Veus-Log

VEUS-LOG-Schriftzug

Offizielles Organ der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten

Dipl.-Ing. Peter Pospiech

1. Vorsitzender der VEUS und

Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin

Telefon +49-49 52-82 69 087

Mobil +49-1 71-62 90 729

pospiechp@googlemail.com

Foto: Peter Pospiech, Rhauderfehn 

hr

Moderner Schifffahrtsjournalismus

Im Dschungel des Internets

Waren das noch Zeiten: wenn man ein bestimmtes Pressebild oder – informationen benötigte. Da rief man ein einfach der Reihe nach die guten Kontakte in den Pressestellen an und sagte ihnen, was man benötigt. Zum Beispiel ein Bild von einem Wendeuntersetzungsgetriebe auf dem Prüfstand des Herstellers. Die Kontakte tauchten in ihre Archive ab, kamen wieder an die Oberfläche und, noch atemlos, prusteten: „Is nich!”. Und wie bekommen wir nun die Kuh vom Eis? „Kein Problem, wir haben gerade ein Getriebe auf dem Prüfstand. Ich gehe mal hin, mach’ eins und schicke es dir zu”.

Manche Kollegen würden nun sagen „Bingo”. Ich sage: Danke für die prompte Hilfe! (Auch das ist heute überhaupt nicht mehr selbstverständlich). Aber wie ist es heute? Nach geschätzten und gefühlten 50 anstrengenden Stunden am Computer und der Durchforstung (meine weltbeste Ehefrau bemerkt zu Recht wie ineffizient ich doch bin!) von schätzungsweise 6.540 Bildern unterschiedlicher Herkunft. Es nervt, dass ich alle Bilder zweimal anschauen muss, weil auf den fingernagelgroßen, so genannten „thumbnails”, nichts zu erkennen ist. Oder können Sie auf den Minibildchen etwas erkennen?

Das ist das Problem der Informationssuche in den Media-Portalen der maritimen relevanten Industrie. Tatsächlich haben alle Portale eines gemeinsam: Sie sind eine riesige Anhäufung von Bildern und Texten in Datenbanken, deren Strukturen die Internet-Verantwortlichen und Computer-Spezialisten natürlich bestens kennen.

Und hier liegt „der Hase im Pfeffer”: Ich habe den Eindruck, dass diese Fachleute ihr Lieblingsspielzeug nutzen, ohne im Entferntesten jemals mit einem Journalisten über dessen Bedürfnisse gesprochen zu haben.

Wie nennt man das noch? Ach ja: Kundenorientierung! Oder sind wir Journalisten keine Kunden?

Aber kommen wir zurück auf die Bedürfnisse: Keinem Computer-Spezialisten, der auf sich hält, käme es in den Sinn Standard-Datenbank-Software, die für mich als Laien noch einigermaßen nachvollziehbar wäre, zu nutzen. Dabei wäre sie genau das richtige für uns. 

Zur Massenhaftigkeit des Datenbestandes aus den gesammelten Archiven der letzten zehn Jahre Pressearbeit der maritimen Industrie kommt dann noch ein unübersehbares Chaos unterschiedlicher Strukturen hinzu. Vom Sammeltopf mit allen Bildern oder Texten drin, bis hin zu einfach gegliederten Verzeichnissen. Dabei ist es einfach den Journalisten eine brauchbare Hilfe zu bieten: die Volltextsuche! Diese Suchmaschine sucht in den Dateititeln, den Dateibeschreibungen oder im Inhalt der Textdatei nach Ergebnissen, die sie dann zur Auswahl anzeigt. Und das funktioniert schon lange in anderen Bereichen.

Es gibt also bei allen vorhandenen Media-Portalen in der maritimen Industrie erheblichen Renovierungs-, Erneuerungs- und Vereinfachungsbedarf, um uns Journalisten die Arbeit zu erleichtern und nicht der eigenen Pressestelle. Warum ist es so schwierig eine vernünftige Datenbanksoftware zu nutzen? Liegt es daran weil die Struktur-Verantwortlichen ganz anders denken als recherchierende Journalisten? Es wäre doch sicherlich sinnvoll, wenn sich ein Datenbank-Verantwortlicher mit den Journalisten zusammensetzt und ihm zuhört, was benötigt wird. Zum Beispiel eine Abfrage relevante, mit Volltextsuche, Datenbank! Damit wären wir Journalisten in der Lage, schnell zu recherchieren. Dipl.-Ing. Peter Pospiech

hr

Dipl.-Ing. Manfred Urban, CEO der MMG ist sich sicher: „Unsere Erfahrung lässt sich nicht so leicht kopieren”.

