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MS SPLITTNES spiegelt sich auf dem stillen Wasser des Nord-Ostsee-Kanals.MS SPLITTNES spiegelt sich auf dem stillen Wasser des Nord-Ostsee-Kanals.

Alle Fotos dieser Seite: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

Dr. Peer Schmidt-Walther

Zwischen Nordsee-Splitt und Ostsee-Erz

Dänisch-schwedisch-deutsche Sommer-Alternative mit selbstlöschendem Bulkcarrier

Erstens kommt es anders – natürlich, das kennt man schon. Dass aber aus dem Mittelmeer Nord-Ostsee wird wie in dem vorliegenden Fall – wer hätte das gedacht?

Vor dem Winter fliehen, laut Statistik, die meisten Deutschen in die Sonne und Wärme verheißenden touristischen Hochburgen der Mittelmeer-Regionen oder auf ein Kreuzfahrtschiff. Nur die wenigsten zieht es dagegen auf einen Frachter. Der soll möglichst viele Häfen mit neuen Eindrücken und ein kalkulierbares Abenteuer liefern. Ganz individuell und ohne an die Hand genommen zu werden. Da sollte man schon wissen, worauf man sich einlässt. Zum Beispiel auch auf Fahrpläne, die keine sind ‒ weil sie sich kurzfristig ändern können. So wie eben Warenströme umgelenkt werden im Auf und Ab der Charterraten.

Die Nachricht kam ganz überraschend per Mail: Das Schiff gehe in ein anderes Fahrtgebiet, wann und für wie lange, dass sei ungewiss. Da heißt es flexibel sein und umdisponieren. Wohin also auf die Schnelle? Ein Blick auf die Wetterkarte überzeugt: Nord-Skandinavien glänzt durch ein stabiles Hochdruckgebiet mit sommerlich aufgeheizten Temperaturen. Warum also in die Ferne schweifen? Spontan wird umdisponiert: Nord statt Süd!

 

Unverbaubarer Wohnzimmerblick

Statt Flieger muss, so der Frachtschiffreisen-Vermittler, die Bahn genommen werden. Eine erfreuliche Alternative. Derweil steuert „unser” Schiff den Hafen an: Aarhus im dänischen Mittel-Jütland. www.marinettraffic.com kennt schon das ETA, die geschätzte Ankunftszeit. Bis zum nächsten Vormittag soll das Löschen der Splitt-Ladung aus Norwegen dauern. Das passt optimal mit Rucksack packen und acht Stunden Fahrt zusammen. Der Agent vor Ort ist informiert, damit man am Bahnhof abgeholt und durch die ISPS-Code-gesicherten Hafentore problemlos an Bord kommt. Die Zahlenkombination zu kennen ist auch nützlich für einen eventuellen Bummel durch das Nachtleben der liebenswerten, altehrwürdigen Universitätsstadt.

SPLITTNES steht voraus in großen weißen Lettern auf tintenblauem Grund. Zwei Matrosen lassen die Gangway herab, dirigieren einen unentwegt freundlich lächelnd durchs Deckshaus aufs 2. Poopdeck und schon ist man zu Hause für die nächste Woche in einem gemütlichen, kleinen Wohnzimmer mit Eckcouch, Schränken, Schreibecke, Bad und Schlafnische, die durch einen Vorhang abgetrennt ist. Das überrascht vor allem durch zwei übergroße Fenster, eins mit freier Sicht nach vorn über das graue Deck mit seinen sieben Ladeluken und viel Auslauf. Container können, da es auf einem Bulkcarrier wie der SPLITTNES keine gibt, den freien 180-Grad-Seeblick auch nicht verbauen.

 

Wie unter fünf Sternen

Ein paar Kleinigkeiten werden von den hilfsbereiten Philippinos sofort und völlig unkompliziert geregelt: ganz fix sind ein neuer Duschkopf angeschraubt, zwei Glühbirnen gewechselt, ein zweites Handtuch und ein Schreibtischstuhl gebracht. Alles „no problem” für die strahlenden Jungs. Höhepunkt der Aktion: „My name is Roderick Ramos”, klopft ein eher zierlicher Mann an die Tür, stellt mehrere Flaschen Budweiser-Bier auf dem runden Wohnzimmer-Tischchen ab und stellt sich vor: „I am the captain, welcome on board!” So herzlich, wie er das sagt, meint der 54-Jährige es auch. Er stamme wie alle 17 übrigen Crew-Mitglieder ebenfalls von den Philippinen. Kaum zu glauben, ein ethnisch homogenes Schiff, was heutzutage absolut selten ist.

