Seereisenmagazin Die ganze Welt der Kreuzfahrt

 

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SEA CLOUD-Kreuzfahrtdirektorin Heike Diefenbach

Vor dem Mast:

SEA CLOUD-Kreuzfahrtdirektorin

Heike Diefenbach

 

SEA CLOUD-Fans erkennen ihr strahlendes Lächeln sofort: Es gehört zu Kreuzfahrtdirektorin Heike Diefenbach wie Sonne und Wolken zum Himmel. Seit vielen Jahren gehört sie zur Bord-Familie.

Man könnte meinen, dass ihr die Seefahrt in die Wiege gelegt worden ist.

Als Speditionskauffrau jedoch startete die gebürtige Darmstädterin ins Berufsleben. Dabei spielte vorrangig Ladung eine Rolle. Doch sie wollte es stattdessen lieber mit Menschen zu tun haben. Zwischenstationen waren dann diverse Fluggesellschaften, bis sie ihr maritimes Faible entdeckte und bei der Norwegian Cruise Line anheuerte – allerdings zunächst an Land im Bereich Marketing & Sales.

DER Business Travel öffnete ihr schließlich eine weitere Tür, und zwar als Key Account Managerin. Dort stieg sie aus, um als freiberufliche Reiseleiterin noch mehr praktisch-touristische Erfahrungen zu sammeln.

„Bis mich das Kreuzfahrtfieber packte”, lächelt Heike Diefenbach. Erste Sporen verdiente sie sich auf der DELPHIN RENAISSANCE. Sie entdeckte schließlich ihre Leidenschaft für Großsegeler und bewarb sich erfolgreich bei Sea Cloud Cruises. Seit 2006 ist sie als Kreuzfahrtdirektorin „vor dem Mast” unterwegs auf SEA CLOUD und SEA CLOUD II. „Auch weil ich Schiffe mag”, erklärt sie ihre Leidenschaft, „die klein, überschaubar und exklusiv sind sowie eine familiäre Atmosphäre auf hohem Niveau bieten”. Der Gästekontakt mache ihr „extrem viel Spaß”. Auch innerhalb der Crew, die für sie zu einer Art Familie geworden sei.

Als Kreuzfahrtdirektorin habe man darüber hinaus einen gewissen Gestaltungsspielraum. „Da die Routen sehr abwechslungsreich sind“, erklärt sie, „wird es auch nie langweilig”.

Ihren Urlaub 2014 verbrachte sie nicht etwa nur zu Hause, wie man meinen könnte, sondern auf Reisen mit Freunden beim Tauchen in der Südsee.   

Das SeereisenMagazin wünscht ihr noch viele weitere Jahre unter SEA CLOUD-Segeln rund um den Globus. Dr. Peer Schmidt-Walther

 

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Ferienkrimi

DER SPINNENMANN

Rezension von Dieter Bromund

„Überleg mal, wenn weitere aus der Bande in diesem Zustand auftauchen, dann haben wir hier in unserem friedlichen Oslo Zustände wie in Chicago”, sagt am Ende von Kapitel 28 Mr. George, Chef und Ziehvater, dem 21 Jahre alten Kriminalreporter Erik Erfjord, der seinen Job eigentlich satt hat und lieber Chef der Sportseiten von Arbeiderbladet wäre, einer von mehreren Osloer Tageszeitungen.

Doch dann erfährt er in einem Café am  Lilletorg, dem kleinen Platz am Rande des Stadtteils Vaterland, „der zugleich der Markt der Hehler, Schnapsbrenner und Schwarzhändler ist”, dass sich ein besonders wertvolles Gemälde in der Gegend befindet und ein Ausländer sämtliche Pfandleiher der Stadt besucht. Als Erik Erfjord das Lokal verlässt, sieht er, wie sein Jugendfreund Lennart Winther einen Mann im schwarzen Anzug, groß und blond mit schmalem Kopf, weiblichen Hüften und Fingern wie Spinnenbeine, in einen Chrysler steigen lässt und mit ihm in hohem Tempo davon fährt. „Ich rieche Lunte” lautet die Überschrift des folgenden Kapitels – und es kann losgehen mit einem Krimi aus der norwegischen Hauptstadt in den frühen 1930er Jahren: „Der Spinnenmann”.