Dipl.-Ing. Manfred Urban, CEO der MMG ist sich sicher: „Unsere Erfahrung lässt sich nicht so leicht kopieren”.

 

Waren an der Müritz:

Das „Silikon Valley” der Schiffspropeller-Technology

Die größten Schiffspropeller der Welt werden nicht an der Küste gebaut, sondern haben ihre Wiege im Norden Deutschlands. Genauer gesagt: Mitten in der Mecklenburgischen Seenplatte. Seit mehr als 65 Jahren baut die MMG – Mecklenburger Metallguss GmbH im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern Propeller für die Schifffahrt. Darunter die größten und die schnellsten. Die schwersten bringen 130 Tonnen „auf die Waage”. Ihre Herstellung erfordert Fingerspitzengefühl und viel Geduld. 

Seitdem sich der Handelsschiffbau aus Deutschland Richtung Asien verabschiedete, sind die Öfen in Waren an der Müritz, dem Standort der MMG seit rund 65 Jahren, noch lange nicht aus. Im Gegenteil. Das Geschäft läuft gut. 95 Prozent der Produktion werden mittlerweile nach Asien geliefert. Vor zwei Jahren erst haben Geschäftsführer Dipl.-Ing. Manfred Urban und seine rund 235 Mitarbeiter einen neuen Großauftrag zur Lieferung an eine Werft in Südkorea an Land gezogen. „Wir haben die zehn größten Containerschiffe der Welt mit Schiffsschrauben ausgerüstet”, berichtet er nicht ohne Stolz. Sie wurden für die dänische Reederei Maersk gebaut und bieten bis zu 18.000 Containerstellplätze. Besonders lukrativ für die Warener war die Tatsache, dass die neuen Riesen nicht wie sonst bei Frachtschiffen üblich, mit einem Propeller angetrieben werden, sondern mit zwei. Anders war die nötige Leistung gar nicht mehr ins Wasser zu bringen. Das bis dahin größte Containerschiff hatte laut Urban 13.400 Stellplätze. Den dafür notwendigen Propeller hatte übrigens auch MMG geliefert. 130 Tonnen schwer, zehn Meter Durchmesser. „Aber nicht die Größe und das Gewicht sind entscheidend, sondern dass alle Parameter optimal auf das zugehörige Schiff zugeschnitten sind”, weiß Urban. 

Der Propellerbau gilt nicht ohne Grund als Königsdisziplin des Schiffbaus. Als entscheidendes Bindeglied  zwischen der Kraft der Maschine und dem Wasser muss der Propeller ein Schiff ohne allzu große  „Schaumschlägerei” über die Weltmeere schieben. Rund 140.000-mal dreht er sich bei großen Containerschiffen am Tag. Bei Kreuzfahrtschiffen noch öfter. Am liebsten konstruiert die MMG ihre Propeller selbst und kann dabei auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurückgreifen.

Immerhin sind über 2500 Schiffe mit Propellern von der Müritz ausgerüstet worden, jährlich kommen rund 150 dazu. Dennoch: Alle Entwürfe werden an Modellschiffen in Schiffbauversuchsanstalten überprüft, auch wenn die komplexen Strömungsverhältnisse rund um die Flunken immer öfter auch am Computer berechnet werden. Hinzu kommen Festigkeitsberechnungen, die sicherstellen, dass der Propeller allen Belastungssituationen standhält. Offenbar ist die Gusstechnik so anspruchsvoll und das Wissen über die richtige Konstruktion eines Propellers so schwer zu gewinnen, dass sich in Japan, Korea und China bislang keine großen Konkurrenten für die Schiffsschrauben „Made in Germany” formieren konnten. Das ist besonders erstaunlich, da asiatische Werften seit Jahren dabei sind, Techniken aus dem Westen, vorsichtig gesagt, zu adaptieren.

