Seereisenmagazin Die ganze Welt der Kreuzfahrt

 

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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

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Bleibt das Reisen Müller’s Lust?

 

Ich stehe an der Reling und schaue über’s Meer. Weite, Weite, nichts als blaue Unendlichkeit. Ich sitze im Flieger und schaue über die Tragfläche in die grüne Erde. Ganz fern und kaum erkennbar: die Krümmung des Horizonts.  Dies ist unser Globus. Unser großer winzig kleiner Erdball. Groß für uns, winzig klein im Universum. Einen Globus, den wir doch so gern bereisen. Mit dem Auto, dem Flieger, aber am schönsten mit dem Schiff. Wir wollen ihn kennenlernen, diesen unseren Globus. Land und Leute, schönste Punkte, Sehenswürdigkeiten. Aber was wir nun wieder lernen müssen, sind  Sehensunwürdigkeiten. Terror kreist unsere Freiheit ein. Idiotie bricht sich Bahn. Islamischer Staat? Staatlicher Islam? Auf jeden Fall alter religiöser Wahn in einer neuen Zeit.

Was habe ich mit Religion zu tun? Viele freiheitliche Jahrzehnte nichts. Und jetzt wieder viel zu vieles. Religiöser Wahn schränkt unsere Freiheit ein. Von Damaskus bis nach Düsseldorf. Von Bagdad bis Berlin. Von Hamamet bis Hamburg. Kein Kreuzfahrer mehr am Bosporus. Keiner mehr im Arabischen Golf, der einst mal der Golf von Persien war. Keine Urlaubsflieger mehr über Syrien, Libanon, Irak, Iran – bald auch nicht mehr über Ägypten, über der Türkei, über dem gesamten Orient? Religion 

macht unsere Urlaubswelt kaputt. Unsere Seele. Unsere Hoffnung auf eine friedliche Welt. Früher Scheiterhaufen, heute Scharia.

Hier an der Reling denke ich nach über mein letztes Editorial vom Januar, das so lebhafte Diskussionen und Nachfragen ausgelöst hat. Journalismus heißt ja eigentlich „von Tag zu Tag”. Le jour = der Tag. Aber dieses Editorial über die Politik unserer Kanzlerin wirkt weit über den Tag hinaus. Namhafte Kollegen haben bei uns abgeschrieben. Bis heute. Und mir kommen viele Gespräche in den Sinn. Mit Freunden am Kamin ganz oben in Ostholstein. Mit anderen ganz unten an Bord vor Shanghai und Manila. Mein ägyptischer Freund und Kollege Elleisi sagte: „Ihr seid verrückt, Ihr Deutschen!” Mein türkischer Freund Tunc sagte: „Was macht Ihr da? Warum setzt Ihr Euren Wohlstand, Eure Freiheit auf’s Spiel?” Das Unverständnis über Deutschland überragt die Bewunderung bei weitem. Die europäischen „Partner” reiben sich die Hände. Frankreich, unser Lieblingsnachbar, hat tatsächlich weniger als ein Hundertstel unserer Flüchtlingszahlen aufgenommen. Polen überhaupt keine. Ist das die von Frau Merkel beschworene „Europäische Einheit”? 

So stehe ich an der Reling und denke über das alles nach. Wieso diese Toleranz gegenüber Fanatikern, die unsere Welt, unsere Freiheit aus den Angeln heben wollen? Wieso diese Resignation? Diese Naivität gegenüber realen Gefahren? Konrad Adenauer hat unsere „Westbindung” in die Wege geleitet. Willy Brandt hat unsere „Ostbindung” ermöglicht. Helmut Kohl und Helmut Schmidt und Gerhard Schröder haben aus diesen „Bindungen” die friedlichste Epoche der deutschen Geschichte gemacht. Warum stellt die gegenwärtige Große Zwergenkoalition das alles nun in Frage?    

Und wieso nimmt eine wie paralysiert dahindämmernde Öffentlichkeit all das einfach so hin? Den Nullzins auf das mühsam Ersparte? Die ziemlich heimtückische Enteignung des Volkes? Den schleichenden Wechsel von der freiheitlichen in die unfreiheitliche Grundordnung? Warum überlässt – einerseits ‒ unsere kleinmütige Große Koalition das Feld denjenigen, die sie – andererseits ‒ als „Rechtspopulisten” beschimpft? Warum reißt da oben niemand das Ruder herum? Reichen denn die Warnschüsse von Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht aus? Unsere Freiheiten stehen auf dem Spiel. Auch unsere Reisefreiheit.   

Wer an der Reling steht und denkt und fühlt, wer den Sternenhimmel sieht und das Wellenrauschen hört, der weiß, dass es weder Paradies noch Hölle gibt, dass dieser Schwachsinn ja nicht nur von fanatischen Korangelehrten gepredigt wird, sondern auch von katholischen Priestern in Oberbayern – und beide wollen nur ihre Macht erhalten, indem sie drohen und versprechen. Die einen versprechen den Bombenlegern 72 Jungfrauen im Himmel, die anderen drohen das biblische Fegefeuer in der Hölle an, und beide sind sie Wegbereiter von Intoleranz und religiöser Verblendung. In Herne in Westfalen haben eigens eingesetzte Behördenvertreter ein Schachturnier abgebrochen, weil „Karwoche” war. An der Nord- und Ostseeküste bestimmt die Evangelische Kirche, wann Einkaufsmärkte sonntags öffnen dürfen …

Mich wundert sehr, dass all dieser religiös motivierte Unsinn heute genauso verbreitet werden kann, wie einst im Mittelalter. Trotz Internet und unsozialen Netzwerken und i-phones und Apps und der ganzen weltweit um den Globus zuckenden Kommunikationsindustrie … oder möglicherweise gerade deshalb? Alles wird sonst hinterfragt im Netz, alles wird gegoogelt, alles soll sich beweisen lassen … wieso geistert dann das „Paradies” für  Selbstmordattentäter durch die Hirne? Was hat Karfreitag mit Schach zu tun? Und all der andere unbewiesene Quatsch? Etwas stimmt nicht – an diesem gerade begonnenen Jahrtausend.

Bitte, stehen auch Sie – wie ich – bald mal wieder an der Reling. Finden Sie Ihr eigenes Paradies. Es lohnt sich.

Herzlich, Ihr Herbert Fricke

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