Die beiden Autoren, Terje Emberland und Bernt Rougthveld, beide Jahrgang 1956, sind Historiker. Gemeinsam haben sie 2004 eine Biografie über den norwegischen Nationalsozialisten und Schriftsteller Per Imerslund veröffentlicht und legen nun als gemeinsames Werk den „Spinnenmann” vor, ihren ersten Kriminalroman, der offensichtlich viel von dem nutzt, was die beiden wissenschaftlich recherchiert haben.

Zwei anerkannte Historiker erfinden also einen Reporter, der seinen ersten Fall beschreibt, in Ich-Form, in 39 knappen Kapiteln mit hilfreichen Überschriften, einem Prolog, einem Epilog, einem Nachwort und einem Glossar. Tatort ist Oslo, ab und an geht’s mal aufs Land, doch die Story ist alles andere als ein Regionalkrimi.

Hilfreich bei der Lektüre sind Kenntnisse der damaligen NS-Szene in Deutschland. Das Land ist fest in der Hand der Nationalsozialisten und lockt auch aus Norwegen Sympathisanten an, die ihr Glück suchen. Der Krieg ist weit weg, das Reich hat noch viel Glanz und blendet manchen auch ganz oben in Oslo. Norwegen rappelt sich mühsam aus der wirtschaftlichen Misere der zwanziger Jahre hoch. Seine Hauptstadt ist „streng genommen eine zu groß gewordene Kleinstadt und ihr Verbrechermilieu klein und durchsichtig”.

So durchsichtig ist es dann doch nicht. Am 10. Januar 1934 wird der Großhändler Rustad in seinem Wagen durch vier Schüsse in den Kopf getötet, ein Mord aus einem Kreis, „zu dem Oslos Feld-, Wald- und Wiesengauner keinen Zugang haben”.

Der junge Reporter wühlt sich durch. Sein Jugendfreund Lennart Winther hilft ihm. Er hat in Deutschland als Filmschauspieler in kleinen Rollen eine bescheidene Karriere gemacht und begleitet jetzt den deutschen Regisseur von Manteuffel, der Knut Hamsuns Roman „Hunger” verfilmen will.  

Die stringent erzählte Geschichte aus einer einzigen Perspektive lässt sich leicht lesen, die Gestalten sind glaubwürdig, die Atmosphäre von Ort und Zeit stimmt. Auch das Verhältnis von Kripo und Presse ist nachvollziehbar. Der Reporter lernt noch, sein Chef warnt ihn immer wieder, als Reporter niemals die Arbeit eines Detektivs zu

machen. Erfjord versucht’s und löst auf seinem Weg den Fall. Wer sich zum Ende der Story hin fragt, ob denn der Spinnenmann in Oslo nicht blühender Fantasie zweier Autoren entsprungen ist, bekommt auf Seite 283 eine Antwort, wie es sich für Historiker gehört, mit exakten Quellenangaben.

Was dem Buch fehlt, sei hier nachgeholt: auf Norwegisch ist bereits ein zweiter Titel mit Erik Erfjord erschienen.


Der Spinnenmann

Terje Emberland / Bernt Rougthvedt

DER SPINNENMANN

Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs und Andreas Brunstermann. Erschienen als

Aufbau Taschenbuch

im Aufbau Verlag, Berlin.

ISBN 978-3-7466-2954-4, € 9,99.

 

Aufbau Verlag/Der Spinnenmann

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Seemannsgarn mit Käpt'n Hein Mück