„Unsere Erfahrung lässt sich nicht so leicht kopieren”, sind sich die MMG-Propellerbauer sicher. Dagegen mussten sie die, um sich erfolgreich auf dem Weltmarkt zu behaupten, erst sammeln. Denn der Kampf um Kunden war für Manfred Urban absolutes Neuland, als er nach der Wende die Leitung des Betriebes übernahm. Als die Mauer fiel, „wollte die Belegschaft mit der alten Betriebsleitung nichts mehr zu tun haben”, erinnert sich Urban. Er übernahm das Ruder. Und hatte eigentlich kaum eine Chance. Die DDR hatte seit 1954 fast ausschließlich Schiffe für die Sowjetunion gebaut – gegen Rubel, die im Westen wertlos waren. Über Nacht verlor der Betrieb seinen einzigen großen Kunden. Nach der Privatisierung wurden die Probleme nicht weniger. Von  der Treuhandgesellschaft wurde MMG 1992 an den Werftkonzern Bremer Vulkan verkauft, der fast alle großen  ostdeutschen Werftbetriebe übernahm. Dann kam einer der großen Wirtschaftsskandale der Nachwendezeit: Die  Vulkan-Verantwortlichen in Bremen zweigten hunderte Millionen Deutsche Mark an Subventionszahlungen für  ihre Westbetriebe ab, gingen 1995 dennoch in Konkurs – und rissen auch MMG mit in den Strudel. Es kam zur zweiten Privatisierung. Und jetzt drehte MMG auf, nachdem die Propellerbauer von der Deutschen Gießerei- und Industrie-Holding AG (Dihag) in Essen übernommen wurden. Es lief wieder rund.

 

Die Kunst der Propellerherstellung

Die Mischung des Materials ist kein Geheimnis. Rund 80 Prozent sind Kupfer, der Rest Aluminium, Eisen, Mangan und Nickel. Und auch Konstruktion, Guss und mechanische Nachbearbeitung gehören durchaus zum Standard der Branche. Beim Preis gibt es sogar Konkurrenten, die günstiger sind. Was also macht ein mittelständisches Unternehmen aus der mecklenburgischen Provinz zum Weltmarktführer bei großen Schiffspropellern? „Nun ja”, meint Geschäftsführer Manfred Urban etwas zurückhaltend, da gäbe es bei den genannten Punkten schon noch „einige Tricks und Kniffe”. Der eigentliche Grund sei neben technologischer Weitsicht und optimaler Qualität aber „das Vertrauen”, das die Kunden in die Mecklenburger Metallguss GmbH (MMG) setzten. „Die Werften müssen sich darauf verlassen können”, so Urban, „dass sie von uns zur richtigen Zeit das bekommen, was sie erwarten”.  

Dieses Vertrauen in die Mecklenburger ist in den letzten Jahren weltweit ständig gewachsen. Vertrauen ist deshalb so wichtig, weil der Propeller das einzige Teil ist, das nach dem sogenannten Ausdocken nicht mehr modifiziert oder ausgewechselt werden kann, ohne dass das Schiff wieder aus dem Wasser muss. Vor dem Stapellauf kann die Antriebsschraube deshalb unter realen Bedingungen so gut wie nicht getestet werden, da muss einfach alles stimmen. Konstruktions- oder Materialfehler sowie Lieferverzögerungen hätten fatale Folgen – die Propeller und Schiffe, um die es geht, sind groß und teuer.

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Dabei paart sich modernste Bearbeitungstechnik mit dem handwerklichen Geschick der erfahrensten MMG-Mitarbeiter. Denn besonders sensible Bereiche, wie beispielsweise die Ein- und Austrittskanten, werden auch bei den größten Propellern noch von Hand geschliffen. Und immer wieder wird zwischendurch gemessen. Erst wenn er nach allen Prüfungen als passgenau gilt, wird eine Welle, oft sogar das Original, zur Probe in die Nabe eingelassen. Jetzt zeigt sich, ob wirklich sorgfältig gearbeitet wurde – und der Propeller auch nicht „eiert”.

