SeereisenMagazin Logo klein 347 65NORDSEEMAGAZIN · AUSGABE 2/2020hr

Bremen aus der Luft Foto Jochen Knobloch Bremer Touristik Zentrale 101891
Das ist meine Hafenstadt – Bremen.
Foto: Jochen Knobloch, Bremer Touristik Zentrale

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20219 Wikkelhouse HelgolandWer auf Helgoland in einem Haus dieser Art naturnah Ferien machen will, muss bis zum nächsten Jahr warten. Für die Saison 2020 sind alle Wikkelhouses bereits vermietet. Foto: Helgoland Tourismus Service

Naturnahes Wohnen auf der Helgoländer Düne
Sie stehen auf der Helgoländer Düne und heißen „Wikkelhouses”. Ihre Wände bestehen im Kern aus 24 Schichten Pappe, die so miteinander verbunden oder verwickelt werden, dass sie extrem formstabil sind und eine optimale Isolierung bieten. Außen- und Innenwände sind mit Holz verkleidet, eine atmungsaktive und wasserabweisende Membran schützt die Außenfassade. Wegen der standardisierten Einheiten und des Verzichts auf ein Fundament sind die Häuser sehr schnell auf- und abgebaut, zudem sind sie zu 100 Prozent recycelfähig. Mit Pappe und Holz aber auch bei Klebstoff und allen weiteren Materialien setzten die Designer ausschließlich nachhaltige Rohstoffe ein. Die Haltbarkeit der Häuser wird vom niederländdischen Hersteller mit „mehr als 50 Jahren” angegeben. Die „Wikkelhouses” sind komplett ausgestattet mit einer kleinen Pantry-Küchenzeile inklusive Cerankochfeld und Kühlschrank, Besteck, Geschirr, Kochutensilien, Filter Kaffeemaschine, Toaster und Wasserkocher; zudem gibt es je Person eine Garnitur Bettwäsche und Handtücher. Für angenehme Temperaturen sorgen Lüftung und Heizung. Außerdem lädt eine Terrasse zum Verweilen außerhalb des Hauses ein. Auf Wasser und Toiletten wurde (wie bisher auch) bewusst verzichtet, um die Natur nicht mit zusätzlicher Infrastruktur zu belasten. In unmittelbarer Nähe stehen aber die Sanitäranlagen des Campingplatzes zum Duschen und Zähneputzen zur Verfügung.

Was Tourismusexperten wünschen
Ein schnelleres Internet und besseren Handyempfang forderten auf dem Nordsee Tourismustag in Wilhelmshaven Mitglieder des Tourismusverbandes Nordsee. Verwiesen wurden auf die Niederlande, wo es nie Probleme gäbe, wenn man auch am Strand LTE-Standard brauche. Gefordert wird das nicht nur für die Gäste, sondern auch für Arbeitskräfte, die an der gesamten Küste dringend gesucht werden. An der niedersächsischen Nordseeküste gibt es um die 27 Millionen Übernachtungen pro Jahr.

Umschlagrückgang an der Ems
In den niederländischen Häfen an der Emsmündung, Eemshaven und Delfzijl, sank der Umsatz im vergangenen Jahr auf knapp 13 Millionen Tonnen nach einem Umschlag von 13,7 Millionen im Jahre 2018. Als Grund für den Rückgang wurden niederländische Maßnahmen zum Klimaschutz genannt, die geplante Investitionen ausgebremst haben. In den niedersächsischen Seehäfen betrug 2018 der Umsatz 50 Millionen Tonnen. Zu diesen Häfen zählen Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nordenham, Oldenburg, Papenburg, Stade und Wilhelmshaven.

Wie man ungebetene Passagiere verhindert
Schiffe, die von See kommend einen deutschen Hafen anlaufen, können das Ökosystem gefährden. So kam die Wollhandkrabbe zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Larve im Ballastwasser aus China und hat sich hier unkontrolliert vermehrt. Um Bakterien, Algen oder Krebse als ungebetene Passagiere zu verhindern, darf heute in Häfen nur gereinigtes Ballastwasser abgelassen werden. Seeschiffe brauchen Ballasttanks, um den Gewichtsschwerpunkt tief genug im Wasser zu halten und auch mit wenig Ladung noch stabil zu fahren. Maximal 10 lebende Organismen, die größer als 50 Mikrometer sind, dürfen in einem Kubikmeter Ballastwasser sein. 2017 trat auf Initiative der IMO, der International Maritime Organisation, eine Konvention in Kraft, die das Einschleppen von Arten über einen unkontrollierten Wasseraustausch verhindert. Getestet wird zurzeit in Hamburg von einem Tochterunternehmen der Bremer Dettmer Group ein umweltschonendes Reinigungssystem mit UV-Licht. Das zerstört die Erbsubstanz der Bakterien und Krankheitserreger, so dass sie sich nicht mehr vermehren können.