►►► Tja, da kamen Einladungen an Hein Mück und seine Herzallerliebste, zum gemeinsamen Feiern des Jahreswechsels, zu einem Abendessen, zum Geburtstag und zu einem Vereinsfest mit Tanz. Da nun beide gern mal ausgehen, taucht immer die gleiche Frage auf: Was zieht man an? Dass Damen so etwas wissen wollen, ist klar. Früher stand auf Einladungen etwa „Abendanzug” und man wusste, der Smoking war angesagt. Heute ist das alles anders. So gehört Hein als männliches Wesen heute auch zu denen, die Hilfe brauchen. Als Hein als junger Mann zum ersten Mal zu einem offiziellen Geburtstag eingeladen wurde, war klar, dass man in Anzug und mit Schlips und Kragen zu dem Fest ging. Der Dame des Hauses brachte man einen Blumenstrauß mit. Das tut Hein heute immer noch, aber er hat von seiner Herzallerliebsten gehört, dass man heute vorher nach dem „dress code” für das Ereignis fragt. Es gibt immer mehr Herren, die ohne Krawatte auf Feste gehen, ein weißes Hemd kann man auch offen tragen. Wenn Hein sich auf Konzerten oder im Theater umsieht, dann findet diese Sitte immer mehr Anhänger. Die Schlipsträger sind in der Minderheit – und werden immer seltener. Aber gilt das auch in kleinem Kreis? Leider – muss Hein feststellen. Lässig und ungezwungen präsentiert man sich unter Freunden und Bekannten auch bei festlichen Ereignissen. Hein hielt dieses Verhalten einst typisch für die 68-er Generation und erinnert sich mit Grausen, dass der Hausherr zu seinem 80. Geburtstag einen Smoking mit weißem Jackett trug, seine erwachsenen Söhne jackenlos in Jeans und mit offenem Hemd gratulierten. Junge Leute haben andere Vorstellungen, muss Hein zugeben. Als er jetzt an Bord war, gab es drei „Gala”-Veranstaltungen. Und wie üblich stand als Kleider-Empfehlung auf dem Tagesprogramm „festlich elegant”. Hein zog seinen Smoking an, den er sich für all solche Einladungen einst hatte schneidern lassen. Und was sahen er und seine Herzallerliebste? „Festlich elegant” bedeutete für jeden etwas anderes. Wer im Blaumann arbeitet, für den mochten schon ein weißes Hemd und eine gebügelter Hose festlich sein. Für den nächsten stellte die silberfarbene Krawatte höchste Eleganz dar und wer einen dunklen Anzug trug und ein Einstecktuch, gehörte einer Minderheit an. Die Herren im Smoking hätten gerade mal an einem Tisch Platz gefunden.   Selbstverständlich trugen alle Schiffsoffiziere weiße Galauniform. Tja, dachte Hein, so ändert sich alles. Doch seinen Smoking wird er weiter auf Schiffsreisen mitnehmen, je nach Weltgegend mit weißem oder schwarzem Jackett. 

 

►►► Tja, der Lektor hatte am Nachmittag angesagt, dass der Oslofjord, in den man morgens einlaufen würde, der schönste auf dieser schönen Reise sei. Also hatte Hein den Wecker vorgestellt und war mit dickem Pullover und Anorak und Mütze kurz vorm Hellwerden vorn auf dem Sonnendeck erschienen, ein „Stockwerk” über der Brücke. Der Lotse war längst an Bord, von unten wehte Kaffeeduft im kühlen Fahrtwind hoch, der östliche Horizont hatte sich bereits rotweiß eingefärbt. Voraus zeigten Lichter und Widerschein die Stadt an, der sie sich in langsamer Fahrt näherten. Der Mond hing wie ein krummes Messer in einem Himmel, auf dem die Sterne verblassten. Es war noch viel zu dunkel, um fotografieren zu können. Also schob Hein seine Hände in die Taschen und wanderte hinter dem Schanzkleid langsam auf und ab, zählte Tonnen aus und erinnerte sich an die Zeiten, als er selber nach Lichtern seinen Kurs in den Hafen gefunden hatte. Er sah Fähren kreuzen, ärgerte sich, dass er deren Lichterführung nicht mehr erinnerte und freute sich über entgegenkommende Schiffe. „Rot an Rot und Grün an Grün kann unbesorgt vorüber zieh’n” war der Spruch, den er damals gelernt hatte. Dass es heute auf der Brücke ganz anders zu ging als einst, war klar. Demnächst würden auch Segelyachten mit einer eigenen Kennung auf dem Radarschirm erscheinen, die Berufsschifffahrt fuhr mit solchen Kennzeichen schon lange. Die ETA, die geschätzte Ankunftszeit, musste niemand mehr ausrechnen, das geschah heute alles elektronisch – in beide Richtungen. Man gab an, wann man wo sein wollte und bekam eine Empfehlung für die Speed. Oder man fuhr die Geschwindigkeit hoch oder runter und las ab, wann man entsprechend ankommen würde. Die alten Zeiten auf der Brücke waren vergangen, doch geblieben war das Einlaufen in einen Hafen – immer ein Erlebnis, besonders in Norwegen mit seinen atemberaubend schönen Fjorden. Tja, freute sich Hein, dass das sich wohl nie ändern würde. Und dann hörte er Schritte. Er sah sich um, dick eingemummelt war eine Gestalt erschienen und gesellte sich zu ihm. Dem Gruß und einem knappen Kommentar entnahm er, dass sich eine Frau zu ihm gesellt hatte, die schon öfter nach Oslo gefahren war. Aus den beiden wurden vier, als Oslo erkennbar war und beim Festmachen vor der Festung klickten dann die Kameras von einem guten Dutzend Fotografen. Beim Frühstück blickte Hein in viele fröhliche Gesichter. Man war angekommen und freute sich auf die Stadt. Das Einlaufen oder gar das Seemännische daran interessierte nur wenige. Das muss dann wohl so sein, dachte Hein. Das Schiff ist eben ein mitfahrendes Hotel.