Der Empfang kann auf einem Fünf-Sterne-Schiff nicht wärmer sein. Obwohl die stabile SPLITTNES schon 20 Jahre sturmerprobt, aber sonst noch ganz knackig ist. Der Master entschuldigt sich: „Sorry, aber ich muss auf die Brücke, denn wir verholen an einen anderen Liegeplatz”.

Die tonnenschwere 65 Meter lange kranähnliche Gitterkonstruktion schwenkt im Zeitlupentempo aus ihrer Haltevorrichtung an Deck hinüber zu einer freien Fläche auf der Pier. Nur Minuten später quillt der graue Stoff – Granit-Feinsplitt aus Norwegen – im Scheinwerferlicht aus dem Kopf des stählernen Dinosauriers und häuft schnell einen Kegel auf. Das geht pausenlos die ganze Nacht über, während man in der gemütlichen Koje dem nächsten Tag entgegen träumt. Solange man möchte.

 

Harter Stoff für Europa

Smutje Mamerto Basuil, nach dem Kapitän der wichtigste Mann an Bord – wegen der Stimmung –, hat nichts dagegen, dass man, anders als die an feste Arbeits- und Wachzeiten gebundenen Seeleute, nicht zur üblichen Frühstückszeit erscheint.

Danach ein erster Rundgang über Deck mit Blick in die Laderaumtiefe. Da sieht man, wie es hier funktioniert.  Durch eine Klappe am Boden der Ladeluke fällt der Splitt auf das darunter rotierende zwei Meter breite Förderband. Die Wände des Laderaums sind schräg und mit Spezial-Teflon beschichtet. „Damit das Material von alleine rutscht“, erklärt Erster Offizier Alex Lanaja, der am Lukenrand steht und den kompletten Löschvorgang überwacht. Der Raum, in dem zuvor 2.500 Tonnen Straßenbaustoff gelagert haben, ist besenrein für die nächste Ladung. Nur drei Mann mit Hochdruck-Wasserschläuchen rücken an, um die letzten Reste wegzuspülen.

Ansonsten arbeitet die gewaltige selbstlöschende Bandanlage mit dem schwenkbaren Arm unabhängig von zusätzlichem Personal. Über Walkie-Talkie gibt er schließlich Anweisung, Klappe und Luke zu schließen.

An Land bleibt eine Bergkulisse von 17.800 Tonnen zurück. „Mit der Menge”, vergleicht Kapitän Roderick Ramos, „könnte man rund 100 Kilometer Autobahn bauen”.  

Europa braucht den harten Stoff. Die sechs Hartmann-Schiffe sind dafür im Dauereinsatz. Sie verteilen die begehrten Gesteinsprodukte für Beton-, Straßen-, Deponie-, Gleis- und Wasserbau in über 50 Häfen zwischen Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Polen.

 

Durch die Dänische Südsee 

Der 166 Meter lange Massengutfrachter ist seeklar und bereit zum Auslaufen. Ein Mann fehlt noch: der Hafenlotse. Doch dann grummelt es durchs Schiff: Die beiden je 4.440 kW leistenden Hauptmaschinen sind angesprungen. Unter den Füßen kribbelt es. Die Leinen klatschen ins dunkle Hafenwasser. Beginn der Reise in den Norden. Als Passagier ist man immer hautnah dabei, denn die Brücke ist ständig offen. Anders als auf Kreuzfahrtschiffen, deren ISPS-Sicherheitsvorschriften das verbieten.

In Zeitlupentempo gleitet der Bulker, der in dem engen Hafenbecken geradezu riesig erscheint, gegen Mittag hinaus in die Aalborg-Bucht. Als der Lotse abgestiegen ist, legt Kapitän Ramos die Hebel auf den Tisch und lässt die knapp 6.000 „Pferde aus dem finnischen Stall Wärtsilä” galoppieren. Mit 12 Knoten „stürmen” sie durchs Kattegat. Vorbei an grünen Inseln mit gelben Lehmkliffs und weißen Leuchttürmen obendrauf. Segler lieben ihre „Dänische Südsee”, wie das vielfältige und gemütliche Revier auch gern genannt wird.