Dann geht alles ganz schnell. Der Propeller erhält ein Abnahmezeugnis, ausgestellt von einer Klassifikationsgesellschaft, vergleichbar dem TÜV an Land. Dann macht er sich auf den langen Weg zu „seinem”  Schiff, das eben oft in Asien entsteht. Erst auf einem Schwerlasttieflader zum Hamburger Hafen, und von hier aus dann noch „auf” und nicht „am” Schiff in eines der Schiffbauländer der Welt. Dipl.-Ing. Peter Pospiech

Stammsitz der Mecklenburger Metallguss GmbH in Waren an der Müritz.
Stammsitz der Mecklenburger Metallguss GmbH in Waren an der Müritz.
Die größten Kupferschmelzöfen sind in Waren zu finden.

Die größten Kupferschmelzöfen sind in Waren zu finden.

  Mehr als 1.100 Grad heißes Metall fließt in die vorbereitete Propellerform.Mehr als 1.100 Grad heißes Metall fließt in die vorbereitete Propellerform.
Die fertige, vorbereitete Propellergussform steht bereit zum Füllen.Die fertige, vorbereitete Propellergussform steht bereit zum Füllen.   Besonderes sensible Bereiche am Propeller werden immer noch von erfahrenen Mitarbeitern von Hand bearbeitet.

Besonderes sensible Bereiche am Propeller werden immer noch von erfahrenen Mitarbeitern von Hand bearbeitet.

Mittels magnetischer Rissprüfung wird jeder Propeller auf mögliche Lunker oder von außen nicht sichtbare Risse überprüft.

Mittels magnetischer Rissprüfung wird jeder Propeller auf mögliche Lunker oder von außen nicht sichtbare Risse überprüft.

  Das Kunstwerk ist fertig zum Transport.Das Kunstwerk ist fertig zum Transport.
Endlich an seinem Bestimmungsort angekommen: Die Montage des Propellers am Schiff.

Endlich an seinem Bestimmungsort angekommen: Die Montage des Propellers am Schiff.

hr
Seit 2001 ein gewohnter Anblick: Die NILS HOLGERSSON passiert nach dem Ablegen die berühmten Vorderreihe in Travemünde.

Seit 2001 ein gewohnter Anblick: Die NILS HOLGERSSON passiert nach dem Ablegen die berühmten Vorderreihe in Travemünde.

VEUS-Reise auf der Linie Travemünde – Trelleborg

Journalistenvereinigung begeht 15jähriges Jubiläum auf den Fährschiffen der TT-Line

Das 15jährige Jubiläum der im September 1999 gegründeten Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten (VEUS) e. V. nahm der Verband zum Anlass, seine Mitglieder im Rahmen einer Fährschiff-Rundreise über die Ostsee zusammenzubringen. Die Vereinsreise fand am Wochenende 24. bis 26. Oktober 2014 an Bord der modernen RoPax-Fähren PETER PAN und NILS HOLGERSSON der deutschen Fährreederei TT-Line statt, die ganzjährig zwischen Travemünde und dem schwedischen Trelleborg verkehren.

Bevor es jedoch am Freitagabend in Travemünde an Bord der PETER PAN ging, stand für die Teilnehmer zunächst noch ein Fachvortrag auf dem Programm, für den Hans-Georg Clever hatte gewonnen werden können, der hauseigene Naval Architect und S&Q (Safety & Quality) Manager der TT-Line. Thema des Vortrages im Travemünder Hafenhaus war die „Sulphur Directive” der IMO, der zufolge ab Januar 2015 alle Schiffe in den sogenannten SECA-Gebieten (Sulphur Emission Control Areas) Nordeuropas ihren Schwefeloxid-Ausstoß auf 0,1 Prozent senken müssen. Den Reedereien stehen hierzu vier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, jedoch muss für fast jedes Schiff und jede Route eine individuelle Lösung gefunden werden, die vom Alter und Zustand der vorhandenen Tonnage und vom jeweiligen Fahrtgebiet abhängig sind. Denn während vor allem norwegische Reedereien aufgrund der bereits vorhandenen Infrastruktur seit einigen Jahren auf Neubauten setzen, die mit LNG anstatt mit Diesel oder Schweröl betrieben werden, kommt diese Lösung in der südlichen Ostsee (noch) nicht in Frage. Hier können die vorhandenen Schiffe entweder mit Abgaswäschern, „Scrubbern”, nachgerüstet werden, um auch weiterhin mit Schweröl betrieben werden zu können, oder sie müssen auf speziellen (und teuren) Niedrigschwefel-Schiffsdiesel umsteigen, der den Schwefeloxid-Ausstoß ebenfalls unter das vorgeschriebene senken lässt. Ein vierter Weg ist die Umstellung der Schiffsmaschine auf den Betrieb von Methanol, wie ihn z. B. die Stena Line seit einigen Monaten testet.  

