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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

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Hat der Brexit auch positive Folgen?

Von der Hoffnung auf die Wiedergeburt

der „Deutschen Wertarbeit”

 

„Through worse to better” – vielleicht hat so ein „Brexit” am Ende ja auch sein Gutes? Möglicherweise sogar ein Anstoß, aus dem elenden EU-Qualitätsverlust herauszukommen? „Made in EU“ – was war und ist das für eine kommerzielle Heuchelei! Am lächerlichsten beim Bienenhonig von EU-Bienen.  Lesen Sie doch mal die Rückseite Ihres Honigglases! „Made in EU” sagt alles und nichts. Jetzt wird es bald wieder heißen „Made in Great Britain”. Und vielleicht eines Tages auch wieder „Made in Germany”. Denn im Zuge der 28 gelben Sterne auf blauem Grund ist der Qualitätsbegriff total verwässert worden. Vielleicht hat auch das den Stolz der Briten verletzt. Auch „Deutsche Wertarbeit”  wurde ja unter der blauen Fahne zu einem antiquierten Begriff.

Okay, das Tor von Bastian Schweinsteiger in der letzten Minute des EM-Spiels gegen die Ukraine – das war „Deutsche Wertarbeit”. Und die Rettungstat von Jerome Boateng – rückwärts über die Torlinie stürzend – war es auch! Aber – mal jenseits von Fußball gefragt: wo ist sie sonst geblieben, die früher so oft gelobte „Deutsche Wertarbeit”?

Noch wird sie in manchen  Branchen geleistet. In der Schwerindustrie, im Maschinenbau, auf Werften, die legendäre „Deutsche Wertarbeit”. Aber schon bei der Produktion all der tausend Gebrauchsartikel gilt der Grundsatz: nur nicht zu solide bauen, nur keine allzu haltbaren Materialien verwenden! Die Lebenszeit von Industrieprodukten soll begrenzt bleiben! Immer neue Geräte müssen die vorherigen ablösen. Ob Drucker oder Notebooks, Fernsehgeräte oder Smartphones, ob Reifen oder Scheibenwischer, ob Toaster oder Mikrowellen, es ist die Kunst der Hersteller, nicht zu stabil zu bauen, sondern die Lebenszeit all dieser Geräte technisch zu begrenzen. Also: die Qualität herabzusetzen und auf keinen Fall zu erhöhen. Auf den Verkaufs-Rhythmus kommt es an. Auf vorgegebene möglichst kurze Lebensdauer, nicht auf lange Haltbarkeit.

 Und wenn ein Gegenstand, etwa ein Auto oder ein Kühlschrank oder eine Waschmaschine, drohen zu lange zu halten, dann werden vom Hersteller „Sollbruchstellen” eingebaut. Kleine technische Tricks, um eine Reparatur als „lohnt sich nicht mehr” zu bezeichnen und zum Kauf eines Neuwagens oder Neugeräts zu raten. Jeder Monteur in einer Autowerkstatt, jeder „Kundenservice” eines Elektromarktes kennt das Thema. Die Lebenszeit von Druckern zum Beispiel, soll

nach Empfehlung des Herstellers zwei Jahre nicht übersteigen. Der neue Drucker kann dann auch nichts anderes als drucken, aber er benötigt andere Druckerpatronen. Auch so ein Trick, immer neuen Überfluss auf den Markt zu werfen. 

Ich hoffe von Herzen, dass diese fragwürdige Maxime nicht auch den Schiffbau erfasst. Die Lebenszeit von Schiffen oder Flugzeugen künstlich zu begrenzen, könnte tödlich enden.  Funktionsfähige „Oldtimer” – wie bei Schiffen oder bei manchen Autos früherer Jahrzehnte oder bei der immer noch über Hamburg kreisenden JU 52 – die soll es bei Computern, Druckern, Scannern, Smartphones auf keinen Fall geben. Sobald eine Garantie abgelaufen ist, soll die weitere Überlebenszeit des betreffenden Gerätes sehr begrenzt sein. Ob Küchenmaschine oder elektrische Zahnbürste, ob Staubsauger oder Rasenmäher, ob Kleid oder Hemd oder Badehose … ja, auch Textilien wird eine immer kürzere Lebenszeit zugemessen. Schnell und billig ‒ ist auch das textile Motto. Fragen Sie mal die Näherin in Dhaka nach „Made in Germany”. „In what?” wird sie zurückfragen und lächeln.  

Die Kunst der Verkäufer ist es geworden, noch vor zwei Jahren als grandios beworbene Gegenstände nun als „antiquiert”, „altmodisch” oder „überholt” abzuqualifizieren. Zwar kann der „Curler 2017” die Locken auch nicht anders wickeln als der Lockenwickler 2015 – aber er „curlt” sie eben – so geht Verkaufe. Der Staubsauger saugt nicht mehr, er „inhaliert” den Dreck, vermischt mit Dampf. „Sie werden doch keinen Wagen ohne Einparkhilfe mehr kaufen?” lauert der Verkäufer im Autohaus.  Doch, würde ich. Ein Auto ohne all den elektronischen Schnickschnack. Ohne all die vorprogrammierten Reparaturen. Aber das kapiert der Leasinglotse nicht. Der will verkaufen, verkaufen, verkaufen. Die Müllhalden dieser Welt interessieren ihn nicht.