 

Hamlet-Leuchtturm lässt grüßen

Beim Kreuzen des Großen Belts von West nach Ost wird es schon mal eng, wenn sich von beiden Seiten dicke Brocken mit Nord- oder Südkurs heran schieben. Auf der Brücke ist man bei einer Mugg Kaffee hautnah dabei und kann dem Wachhabenden beim Navigieren über die Schulter sehen, was hier sogar erwünscht ist. „Wer interessiert sich sonst schon für unsere Arbeit?”, lächelt Zweiter Offizier Roel Ompad bescheiden und freut sich.

Nord-Seelands Küste zeichnet sich als schmaler Streifen an Steuerbord ab, an Backbord voraus kommt ihr schwedisches Gegenstück in Sicht. SPLITTNES dreht nach Süden in den viel befahrenen Öresund ein. Markantestes Highlight: das weltbekannte Hamlet-Schloss Helsingborg, vor dem selbstbewusst ein riesiger Danebrog, die dänische Flagge, weht. Selbst Seeleute greifen da schon mal zur Kamera. Einmalige Besonderheit: An der Spitze des Ostturms blitzt sogar ein Leuchtfeuer und weist den Weg nach Kopenhagen, dessen Konturen wenig später Steuerbord voraus den Horizont zacken. Lediglich überragt von der filigranen Öresundbrücke und einem Heer von Windmühlen, die den grauen Himmel zu verquirlen scheinen. Zeit, um in die Sauna abzutauchen und Wärme zu tanken. Davon hält Chief Ingenieur Roberto Gurang rein gar nichts: „Im Maschinenraum haben wir wenigstens noch Ventilation …” Aber freiwillig schwitzen – wozu das? Das genügt ihm schon während der Arbeit.

 

Big Party beim BBC

Samstagnachmittag irgendwo zwischen Öland und Gotland unter blau-weißem Himmel: Vom Poopdeck (Achterdeck) wehen verlockende Düfte herauf. Cookie Carlos Bautista und Bootsmann Henry Bautista haben den Grill angeheizt und ein Spanferkel präpariert, denn zum Dinner steht einmal pro Monat, je nach Zeit und Wetter, BBC an oder: ein zünftiges Barbecue. Knusprige Shrimps, Hühnerkeulen, Würstchen, Steaks und Muscheln werben um die Gunst der hungrigen Mäuler. Die Tische biegen sich unter der Last der Party-Salate. Heiße Rhythmen und ein paar Dosen Bier heizen die Stimmung auf, einige lassen sich zum Tanzen und Faxen machen animieren. „Das brauchen die Jungs”, erklärt Kapitän Ramos, „damit sie sich nach langer Arbeitszeit mal abreagieren können”. Sechs Monate Bordzeit am Stück – nicht unbedingt jedermanns Sache. Da muss man schon einen verträglichen Charakter mitbringen.

Bei so einer Gelegenheit lassen sie auch mal Privates raus: zum Beispiel Dritter Offizier Danilo Ferraris, der beim Pinatubo-Ausbruch seine achtköpfige Familie vor Wasserfluten rettete und seitdem gläubig wurde. Oder Zweiter Ingenieur Linar Invento, der seine gesamte Familie ernähren kann, „weil ich hier fünf Mal mehr verdiene als der philippinische Präsident”.

Als die Sonne geradezu kitschig glutrot in der – endlich! ‒ sommermilden Ostsee versinkt, haben achtzehn Mann reinen Tisch gemacht. Dann glühen nur noch die Reste der Grillkohle still vor sich hin.

 

Alles im grünen Bereich

Am nächsten Morgen. Befragt, wie es ihm denn gehe, meint Koch Mamerto knapp, aber geradezu philosophisch: „Anderer Tag, selbes Schiff”. Auf der Ostsee wird es wieder sehr lebendig: Fähren kreuzen den SPLITTNES-Kurs zwischen Stockholm, Aalands-Inseln und Finnland. Bis die für Schweden charakteristischen Schären-Buckel wie Wale aus dem Wasser tauchen und ein roter Punkt heran prescht: das Lotsenboot von der Station Svartklubben.