Bei der TT-Line hat man sich für eine Mischung aus den Punkten 2 und 3 entschieden: Eines ihrer Schiffe, die 1995 gebaute ROBIN HOOD, wurde im Sommer 2014 mit einem Scrubber ausgerüstet, die fünf übrigen Einheiten steigen dagegen im Januar 2015 zunächst auf ULSD („ultra-low sulphur diesel oil”, besagter Niedrigschwefel-Schiffsdiesel) um. Dass dies so ist, hänge nicht zuletzt mit dem Aufwand zusammen, den allein der Einbau eines Scrubbers auf einem einzigen Schiff erfordere, so Clever. Immerhin nimmt nicht nur der Abgaswäscher selber viel Platz ein, auch die dazugehörigen neuen Maschinen-Komponenten, Rohre, Leitungen und Kontrollinstrumente müssen im Schiff untergebracht werden, oft auf Kosten der wertvollen Ladekapazität. Darüber hinaus führt der Einbau auch zu einer Gewichtszunahme des Schiffes, die mitunter durch andere Baumaßnahmen an Bord kompensiert werden muss. Auch will die Wahl zwischen einem offenen und einem geschlossenen Kreislauf (open/closed loop) wohlüberlegt sein. Und schließlich fällt das Schiff auch noch wegen der notwendigen Werftzeit für den Liniendienst aus, der Zeitpunkt der Dockung muss also in eine verkehrsschwache Periode fallen und wenn möglich gleich auch noch mit ohnehin anstehenden Renovierungs- und Klassearbeiten verbunden werden. Bei der ROBIN HOOD begannen Planung und Design der Scrubber-Anlage im Januar 2014, der Einbau erfolgte Anfang August, und der Testbetrieb lief schließlich bis Ende November. Dass all dies innerhalb der veranschlagten Zeit und ohne größere Probleme über die Bühne lief, grenzt angesichts der Komplexität des Umbaus, welche die im Rahmen des Vortrages vorgeführten Fotos vom Werftaufenthalt der ROBIN HOOD eindrucksvoll belegten, fast an ein Wunder.

Vergleichsweise unspektakulär nahm sich dagegen wenig später der Bordalltag auf der PETER PAN aus. An Bord ging es trotz einer kleinen Verspätung des Schiffes um 20 Uhr, und auch das Ablegen vom Skandinavienkai erfolgte pünktlich auf die Minute zwei Stunden später. Da waren die meisten Passagiere an Bord aber schon frisch gestärkt, schließlich öffnet das Büffet-Restaurant seine Pforten, sobald das Boarding beginnt. Und da die Schwedenfähren in der Nebensaison nur schwach gebucht sind (151 Passagiere + 64 LKW-Fahrer in diesem Fall), ging es entsprechend ruhig zu an Bord, so dass man viel Platz hatte im Restaurant und in den Lounges des 2001 auf der Bremerhavener Schichau-Seebeckwerft gebauten Schiffes. Auch gibt es auf den Fähren nach Trelleborg kein richtiges Nachtleben mehr, seit die Abschaffung des

Duty-Free-Verkaufs im Sommer 1999 dem Minikreuzfahrt-Geschäft ein Ende gemacht hat. Um 23 Uhr sind Shop und Rezeption geschlossen, und man kann guten Gewissens zu Bett gehen, schließlich sind die Kabinen gemütlich und geräumig. Und im Gegensatz zu den Fähren von Rostock oder Swinoujscie nach Trelleborg dauert die Nachtfahrt ab Travemünde auch lange genug, um ausreichend Schlaf zu bekommen. Erst um 7:30 Uhr macht die PETER PAN in Trelleborg fest, da reicht die Zeit am Morgen sogar noch für ein Frühstück in aller Ruhe. Ausgeschlafen und frisch gestärkt kann dann der Tag beginnen.