Meine Eltern hatten einen Kühlschrank, den „AEG Santo 90”, der kühlte auch nach 50 Jahren noch genauso einwandfrei wie am ersten Tag. Ein Ereignis zum Feiern, glaubte ich naiv. Nein, Entsetzen beim einstigen Hersteller. Jetzt richtiger: beim Herstellen-Lasser! „Stellen Sie sich vor, jeder Kühlschrank würde so lange halten, wie viele Arbeitslose das mit sich brächte!” In Wirklichkeit meinte er die dann eingeschränkten Gewinne. Aus meiner romantischen Qualitäts- und Kundenparty ist also nichts geworden. Jeder von uns kennt ähnliche Beispiele von früher. Na ja, früher – das war die Zeit, als deutsche Gewehre noch geradeaus geschossen haben.

Juni 2016: Eine Autobahnbrücke bei Schweinfurt. Sehr solide gebaut, bewährte Qualität. Seit über 50 Jahren uneingeschränkt in Betrieb. Nur der Lack, der war ein bisschen ab. Deshalb sollte sie, wie viele andere durchaus tragfähige Brücken auch, erneuert werden. Aber Vorsicht vor den Erneuerern! Denn die Brückenbauer-Lobby ist unterwegs. Überall wittern sie ihr kaum überprüfbares Brückenbaugeschäft. Hier bei Schweinfurt rückten sie an mit Hunderten von Tonnen Beton und kippten den auf das Baugerüst der neuen Brückenkonstruktion. Das Gerüst hielt dieses enorme Gewicht nicht aus und stürzte ein. Neue „Deutsche Wertarbeit” am 15. Juni 2016!

Am neuen BER, am Berliner Flughafen, doktern die Deutschen Wertarbeiter nun schon seit Jahren. Unfähig, einen deutschen Hauptstadt-Flughafen fertigzustellen. Trotz Millionen und Milliarden. Airport made in Germany – was für eine „Deutsche Wertarbeit”! In Stuttgart wollen sie den altbewährten Hauptbahnhof untertunneln, um fünfzig Meter darüber viel Geld für die Bebauung eines riesigen Innenstadtgeländes mit Geschäftshäusern einstreichen zu können. Geniale Idee! Sie buddeln und buddeln und kommen nicht weiter. Die Baukosten treiben die Bahn und die „öffentliche Hand” in „eine angespannte Finanzlage”. So hoch können Fahrpreise gar nicht angehoben werden, dass diese Fehlplanung ausgeglichen werden könnte. Wer gelernt hat, systemgetreu nur noch modernen Blech- und Plastikschrott zu produzieren, sollte keine Flughäfen oder Bahntunnel in Angriff nehmen. Und keine grandiosen Musikpaläste. Hoffen wir, dass die Hamburger Elbphilharmonie nach gefühlt  hundertjähriger Bauzeit nicht beim ersten Paukenschlag in sich zusammenfällt.

Und, liebe Leser, seien Sie vorsichtig, wenn Ihnen jemand irgendeine „softwähr” erklären will. Auf der Baustelle, im Baumarkt, beim Elektrohandel, beim Autokauf, bei Kameras oder Haushaltsgeräten, überhaupt bei „Produktlinien” aller Art. Software ist häufig nichts anderes als die Umschreibung für technisches Versagen. Oder sogar, siehe VW, für handfesten Betrug. „Das liegt an der Software”. Dieser Satz ist für Sie, den zahlenden Kunden, so hilfreich wie ein Bleigürtel beim Schwimmen.  „Austauschen lässt sich das Teil leider nicht”. (Diesen Satz könnte wohl mancher auf seine Ehe übertragen. Vor allem, wenn die Garantie längst abgelaufen ist).  

Was tun? Resignieren? Vielleicht ein kleiner Ausweg: immer das Billigste nehmen. Fast alle deutschen „Herstellen-Lasser” lassen baugleiche Geräte globalisiert unter anderem Namen bei ihren Auftrags-Produzenten in Indien, China, Bangladesch oder Südkorea produzieren und verkaufen hier diese eigenen no-name-Geräte etwas billiger. Da haut die Software zwar auch nicht hin, sie ist dann aber nicht so teuer. Oder – wie wär’s - Sie zerkleinern die Möhren mit dem Messer und den eigenen Zähnen. Das ist dann zwar kein schaumiger „smoothie” aus dem veggie-copter – aber Ihr Darm freut sich über gesunde Arbeit. Und leistet für Sie „Deutsche Wertarbeit”.  

In diesem Sinne: herzlich, Ihr Herbert Fricke

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