Immer tiefer taucht das Schiff in die Wasser-, Fels, Insel- und Waldlandschaft ein, durch deren gewundenes, tonnengespicktes Fahrwasser SPLITTNES wie im Slalom wedelt. „Ein schwieriges Fahrwasser”, erklärt der Lotse, „deshalb darf es auch nur bei Tag befahren werden”.  

Wald- und kräuterwürzig duftet die Luft, rostrote Ferienhütten, vor denen sich ihre Besitzer sonnen, leuchten durch das satte Grün, weiße Segel gleiten über den flirrenden Wasserspiegel. Ein tiefblauer Himmel wölbt sich über der schwedischen Sommer-Idylle, mit der man jetzt gerne tauschen würde. Aber mit so einem Schiff hier durchzufahren – „es ist”, so der Lotse, „das größte, das hier jemals gefahren ist” ‒, ist schon etwas Besonderes. SPLITTNES ist denn auch für viele Segler der Shooting Star. Einer läuft ihr sogar aus lauter Begeisterung vor den Bug, so dass der Lotse mehrfach warnend das mächtige Typhon losdröhnen lassen muss. Nur knapp ist der „mutige” Hamburger einer Versenkung entgangen.

Nach 19 Seemeilen oder 32 Kilometern scheint das Ende der Bucht erreicht zu sein, bis der Lotse das große Schiff mit langsamer Fahrt und Hartrudermanövern hinter einer Insel um die Ecke bringt. Voraus eine kurze Pier, an die das lange Schiff nicht zu passen scheint. Noch eine Bugstrahlruder-Drehung auf dem Teller und Kapitän Ramos kann ins Schiffstagebuch eintragen: „Alongside 15.00 in Hargshamn”. „Alles im grünen Bereich”, strahlt er, „unsere Ladepier in Norwegen ist statt 90 wie hier sogar nur 30 Meter lang. Passt auch.”

 

Über die Lotsenleiter an Land

An Land warten grau-schwarze Hügel darauf, im Laderaum der SPLITTNES nach Bremen geschippert zu werden. Für den Ersten, Alex Lanaja, beginnt jetzt eine schlaflose Zeit, „denn bis morgen Mittag bin ich für das richtige Stauen von 14.000 Tonnen Erz verantwortlich”. Mehr Menge geht nicht, weil wegen des Fahrwassers nur achteinhalb Meter Tiefgang zugelassen sind.

Wie von Geisterhand hebt sich die Löschbrücke und schwenkt über das Wasser. Damit die Lukendeckel geöffnet werden und vom Rüssel des Hafen-Förderbands erreicht werden können. Bald prasseln die ersten Tonnen Erz in die Tiefe. Über dem Vorschiff steht eine Staubwolke, die alles einhüllt und unbarmherzig zudeckt. „Auf See”, sagt Alex, „geht wieder das übliche Reinschiff-Programm los”.

Was sucht der Passagier? Natürlich – Landgangs-Abenteuer. Das fängt schon mit der Gangway an, die nicht ausgebracht werden konnte. Stattdessen hängt eine Lotsenleiter die Bordwand herab. Die ist wegen Leerschiff hoch und daher nicht unbedingt jedermanns Sache. Auch nicht die Erzdusche aus dem darüber verlaufenden Förderband.

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Landgang – abenteuerlich genug

Aus dem Hafengelände kommt man nur, wenn man über einen umgefallenen Zaun klettert. Aber kaum draußen, ist man auch schon mitten im Wald. Bis die ersten bunten, propperen Schwedenhäuser auftauchen. Alle Wege des 250-Seelen-Dorfes – gegrüßt wird man überall mit einem freundlichen „Hej!” ‒ führen entweder ins Grüne oder enden am Wasser.

Am Sandstrand vom Campingplatz wird erst mal der Erzstaub abgespült, ehe es weiter geht. Ein zufällig entdeckter Trampelpfad – knallrote Walderdbeeren leuchten verlockend aus dem Gras ‒ führt hinauf zu einem Felsbuckel, der einsam aus dem Wald ragt, mit weitem Blick über die inselgespickte Bucht. In der Ferne ein blau-weißes Spielzeugschiffchen: SPLITTNES.