 

►►► Tja, wie soll man lernen, was einem niemand mehr beibringt, fragte sich Hein neulich nach einer Autofahrt in die Stadt. Hein hatte nach Duschen und Frühstück zu

den Morgennachrichten sein Fitness Studio besucht und eine Stunde lang geübt, was sein sollte, zu Musik, die ständig lief. Unterwegs hatte der örtliche Sender leise Musik gespielt und war lauter geworden, als die Verkehrsmeldungen durchkamen. Kaum vorbei, ging die Musik weiter. Weniger hörbar war dann die Musik im Kaufhaus, und eher leise auch die im Restaurant. In der Fußgängerzone waren ihm viele junge Leute aufgefallen, die mit einem Stöpsel in einem Ohr nicht unfreundlich dreinblickend, in Gruppen oder allein von Fenster zu Fenster zogen und manchmal laut auflachten, obwohl sich im Fenster nichts tat. Heins Fazit: Ohne geht es offenbar nicht mehr, Musik muss überall sein und ständig laufen. Stille ist selten geworden. Das war nicht immer der Fall. Früher war Stille das Normale, Lärm die Ausnahme. Wenn Musik erklang, hörte man genau hin. Auf diese Weise hatte Hein Zuhören gelernt. Wenn heute ständig etwas ins Ohr dringt,  fragte sich Hein, wie kann man da das Hören üben? Will das überhaupt noch jemand? Hein war kürzlich auf einem Jahrmarkt in einem Zelt gewesen, um ein Bier zu trinken. Genauso lange hielt er es dort aus. Der Lärm blies den Bierschaum vom Glas, mit seinen Begleitern konnte Hein sich nur noch mit Zeichensprache verständigen. Doch ringsum sah Hein nur fröhliche Menschen, die jubelnd auf Bänke und Tisch stiegen. Ob das wohl die Folge von Musik ist, die ständig spielt und immer lauter wird, fragte sich Hein? Und war froh, als auf dem Nachhauseweg das lauteste Geräusch nur das vorbei fahrender Autos war.

 

►►► Tja, da hat Hein neulich von einem jungen Mann einen Spruch gehört, über den er immer noch nachdenkt: „Wer arbeitet, hat keine Zeit, Geld zu verdienen.” Wenn das ein Politiker hört oder ein Gewerkschaftler, dachte Hein. Die sagen doch immer, dass ein Mensch von seiner Arbeit leben können muss. Das sei eins der politischen Ziele aller Parteien. Und bisher war Hein auch davon überzeugt. Natürlich verdiente einer mehr, der andere weniger, der eine hatte mehr gelernt oder studiert oder mehr Glück gehabt, der andere nicht. Es war also richtig, dass man unterschiedlich viel verdiente. Doch von dem Verdienst sollte man wenigstens leben können. Darum war Hein u.a. auch für einen Mindestlohn, der dem Arbeitenden ein Auskommen sicherte. Und dann kam dieser Schnack. Er sagte schlichtweg, dass man mit Arbeit kein Geld verdienen kann, weil man dafür keine Zeit hat. Na ja, Hein hatte das in seinem Leben anders kennen gelernt. Doch dieser Satz ließ ihn nicht los. Denn er sagte auch, wenn einer Geld verdienen will, braucht er dafür Zeit. Zeit kann man nur einmal nutzen, dann ist sie weg. Wenn man sie mit Arbeit füllt, kann man mit der Zeit nichts anderes machen. Darum, so die Politiker und Gewerkschafter und auch Hein, muss Arbeit dem Arbeitenden ein Auskommen ermöglichen. Doch dann kam Hein noch auf eine dritte Auslegung: Wenn du Geld verdienen willst, brauchst du Zeit zum Nachdenken oder Vordenken oder Planen. Mit Arbeit bleibst du zwar auskömmlich am Leben, aber weit kommst du nicht damit. Wenn also Verdienst für dich sehr wichtig ist, nimm dir Zeit, füll sie nicht mit Arbeit. Der Spruch stimmt, denkt Hein, aber irgendwie ist er mit ihm noch nicht ganz fertig.


