiff Mecklenburg-Vorpommerns, der Brigantine GREIF, schnupperten meine Tourismus-Studenten der Fachhochschule Stralsund und ich mal einen Tag im Greifswalder Bodden, wie Segelschifffahrt sich in unserer Zeit anfühlt.

 

Jungfäuliches Revier

Ein mökki steht im Wald – ein kleines finnisches Blockhaus mit Sauna natürlich, auch alle Jahre wieder. Der Dreiklang von Wasser, Wald und Fels lockt seit über 30 Jahren unwiderstehlich. Und die Ferne zur Zivilisation. Neben meiner Frau Rosemarie, die in Suomi malt und schreibt, ist auch mein Kajak PERO immer dabei, mit dem ich die Seen erkunde.  

Wieder ein Kontrastprogramm, dieses Mal auf der Donau: ein neues Kreuzfahrtschiff war zu testen zwischen Passau und Budapest. Wobei mir die Donau nach wie vor gefällt, trotz der Masse von Schiffen, die dort verkehren. Von der Donau an die Ostsee, und zwar nach Danzig. Dort lag ein Flusskreuzfahrtschiff, das zuvor –als einziges – auf der Route Danzig-Frisches Haff-Königsberg verkehrte. Nun sollte es weichselabwärts über See nach Swinemünde überführt werden. Neben zwei befreundeten Lotsen war auch ich als gemusterter Matrose (und natürlich Journalist) mit Patent dabei. Die viertägige Wartezeit an Mottlau und Weichsel nutzen wir zu  ausgedehnten Erkundungen der Region bis zur Spitze der Halbinsel Hela. Auch polnische Gastronomie und Getränke standen auf unserem Plan. Ich blieb gleich in Polen, um eine Premierenreise auf den Flüssen Netze und Warthe per Hausboot zu unternehmen. Ein absolut jungfräuliches Revier mit kaum vorhandener Infrastruktur, aber einer traumhaften Natur.

Im Luftsprung von dort auf die grüne Insel – nach Irland, wo ein Hausboot-Törn auf dem Shannon anstand. Land und Leute faszinieren mich immer wieder. Nicht nur die Getränke.

Im Herbst musste es noch mal Mön sein, unsere Trauminsel. So viele Hühnergötter, wie wir dort finden, bringen immer wieder Glück, man muss nur fest dran glauben. Auch daran, so oft wie möglich wiederzukommen.

 

Der Keenich lässt grießen

Dann sollte auch mal wieder eine Frachter-Reportage sein. Königsberg – „Keenich” sagen mittlerweile viele Russen – stand auf dem Programm. Aber so einfach war das nicht, wie man sich das so denkt. Mit Seefahrtsbuch kommt man ohne Visum ins Land, so die internationale Regel. Doch daran halten sich „die Organe” nicht und drohten mit Arretierung, Geldstrafen in dreistelliger Höhe und Charterende. Tourismus unerwünscht. Kennt man das nicht noch aus tiefroten Zeiten? Ich verzichtete und suchte mir beim Ankern vor Brunsbüttel ein anderes Schiff. Statt nach „Keenich” ging’s nach Finnland – mit einer netten russischen Besatzung. Der Kapitän schüttelte nur den Kopf und meinte: „Da hat sich auch gar nichts geändert”. 

Der November bescherte mir ein ganz besonderes Flugerlebnis: mit einer MacDonnel-Douglas MD-11F. Mit diesem dreistrahligen fliegenden Frachter ging ich in die Luft – von Frankfurt nach Sharjah / Dubai-Hong-Kong-Almaty / Kasachstan. Eine Woche im Cockpit hautnah dabei. Ein Riesenerlebnis!

Auch die anschließende Frachterreise – wieder mit freundlicher russisch-ukrainischer Besatzung – von Genua via Neapel nach Haifa und über Marseille zurück nach Genua. Das erste Mal im „Heiligen Land”, um das ich bisher immer einen großen Bogen geschlagen hatte. Und ich war von Menschen, Geschichte und Landschaft angenehm überrascht. Nicht nur, weil Weihnachten vor der Tür stand. Da fahre ich noch mal hin.

Rechtzeitig zum Jahresende – mit einer 25-Länder-Jahres-Reise-Bilanz – war ich dann schließlich wieder zu Hause. Im Stralsunder Heilgeistkloster mit Hafen- und Sundblick warteten nicht nur meine Frau Rosemarie, sondern auch die nächsten drei Buchprojekte (bei 15 schon vorhandenen) auf ihre Vollendung.