Der Rückweg vom Zaun zum Schiff ist versperrt durch einen mit quietschenden Bremsen haltenden Erzzug. „Zum Schiff?”, fragt der Rangierer und winkt mich unter einem Waggon durch. Wenn das nicht alles abenteuerlich genug ist …

Die Krönung des Tages: ein Bilderbuch-Sonnenuntergang, der den See vergoldet und den Himmel erröten lässt. Ab 22.15 Uhr glüht er zwischen gelb-rot-orange-pink noch eine Weile nach. Und der berühmte „grüne Blitz am Ende” – ist im Übrigen keine Legende. Sondern schlicht physikalische Lichtbrechung, wobei nur das Grün am Schluss aufblitzt..

 

Kreuzfahrer AMADEA zieht vorbei

Schon um 3.50 Uhr geht das Licht in der Kabine wieder an: Sonnenaufgang. Der Wachmann vertreibt sich die Zeit mit Angeln. Kleine Barsche sind seine einzige Frühstücksbeute.

Statt um 15 Uhr, wie geplant, kommt der Lotse schon zwei Stunden früher aus Stockholm angereist, denn das Laden ist zügiger verlaufen als gedacht. Zwei Fahrtstunden dominiert sattes Grün und wird nach der Lotsenabgabe wieder vom kühlen Blau der Ostsee abgelöst. In der ein weißer Punkt schwimmt: das deutsche Kreuzfahrtschiff MS AMADEA auf dem Weg von Lappland nach Helsinki. Sein Kreuzfahrtdirektor Christian Adlmaier ist überrascht und erfreut, als er – zufällig auf der Brücke – über UKW erfährt, dass ein ehemaliger Passagier und guter Bekannter „da drüben” fährt. Die flotte AMADEA zieht mit 16,5 Knoten locker an der lahmen SPLITTNES vorbei, die mit gerade mal zehn Knoten unterwegs nach Süden ist. Aber „lebende Ladung” ist nun mal etwas anderes als Erz.

Bis zum Dinner – Smutje Mamerto hat wieder eine reiche Auswahl zwischen Fisch, Gulasch und Frühlingsrolle gezaubert und möchte dafür auch gelobt werden – haben die Männer das Schiff wieder pikobello von oben bis unten gespült. Umso mehr genießen sie den Feierabend bei Fernsehen, Kartenspiel, PC – oder einfach auch nur bei ein paar Stunden mehr Schlaf.

 

Kutter und Bürokratie spielen verrückt

Bis am nächsten Morgen zwischen Gotland und Öland die Pinsel geschwungen werden. „Es ist trocken”,  begründet Bootsmann Henry die Aktion, „und das Schiff von oben bis unten sauber”. Seine Männer klettern sogar auf eine Stellage in luftige Höhe, um das Brückenhaus wieder weiß erstrahlen zu lassen. Während Kapitän Ramos drinnen über den Papierwust und die Überregulierung stöhnt: „Die Bürokratie wird immer mehr, trotz PC, und dann auch noch alles in mehreren Ausführungen. Dazu bräuchte man einen Sekretär. Früher erledigte so was der Funker“. Mehr Sicherheit soll das bringen. Tatsächlich?

Vor Mitternacht, zwischen Bornholm und Öland, narrt der kleine deutsche Forschungskutter CLUPEA alle Schiffe – vom Kreuzfahrer CRYSTAL SERENITY bis zur SPLITTNES und zwingt sie zu Kursänderungen. Mal dreht er nach Steuer-, mal nach Backbord, stoppt oder springt an wie ein junger Bock. Völlig unkoordiniert, aber unter weiß-rot-weißen Fischereilaternen, die ihm Vorfahrt gewähren. Der wachhabende Dritte Danilo schüttelt nur verständnislos den Kopf und leitet vorausschauend ein Ausweichmanöver ein. Die bis dahin wohl geordnete Herde gerät durcheinander. „So was”, bemerkt Danilo, „ist dann häufig die Ursache von vermeidbaren Kollisionen”.

 

Durch Wiesen, Weiden und Wälder

Vor der Schleuse Kiel-Holtenau wird die Schiffsherde aus „technischen Gründen” gestoppt: Die Südschleuse hat ihren Geist aufgegeben. Auch das noch! Die Szenerie wird von einer himmelhohen grauen Schauerfront verhüllt. Über den anschließenden Sturzregen freut sich Kapitän Ramos: „So eine Süßwasserdusche ist gut fürs Schiff”.  „Wetten”, meint der Lotse, „dass das Tor wieder freigegeben wird, wenn wir in die Nordkammer einlaufen sollen?” Genau so kommt es. Nach dreieinhalb Stunden mit mehreren Schiffen auf der Stelle dampfen. „Das wäre bei starkem Wind nicht so angenehm gewesen”, kritisiert er die prekäre Lage um den dringend notwendigen Kanal- und Schleusenausbau, „eigentlich beschämend für unser Land”. Er meint auch die unzumutbaren Verhältnisse im Nord-Ostsee-Kanal, die wirtschafts- und imageschädigend seien.