Nach einer Busfahrt ins nahegelegene Malmö steht dort für die teilnehmenden VEUS-Mitglieder zunächst ein Besuch des Schifffahrtsmuseums (Sjöfartens Hus) auf dem Programm. Besonders gefällt hier der Nachbau des Promenadendecks der ehemaligen Malmö-Kopenhagen-Fähre ÖRESUND aus dem Jahr 1960 sowie das im Hof des Museums zur Besichtigung freigegebene schwedische Küsten-U-Boot U 3 (Baujahr 1942). Das moderne Malmö dagegen versteckt seine Schiffe fast, denn ein Großteil des Schiffsverkehrs wird seit 2010 im neu gebauten Hafenareal „Norra Hamnen” abgewickelt. Dort machen in erster Linie Autotransporter und Feeder-Containerschiffe, aber auch die RoRo-Fähren des TT-Line-Konkurrenten Finnlines fest. Im alten Hafen dagegen wurden Lagerhallen und ein Teil des ehemaligen Werftgeländes von Kockums in moderne Wohn- und Geschäftsviertel umgewandelt, nachdem die Schnellfährdienste nach Kopenhagen mit der Einweihung der Öresundbrücke im Jahr 2000 obsolet geworden waren. Als einziges Schiff treffen wir hier den kleinen Museumseisbrecher BORE (Baujahr 1894) an, der jedoch in der Nebensaison nicht für Besucher geöffnet ist.

Ganz anders dagegen der geschäftige Hafen von Trelleborg, wo am Samstagabend neben der NILS HOLGERSSON auch die HUCKLEBERRY FINN und TOM SAWYER (TT-Line), die GALILEUSZ (Unity Line) sowie die SASSNITZ und die MECKLENBURG-VORPOMMERN (beide Stena Line) festgemacht haben.

Nach einem weiteren großartigen Essen im Büffetrestaurant und noch vor der Abfahrt nach Travemünde nimmt sich diesmal Kapitän Bernd Ramisch ein paar Minuten Zeit, der VEUS-Delegation auf der Kommandobrücke seiner NILS HOLGERSSON einige Fragen zu beantworten. Auch für ihn und seine Besatzung habe sich z. B. der Alltag an Bord verändert, seit die beiden Travemünde-Fähren auf der Tagesfahrt noch einen Zwischenstopp in Rostock einlegen. Was die Zukunft der Route und die eventuelle Verschiebung von Ladungsströmen betrifft, wenn der Seetransport 2015 mit den neuen Emissionsobergrenzen für Seeschiffe teurer wird, zeigte er sich jedoch zuversichtlich. „Die Fahrer brauchen ihren Schlaf”, sagt er darauf anspielend, dass viele Spediteure nicht einfach auf den Landweg ausweichen können, weil sie dort die vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten können. Da ist die Nachtfähre nach Schweden nicht nur der einfachere, sondern auch der wesentlich komfortablere Weg.

Wie komfortabel genau, davon können sich die VEUS-Mitglieder am Abend überzeugen, als ihnen dank Zeitumstellung sogar noch eine Stunde geschenkt wird auf der Rückfahrt nach Travemünde. So bleibt z. B. genügend Zeit, sich in Ruhe die vielen Bilder mit maritimen Motiven anzusehen, mit denen die Reederei die Korridore und die öffentlichen Räume an Bord dekoriert hat – von der kleinen Yacht über Großsegler bis hin zu Leuchttürmen im Sturm findet man hier alles, was das Herz des schiffsbegeisterten Reisenden begehrt. Auch für einen Besuch im Bord-Shop ist genügend Zeit, selbst wenn die Zeiten und Preise von Duty Free längst Vergangenheit sind. Sogar ein kleines Kino und eine Sauna gibt es an Bord. Nur das Kinderspielzimmer ist an diesem Abend verwaist, doch auch das ändert sich hin und wieder, wenn die TT-Line im Sommer z. B. zu besonderen Familien-Rundreisen einlädt, auf denen Piratenpartys und Schnitzeljagden für die jungen Passagiere veranstaltet werden.