649 Einsätze vor der niedersächsischen Küste
Zwischen Borkum im Westen und Ueckermünde im Osten ist die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) aktiv. Im vergangenen Jahr fuhr sie 2140 Einsätze, bei denen 340 Menschen geholfen wurde. 350 mussten aus gefährlichen Lagen befreit werden, 81 aus Lebensgefahr. Die Zahlen liegen auf dem Niveau des Vorjahres. An der niedersächsischen Küste zwischen Borkum und Cuxhaven gab es 649 Einsätze, 20 mehr als im Vorjahr. Die Gesellschaft hat rund 180 fest angestellte und mehr als 800 freiwillige Seenotretter. 60 Seenotkreuzer und Seenotrettungsboote sichern von 54 Stationen aus das deutsche Gebiet.

Freiheit für die Heuler
Heuler heißen die Jungtiere der Seehunde. Im ostfriesischen Norddeich gibt es für mutterlose Tiere, die an Stränden und Küsten auffielen, eine eigene Pflegestation, in der es auch im vergangenen Jahr viel zu tun gab. 209 Jungtiere wurden eingeliefert, 161 nach erfolgreicher Aufzucht wieder ins Wattenmeer entlassen. 48 Jungtiere waren so schwer verletzt oder so stark dehydriert, dass sie eingeschläfert werden mussten. Die Hauptwurfzeit der Seehunde liegt zwischen Anfang Juni und Mitte Juli. Die Station zählte im vergangenen Jahr 271.000 Besucher, fast 20.000 mehr als 2018.

Krabbenfischer sind unzufrieden
Die Umsätze der deutschen Krabbenfischer sind 2019 auf 25 Millionen Euro eingebrochen, von 60 Millionen in 2018. Auch beim Frischfisch gingen die Fangmengen zurück, von 44.000 Tonnen in 2018 auf 28.000 Tonnen bis Oktober 2019. Die Erzeugergemeinschaft der Nord- und Ostseefischer mit Sitz in Cuxhaven hat knapp 100 Mitglieder in der Krabbenfischerei und etwa 90 im Segment Frischfisch.

Streit um Nordsee Bohrinseln
Das Ölfeld Brent liegt in der Nordsee zwischen den Shetland-Inseln und Norwegen. Es ist eins der bekanntesten der Welt. In den 1990er Jahren gab es wochenlang Schlagzeilen, bis der Öltank Brent Spar nicht versenkt, sondern an Land entsorgt wurde. 25 Jahre später bahnt sich ein neuer Streit an. Die vier Bohrinseln Brent Alpha, Bravo, Charlie und Delta haben insgesamt mehr als drei Milliarden Barrel Öl und Gas gefördert. Jetzt fördert nur noch Brent Charlie Erdgas, doch das endgültige Betriebsende des Feldes ist abzusehen. In einem Vertrag hatten sich Ende der 90er Jahre die Anrainerstatten der Nordsee und angrenzender Gebiete verpflichtet, Förderanlagen am Ende ihrer Lebensdauer komplett aus dem Meer zu entfernen. Seither werden Bohrinseln entsprechend gebaut. Doch die Plattformen im Brent-Feld sind älter. Einiges ist bereits entfernt worden, doch Stümpfe ragen noch aus dem Wasser, Trägerkonstruktionen befinden sich unter der Wasseroberfläche. Greenpeace fordert, dass alles raus muss und so wenig wie möglich auch von den alten Förderplattformen im Meer zurückbleibt. Anders sieht das eine Tochterorganisation des Shell-Konzerns. Die Risiken der vollständigen Entfernung seien größer als der Nutzen für die Umwelt. Die deutsche Regierung steht auf Seiten der Umweltschützer und wird von Belgien, den Niederlanden, der EU, Schweden und Luxemburg unterstützt. Mit einer Entscheidung, wie es weitergehen soll, wird vielleicht noch in diesem Jahr zu rechnen sein.

Sorgen der Inselbürgermeister
Müll und zu teurer Wohnraum sind ein wachsendes Problem der Kommunen an der Küste. Nicht nur normaler Müll muss entsorgt werden, auch der nach Sturmfluten und der aus Rückständen der Schifffahrt. Das niedersächsische Umweltministerium stellt dazu eine Unterstützung in Aussicht. Man will sich in Hannover auch dafür einsetzen, Schiffscontainer mit Gefahrengut mit Sendern auszurüsten. So könne nach Havarien die Ladung leichter geortet werden. Zweite Sorge: Auf allen Inseln fehlen neue und bezahlbare Wohnungen. Dank Tourismusboom und mehreren Millionen Übernachtungsgästen stiegen die Immobilienpreise derart, dass für viele Insulaner Eigenheime kaum noch zu finanzieren seien. Darum verhindert zum Beispiel auf Norderney ein strenges Regelwerk, dass Wohnraum für gewerbliche oder berufliche Zwecke umgewandelt wird. Verstöße können mit Geldbußen bis zu 100.000 Euro geahndet werden.