Genau beim Einlaufen in die inzwischen provisorisch reparierte Schleusenkammer bricht die Sonne durch das aufgetürmte Gewölk. „Das hatten wir”, findet der Lotse, „schon seit Mai letzten Jahres nicht mehr” und manövriert die SPLITTNES sanft an die Kaimauer. 

Als schließlich die Sonne glutrot über Schleswig-Holsteins sattgrüner, von Dampfschwaden romantisch verhüllter Knicklandschaft versinkt, fühlen sich alle irgendwie entschädigt. „Das hätten wir bei Regen wie vorhin nicht erlebt”. Sogar einer der altgedienten Kanalsteurer begeistert, „und dazu noch ein Schiff mit hervorragenden Steuereigenschaften!” Nützt alles nichts, denn die Fahrt durch Wiesen, Weiden, Felder und Wälder dauert geschlagene neun Stunden. Als Schiff der Verkehrsgruppe VI und tief gehend muss sie andere passieren lassen, da sie die Fahrwassermitte benutzen muss. Am nächsten Vormittag empfängt die Nordsee stilecht: grau ohne Übergang bis zum Himmel, garniert von feinem Nieselregen.

„Unsere Löschpier am Stahlwerk in Bremen ist noch blockiert, ein weiteres Schiff vor uns”, erklärt der Kapitän, „da werden wir noch eine Weile vor der Wesermündung ankern und dann auf Hochwasser warten müssen”.  

Fazit nach über einer Woche und 1.400 Seemeilen: Frachtschiffreisen haben schon immer das Flair des Besonderen gehabt: mit einem „reizvollen Schuss Abenteuer”, wie ihre Fans sagen.   

 

MS SPLITTNES

Baujahr 1994 (ex KARI ARNHILD bis 2000); Bauwerft Kvaerner Kleven Leirvik A/S, Norwegen; Reederei Hans Jürgen Hartmann; Bereederung HJH Shipmanagement GmbH & Co. KG, Cadenberge; IMO Nr. 9101730; Klasse GL (Germanischer Lloyd) 099402; BRZ 11.538; tdw 18.961 t; Verdrängung 23.803 t; Länge 166,30 m; Breite 20,50 m; Tiefgang (maximal) 12,80 m; Hauptantrieb: 2 x Wärtsilä 6 R32D à 2220 kW wirkend auf 1 vierflügligen Propeller; Geschwindigkeit (maximal) 12,5 kn; Bugstrahlruder: 960 kW; Heckstrahler 660 kW; Crew 18; Flagge Antigua; Heimathafen St. John’s; Löschkapazität (Steine) 2000 t/h (maximal); 7 Luken zwischen 2.284 und 2.594 Kubikmeter Inhalt; Höhe (Kiel bis Mast) 37,21 m; 1-2 Passagier-Kabinen (Bad, Schlafraum mit Einzelkoje, Wohnzimmer, 1 Fenster zur Seite, 1 Fenster nach vorn; Sauna, Fitnessraum, Aufenthaltsraum (mit TV, DVD-Player); kein allgemein zugängliches Internet. · Diverse Frachtschiffreisen-Anbieter

Blick auf die Universitätsstadt Aarhus mit dem Don. Aarhus ist die zweitgrößte Stadt Dänemarks.Blick auf die Universitätsstadt Aarhus mit dem Don. Aarhus ist die zweitgrößte Stadt Dänemarks.

Auslaufen aus Aarhus durch ein enges Hafenbecken. 

Auslaufen aus Aarhus durch ein enges Hafenbecken.

Rudergänger beim Auslaufen.Rudergänger beim Auslaufen.

Fröhlich trotz Bürokratie – Kapitän Ramos auf seiner Brücke.Fröhlich trotz Bürokratie – Kapitän Ramos auf seiner Brücke.