 

Fazit nach sechs Monaten

Was ist das Fazit von solchen Reisen, die – getreu Alexander von Humboldt,  d e m  Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts – für „Weltbewusstsein” gesorgt haben: eine nie zu stillende Sehnsucht. Kein Geringerer als Christoph Kolumbus drückte es nach seiner ersten Atlantik-Überquerung 1492 am treffendsten aus: „Die Wirklichkeit überragt unsere Erwartungen und Wünsche”. Genau so habe empfinde ich das auch. Denn Reisen ist Leben und Leben Reisen für mich. Das war schon so, als ich noch zur See fuhr – bei der Handelsschifffahrt und der „grauen Dampfercompagnie” − und mir dabei auch die Welt anschauen konnte. Heute ohne Schwerstarbeit an Deck.

Ich wünsche mir, dass das auch 2014 so bleiben möge. Getreu dem weisen Spruch meiner Mutter, von der ich die Reiserei wohl irgendwie mitbekommen haben musste: „Ohne Gesundheit ist alles nicht!” Toi, toi, toi. PSW

hr
BOOTSMÄNNER

Ralf-Dieter Lazarus, Kapitän

Ralf-Dieter Lazarus, Kapitän

 

Es ist ein schöner warmer Frühlingstag an diesem Samstagnachmittag im Donau-Hafen Krems. Die Kräne stehen still, es gibt keine Aktivitäten an den Terminals. Die RALF-DIETER liegt, gekoppelt mit einer Barge, neben Eisenbahnwagons und Kohlebergen am Kai.

 

Die Szenerie verspricht Schifffahrtsromantik

Ganz so sonnig und romantisch sieht es Ralf Lazarus, Eigner und Kapitän der Ralf-Dieter, nicht. Er sitzt im Steuerhaus seines 105 Meter langen und 10,5 Meter breiten Motorgüterschiffs. Die Ruhe wird durch gelegentliche kurze Meldungen aus dem Funkgerät im Hintergrund unterbrochen. Die Überkapazität der Flotte und der damit einhergehende Preisverfall setzen auch dem 36jährigen, der bereits in der 3. Generation Schiffer und seit 5 Jahren Eigner der RALF-DIETER ist, zu.

Durch eine Verordnung der damaligen EWG wurden Abwrackmaßnahmen, eine sogenannte „Alt-für-neu-Regelung”, zum Abbau der strukturellen Überkapazität der Binnenschifffahrtsflotte eingeführt. Nach Außerkrafttreten der Verordnung und einer Übergangsfrist bis 2003 wurden die Abwrackmaßnahmen eingestellt.

„Die Abschaffung dieser Prämie und ein regelrechter Bauboom haben zu einer massiven Überkapazität geführt, unter welcher der Markt jetzt leidet. In Deutschland kommt noch der Konkurrenzdruck durch die Deutsche Bahn, die sich allzu gerne ein Stück vom Kuchen der zu transportierenden Güter abschneidet, hinzu”.

Als Mitglied der MSG (Mainschifffahrts-Genossenschaft e.G.) befindet sich das Unternehmen in einem Netzwerk, das zumindest eine gewisse Auslastung und somit dauerhafte Beschäftigung verspricht, was natürlich auch die Planungssicherheit bei erforderlichen Investitionen unterstützt.

Um die dringend benötigten Umsätze zu schaffen, sind 35-40 mehrtägige Reisen keine Seltenheit. Mit den heutigen schnelleren Schiffen ist das auch zu bewerkstelligen, doch auch das hat seinen Preis. Höhere Geschwindigkeiten und der damit einhergehende stärkere Verschleiß treiben die Kosten für Wartung, Treib- und Schmierstoffe deutlich nach oben. 

Die MSG schreibt auf der Startseite ihrer Homepage: „… dass die Binnenschifffahrt für das Funktionieren moderner Volkswirtschaften eine unverzichtbare Rolle spielt, ist eine Selbstverständlichkeit unserer Zeit …” Für Männer wie Ralf-Dieter Lazarus bedeutet dies, auch die nächste Reise am Steuer ihrer Schiffe mit einer gesunden Portion Optimismus und vor allem viel Idealismus anzutreten. Thomas Jantzen

hr

Navigation durch die Jahrhunderte

 

Carlo Borlenghi / Gianni Gini

„Navigation durch die Jahrhunderte”

Ein Leben ohne Internet und Mobile, ohne Motoren und ohne elektrisches Licht. Das kann der Mensch sich nicht mehr vorstellen. Und hat doch Jahrtausende so gelebt. Hat die Erde besiedelt und das Meer erobert. Hat sogar die Welt umrundet, unglaublich, aber wahr.