Hafengebühren im JadeWeserPort
Der Aufsichtsrat beschloss, die derzeit geltenden Hafengebühren in Deutschlands einzigem ContainerTiefwasserhafen JadeWeserPort Wilhelmshaven 2020 nicht zu erhöhen. Damit reagiert das Gremium auf die aktuell angespannte Lage der Seehafenverkehrswirtschaft, begründet durch geringe Wachstumsmengen, Handelskonflikte zwischen den USA und China und Veränderungen in der Automobilbranche.

20219 Antarktiskarte AWI Bremerhaven:Die präzisen Konturen des Landes – die Topographie des Felsuntergrundes – und der Eisströme unter dem Eisschild der Antarktis zeigt diese neue Karte. Sie entstand als Ergebnis des BedMachine-Kartierungsprojekts und wurde in der University
of California (UCI) realisiert.
Quelle: AWI, Bremerhaven

Neue Landkarte erlaubt Prognosen
Eine neue Karte der Antarktis zeigt die unter dem Eis verborgenen Geländeformen so genau wie nie zuvor. So werden bessere Prognosen über die Zukunft der Gletscher und den Anstieg des Meeresspiegels möglich. Der Klimawandel lässt die Gletscher der Antarktis immer rascher Richtung Meer fließen. Dabei verlieren die gefrorenen Giganten immer mehr Eis, das dann in geschmolzener Form den Meeresspiegel ansteigen lässt. Wie schnell und in welchem Umfang dies geschieht, hängt aber nicht nur vom Anstieg der Temperaturen ab. Auch der Untergrund unter dem Eis spielt eine entscheidende Rolle. Denn während manche Geländeformen den Eisschwund bremsen, können andere ihn beschleunigen. Allerdings war über die Topografie der Landschaft unter dem Eis bisher nicht genug bekannt, um diese Risiken richtig einschätzen zu können. Mehr Licht ins Dunkel bringt nun eine neue Karte, an der auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mitgearbeitet haben.

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20219 Buchtitel EREBUSDas besondere Buch

Michael Palin
EREBUS

Rezension von Dieter Bromund

Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See – so der Untertitel des Buches EREBUS von Michael Palin, das Rudolf Mast aus dem Englischen übersetzt hat: vierhundert Seiten, mit Literaturangaben, Register und Bildnachweisen. Der Autor ist in Deutschland als Schauspieler bekannt geworden, als Mitglied der Komikergruppe Monty Python. Er war Präsident der Royal Geographical Society und ist Verfasser von Reiseberichten, Tagebüchern und Romanen. In seinem neuesten Buch EREBUS erweist er sich als begnadeter Erzähler einer Geschichte, die 166 Jahre Seefahrer in aller Welt in Atem gehalten hat.
Als Napoleon 1815 bei Waterloo endgültig geschlagen war, hatte auch die Royal Navy auf allen Weltmeeren gesiegt – und praktisch keine Aufgabe mehr. Sie brauchte neue Herausforderungen und fand sie in der Erforschung noch unbekannter Teile der Erde etwa in der Südsee, der Antarktis und der Arktis. Für Forschungsreisen ins ewige Eis baute die Navy ihre Bombarden um, Kriegsschiffe, die mit ihren schweren Mörsern Küstenbefestigungen des Feindes beschießen und große Beschädigungen anrichten konnten, ohne dafür Truppen an Land zu setzen. Zu den Bombarden gehörte auch die EREBUS, ganze 32 Meter lang mit 2141 Tonnen Verdrängung. Am 19. Mai 1845 setzte sie mit ihrem Begleitschiff TERROR unter dem Kommando John Franklins Segel, um mit 134 Männern an Bord die Nordwestpassage zu erkunden, den Seeweg von Europa nach Asien. Sie erreichten die Gewässer zwischen Grönland und Kanada und danach fehlt von den Schiffen jede Spur. Suchexpeditionen kehren erfolglos zurück. Dem verschollenen Kommandanten wurde 1866 auf dem Waterloo Platz in London ein Denkmal errichtet. Erst 1984 entdeckte man die sterblichen Überreste zweier seiner Begleiter auf Beechey Island und exhumierte sie. 2014 wird dann das Wrack der EREBUS, 2016 das der TERROR gefunden.
Was für eine Geschichte! Sie ermüdungsfrei zu erzählen, verlangt Talent und Erfahrung. Palin weiß seine Kunst einzusetzen, auch die englische Geschichte einer internationalen Leserschaft nahezubringen und die Royal Navy liebevoll zu präsentieren.
Deutschen Lesern wird in diesem Buch einiges bekannt vorkommen. Sten Nadolny hatte 1983 einen Bestseller veröffentlicht „Die Entdeckung der Langsamkeit”. Er behandelt das Schicksal Franklins und seiner Schiffe dichterisch verfremdet. In Palins grandiosem Buch taucht der Leser jetzt ins wahre Leben ein.

Michael Palin
EREBUS
Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See
Aus dem Englischen übersetzt von Rudolf Mast,
ISBN 978-3-86648-606-1,
mareverlag, Hamburg
28,00 €