Zweiter Ingenieur Linar im MKR, dem Maschinenkontrollraum.Zweiter Ingenieur Linar im MKR, dem Maschinenkontrollraum.

 

Die beiden 2220-kW-Hauptmaschinen.Die beiden 2220-kW-Hauptmaschinen.

Letzte Tonnen Granitsplitt werden gelöscht.Letzte Tonnen Granitsplitt werden gelöscht.

 

Reinigen der Laderäume mit Hochdruck-Wasserstrahlen.Reinigen der Laderäume mit Hochdruck-Wasserstrahlen.

Der Leuchtturm Sletterhage an der Südspitze der Halbinsel Hegenaes, östlich von Aarhus.Der Leuchtturm Sletterhage an der Südspitze der Halbinsel Hegenaes, östlich von Aarhus.

Das Kreuzfahrtschiff ADVENTURER OF THE SEAS passiert im Öresund.Das Kreuzfahrtschiff ADVENTURER OF THE SEAS passiert im Öresund.

 

Die schwedische Küste an Backbord.Die schwedische Küste an Backbord.

Das Barbecue-Spanferkel wird gegart.

Das Barbecue-Spanferkel wird gegart.

Bootsmann Henry portioniert das Spanferkel.Bootsmann Henry portioniert das Spanferkel.

Schwedisches Lotsenboot dreht um das SPLITTNES-Heck.Schwedisches Lotsenboot dreht um das SPLITTNES-Heck.

 

Kleines schwedisches Sommerhaus auf einer Schäre.Kleines schwedisches Sommerhaus auf einer Schäre.

Minoi-Leuchtturm am Schärenfahrwasser.Minoi-Leuchtturm am Schärenfahrwasser.

 

Fahrt durch die Wasser-, Wald- und Felslandschaft Mittelschwedens.Fahrt durch die Wasser-, Wald- und Felslandschaft Mittelschwedens.

In der Eiszeit glatt polierte Granitfelsen säumen das Ufer.
In der Eiszeit glatt polierte Granitfelsen säumen das Ufer.

Die SPLITTNES hat im Hafen von Hargshamn festgemacht. Berge aus Eisenerz säumen den Hafen.Die SPLITTNES hat im Hafen von Hargshamn festgemacht. Berge aus Eisenerz säumen den Hafen.

Die Brücke der SPLITTNES überragt die Eisenerz-Hügel an Land nur um wenige Meter.Die Brücke der SPLITTNES überragt die Eisenerz-Hügel an Land nur um wenige Meter.

Langsam füllt sich der Laderaum mit Eisenerz.Langsam füllt sich der Laderaum mit Eisenerz.

Eisenerz-Felsen vor dem Abbau.

Eisenerz-Felsen vor dem Abbau.

Radlader gräbt sich ins Eisenerz.  Radlader gräbt sich ins Eisenerz. 

Angler am Hafen in Hargshamn.Angler am Hafen in Hargshamn.

Häuschen am Wasser in Hargshamn.Häuschen am Wasser in Hargshamn.

 

Typisches Schwedenhaus in Hargshamn.Typisches Schwedenhaus in Hargshamn.

Sonnenuntergang über der Bucht von Hargshamn.Sonnenuntergang über der Bucht von Hargshamn.

Flaggen im Signalmast vor strahlendem Himmel.Flaggen im Signalmast vor strahlendem Himmel.

Leichtsinniger Segler gefährdet sich und andere.Leichtsinniger Segler gefährdet sich und andere.

Scandlines-Fähre PRINS JOACHIM passiert knapp in der Kadetrinne.Scandlines-Fähre PRINS JOACHIM passiert knapp in der Kadetrinne.

 

Eine Regenfront liegt über Kiel.Eine Regenfront liegt über Kiel.

Einlaufen in die Holtenauer Südschleuse.Einlaufen in die Holtenauer Südschleuse.

 

Abendstimmung über den ersten Nord-Ostsee-Kanal-Kilometern.Abendstimmung über den ersten Nord-Ostsee-Kanal-Kilometern.

Frachter auf der Außenweser.Frachter auf der Außenweser.

Nächtliches Anlegemanöver bei den Bremer Stahlwerken.Nächtliches Anlegemanöver bei den Bremer Stahlwerken.

Erzhalden an der Löschpier des Stahlwerks Bremen.

Erzhalden an der Löschpier des Stahlwerks Bremen.

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