Poliertes Messing, schimmernde Bronze, glänzendes Holz … In fantastischen Fotos werden in diesem Band historische Navigationsinstrumente aus dem 17. und 18. Jahrhundert wunderschön in Szene gesetzt. Carlo Borlenghi, einer der ganz großen Fotografen des Segelsports, erlangte Zugang zu einer außergewöhnlich schönen und beeindruckenden Sammlung alter Instrumente. Vor schlicht weißem Hintergrund oder luxuriös-anmutendem roten Samt inszenierte er das Wissen einer vergangenen Epoche und fertigte meisterhafte Fotos dieser handwerklichen Kostbarkeiten an. Doch nicht nur das Auge wird erfreut, sondern auch die Kenntnis über Hilfsinstrumente wie Astrolabium, Sextant, Kompass oder Zirkel durch kenntnisreiche Texte vertieft. Diese Sachtexte werden dabei durch fiktive, erzählte Geschichte in den historischen Kontext eingebettet.

Faksimiles alter, zum Teil außergewöhnlich bebilderter Logbücher runden den Fundus der Nautiquitäten ab und zeichnen ein faszinierendes Spiegelbild traditioneller Seefahrt, während die Ausstattung – unter anderem durch die kundige Verwendung zweierlei Arten von Papier – das Buch zu einer bibliophilen Kostbarkeit werden lässt.

Wunderschöner Bildband nicht nur für Fans von Nautiquitäten oder Liebhaber von Coffee-table-Books, sondern auch für wissbegierige Wassersportler.

Einmaliger Zugang in eine historische Sammlung, hervorragend inszeniert und meisterhaft fotografiert.

Erschienen im Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 216 Seiten, 156 Fotos, 2 farbige Abbildungen, 29 S/W Abbildungen, Format 31x30 cm, ISBN 978-3-7688-3547-3,

D: 68,00 €.

www.deliusklasing/navigation

hr

  

Zeit & Meer 

 

Constantin Parvulesco

„Zeit & Meer”

Die Geschichte der Chronometer – Schätze aus dem Meer der Zeit

Wenn man mich nicht fragt, weiß ich es. Wenn man mich fragt, weiß ich es nicht. Das sagte der Heilige Augustinus über die Zeit. Immerhin messen kann man sie. Was uns als selbstverständlich erscheint, bleibt dennoch ein Metier voller Mysterien, Kunst und Vergangenheit.

Fast 400 Jahre dauerte es, bis die Menschen die Erde erforscht hatten und die Meere sicher befahren konnten – wobei die Entwicklung der Präzisionsuhrmacherkunst eine entscheidende Rolle spielte. In ihrem Bestreben, äußerste Präzision und Verlässlichkeit zu erlangen, haben mehr als 200 Fachleute innerhalb von 150 Jahren viele verschiedene Hemmungsmethoden und unterschiedlichste Kompensationssysteme sowie zahlreiche Spiralfedern und Pendel ersonnen. Mehr als 100.000 Chronometer wurden produziert, aber noch nicht einmal die Hälfte davon nach einem bestimmten, reproduzierbaren Modell. Alle anderen sind in technischer Hinsicht Originale.

Die Faszination der Technik, einhergehend mit der Geschichte ihrer Entwicklung und außergewöhnlichen Beispielen, meisterhaft erzählt und faszinierend aufbereitet, ermöglicht jedermann den Zugang zur bedeutendsten Entwicklung der Navigation, wobei auch heute noch echte Chronometer, deren Ganggenauigkeit in Observatorien überprüft werden muss, hergestellt werden.

Millionen von Einträgen im Internet, Tausende von Liebhabern und Sammlern bezeugen das hohe Interesse, das auch heute noch den zumeist handgefertigten Exponaten entgegengebracht wird.

Wunderbarer Bildband, in dem die Geschichte und die diversen Chronometer anschaulich in Text und Bild vorgestellt werden.

Erschienen im Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 176 Seiten, 275 Farbfotos, Format 25 x 30,5 cm, ISBN 978-3-7688-3676-0, (D) 39,90 €.

www.deliusklasing/zeitundmeer

hr

Anzeige

Port of Hamburg 
hr
Vorige Serite Inhalt Impressum Nächste Seite