►►► Tja, über den Streik der Lokführer hat Hein, überzeugter Demokrat, sich mit seinen Freunden gestritten. Er ist – wie  sie – der Meinung, auf das demokratische Grundrecht zu streiken, dürfen wir nie verzichten. Hein meinte, dass man sich mit denen streiten darf, mit denen man einen Tarifvertrag abschließen will. Und wenn die Arbeitgeber nicht wollen, muss man sie eben dazu bewegen, meinten seine Freunde. Wieder nickte Hein. Doch dann schieden sich die Geister. Also ist ein Streik gerechtfertigt, sagten die Freunde. Ja, stimmte Hein zu, aber nur, wenn er die trifft, die auch gemeint sind. Du bist das nicht und keiner von uns, denn wir machen die Verträge nicht. Darum sollten wir unter einem Streik auch nicht leiden. Höh, höh, protestierten die Freunde. Hein blieb beharrlich. Hundertausende kommen zu spät oder gar nicht an und können nichts an dem Zustand ändern. Aber wie willst du die allein treffen, die den Tarifvertrag als Arbeitgeber abschließen, wollten die Freunde wissen? Das sind doch nur der Vorstand und vielleicht noch der Aufsichtsrat, also ein paar Dutzend Leute höchstens. Richtig sagte Hein, aber nur weil man keine Mittel hat, die allein zu treffen, kann man doch nicht hunderttausende sozusagen bestrafen. Fällt dir was Besseres ein, wollt man von Hein wissen? Nein, musste Hein zugeben, er habe sich auch erst seit dem Lokführerstreik mit der Frage beschäftigt, also ganze zwei Wochen. Aber die Gewerkschaften hätten mehr als 150 Jahre Zeit gehabt, sich was auszudenken. Aber dass die Streikenden den Herrn meinen und den Hund prügeln – das geht nicht.

 

►►►Tja, am Ende ist alles gut, und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.” Als Hein den Satz in einem Film das erste Mal hörte, war er ganz angetan. Der Satz hatte Witz und war sehr ernst gemeint. Er liebte ihn so sehr, dass er ihn gern zitierte, auf Reisen und anderswo. Überall wurde dazu genickt. Und dann fiel Hein eines Herbsttages, als der Regen alles im Garten in Trauer verwandelte, dazu dieser Satz ein: „Am Ende ist alles schlecht, und wenn es nicht schlecht ist, dann ist es noch nicht das Ende.” Auch dieser Satz stimmte irgendwie, aber er gefiel Hein nicht so recht. Lag es daran, dass man eher weiß, wenn „alles gut” ist, als wenn „alles schlecht” ist? „Es könnte schlimmer kommen”, sagen Heins Freunde, die er in Irland gewonnen hat, meist mit einem Zwinkern in den Augen. Dass es auch besser kommen könnte, hat Hein nie von ihnen gehört. Sind die irischen Freunde also Menschen, die leicht oder mit allem zufrieden sind? Hein kann diese Frage nicht beantworten. Er meint aber, nach einigem Nachdenken, dass diese Aussage aus der gleichen Ecke stammt, wie die von dem Glas, das zu fünfzig Prozent gefüllt ist. „Halb voll” nennen es die einen, „halb leer” die anderen. Es kommt wohl auf den Beschauer an, denkt Hein sich. So wie Schönheit im Auge des Betrachters entsteht, entsteht der Blick auf die Welt dort auch, dieser und eben auch jener. 

hr