Und wer dann in Travemünde noch ein bisschen Zeit übrig hat, kann jahrein, jahraus, sowieso immer noch das Wahrzeichen von Lübecks kleiner Schwester besichtigen: die Viermastbark PASSAT, die seit 1966 als Museumsschiff in Travemünde vertäut liegt. Pünktlich um 7:15 Uhr passiert auch unsere NILS HOLGERSSON am Sonntagmorgen den Großsegler, ehe die Jubiläumsfahrt der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten wenig später vor den Toren des Hafenhauses endet. Kai Ortel

Die NILS HOLGERSSON passiert die Nordermole in Travemünde für ihre Fahrt nach Trelleborg. Auf den Tagesfahrten läuft das Schiff auch Rostock an,

Die NILS HOLGERSSON passiert die Nordermole in Travemünde für ihre Fahrt nach Trelleborg. Auf den Tagesfahrten läuft das Schiff auch Rostock an,

um Fracht aufzunehmen.

Bei Öresund Dry Docks in Landskrona wurde im August 2014 der Scrubber im neu gefertigten Schornstein installiert, bevor dieser an Bord montiert wird.
Bei Öresund Dry Docks in Landskrona wurde im August 2014 der Scrubber im neu gefertigten Schornstein installiert, bevor dieser an Bord montiert wird.
  Der Hybrid-Scrubber der Firma Wärtsilä in der schematischen Röntgen-Ansicht des Schornsteins der ROBIN HOOD.

Der Hybrid-Scrubber der Firma Wärtsilä in der schematischen Röntgen-Ansicht des Schornsteins der ROBIN HOOD.

Der Frachttransport, hier das voll beladene Wetterdeck der NILS HOLGERSSON, ist mittlerweile das Hauptgeschäft der TT-Line.

Der Frachttransport, hier das voll beladene Wetterdeck der NILS HOLGERSSON, ist mittlerweile das Hauptgeschäft der TT-Line. 

  Im Winterschlaf: der 1894 gebaute Museumseisbrecher BORE im alten Hafen von Malmö, im Hintergrund die Malmö-Travemünde-Fähre FINNCLIPPER.

Im Winterschlaf: der 1894 gebaute Museumseisbrecher BORE im alten Hafen von Malmö, im Hintergrund die Malmö-Travemünde-Fähre FINNCLIPPER.

Das U-Boot U 3 wurde 1942 für Patrouillenfahrten entlang der schwedischen Küste in Karlskrona gebaut und war bis 1965 in Dienst.

Das U-Boot U 3 wurde 1942 für Patrouillenfahrten entlang der schwedischen Küste in Karlskrona gebaut und war bis 1965 in Dienst.

  Im Schifffahrtsmuseum von Malmö wird im Nachbau des Promenadendecks der 1960 gebauten Fähre ÖRESUND die Zeit der Öresund-Fähren wieder lebendig.

Im Schifffahrtsmuseum von Malmö wird im Nachbau des Promenadendecks der 1960 gebauten Fähre ÖRESUND die Zeit der Öresund-Fähren wieder lebendig.

Modernste Navigationselektronik auf der Kommandobrücke der NILS HOLGERSSON, hier mit Blick auf die abendlich beleuchtete Hafenfront von Trelleborg.

Modernste Navigationselektronik auf der Kommandobrücke der NILS HOLGERSSON, hier mit Blick auf die abendlich beleuchtete Hafenfront von Trelleborg.

  Tradition und Moderne Hand in Hand – Seekarten in gedruckter und elektronischer Form auf der Kommandobrücke der NILS HOLGERSSON.

Tradition und Moderne Hand in Hand – Seekarten in gedruckter und elektronischer Form auf der Kommandobrücke der NILS HOLGERSSON.

Auf der PETER PAN lädt eine gemütliche Arkade während der Fahrt nach Trelleborg zum Verweilen ein.
Auf der PETER PAN lädt eine gemütliche Arkade während der Fahrt nach Trelleborg zum Verweilen ein.
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BOOTSMÄNNER

Vladimir Karnichen, Matrose aus Izmail

Vladimir Karnichen, ein ukrainischer Matrose auf dem Tankmotorschiff TATJANA.

„Matrose” ‒ dieses Wort hat für viele Menschen den Klang von Fernweh, Freiheit und Schifffahrtsromantik. Tuckernde Schiffsdiesel stehen für gleichförmige, langsame Fortbewegung, sei es nun auf hoher See oder auf Binnenwasserstraßen ‒ ganz im Gegensatz zur hektischen Betriebsamkeit des Alltags und dem täglichen Wahnsinn im europäischen Straßennetz.

„Matrose” steht aber auch für anstrengende Arbeit bei jedem Wetter, Leben auf engem Raum, Schichtarbeit und Trennung von der eigenen Familie. Bedarf es als Nautiker einer besonderen Berufung oder ist es sogar ein Traumberuf?

Für viele ist es das sicher, vor allem für diejenigen, die einen Aufstieg zum Schiffsführer bzw. Kapitän planen und zukünftig ein Schiffskommando übernehmen wollen.

Für Vladimir Karnichen, ukrainischer Matrose auf dem Tankmotorschiff TATJANA, welches bei Stromkilometer 1925 am rechten Ufer der Donau in Wien festgemacht liegt, ist es kein Traumberuf.

An diesem schönen sonnigen Tag an der Donau, erzählt der 52-Jährige aus Izmail in der Ukraine, der seit 30 Jahren auf Schiffen arbeitet, er wäre lieber Handwerker geworden.

Bei den mehrwöchigen Reisen auf den Wasserstraßen in Österreich und Deutschland ist er nach eigenen Angaben mit dem Herzen immer zuhause. In Izmail hat er ein kleines Haus, an dem es immer etwas zu arbeiten gilt. Hier, abseits seines Brotberufs als Matrose und in der freien Zeit nach den langen Reisen, kann Vladimir Karnichen das tun, was für Ihn offensichtlich Berufung bedeutet – als Handwerker etwas mit seinen eigenen Händen erbauen.

Thomas Jantzen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vladimir Karnichen, ein ukrainischer Matrose auf dem Tankmotorschiff TATJANA.

hr
Das Containerschiff EBERHARDT ARCTIC ankert vor der slowenischen Hafenstadt Koper in der Nordadria.
Das Containerschiff EBERHARDT ARCTIC ankert vor der slowenischen Hafenstadt Koper in der Nordadria.

„Baltic Dry Index” ‒ Barometer der Weltwirtschaft  

Wie ein Preisindex für Schiffsfracht, der in den täglichen Mainstreamnachrichten keine nennenswerte Beachtung findet, ein genaues Bild über die Befindlichkeit der Weltwirtschaft zeichnet.

Nachdem der „Baltic Dry Index” (BDI) bis Mitte des Jahres 2014 von 2.000 Punkten um mehr als 50 Prozent gefallen war, und in den Medien schon von Einbruch und schlechten Zeichen für die Wirtschaft und Aktienmärkte die Rede war, hat sich der BDI mittlerweile wieder etwas erholt und Ende November bei 1.239 Punkten eingependelt.

Diese Zahlen gewinnen natürlich mehr an Aussagekraft, wenn man bedenkt, dass der „Baltic Dry Index” im Sommer 2008 vor Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise einen Höchststand von sagenhaften 12.000 Punkten hatte.

Aber was macht einen Preisindex für das weltweite Verschiffen von Trockenschüttgütern auf Standardrouten ‒ hauptsächlich die wichtigen Rohstoffe Getreide, Kohle, Eisenerz aber auch Kupfer, Dünger und Kunststoffgranulat ‒ für die Befindlichkeit der Weltwirtschaft so aussagekräftig und daher auch zum Geheimtipp für Aktienkäufer?

Der im Januar 1985 mit einen Basiswert von 1.000 Punkten und unter dem ursprünglichen Namen „Baltic Fright Index” (BFI) ‒ am 1. November 1999 erfolgte die Umbenennung in „”Baltic Dry Index” (BDI) ‒ veröffentlichte Preisindex wird von Montag bis Freitag um 13 Uhr von der Baltic Exchange in London bekannt gegeben. Im Gegensatz zu den Märkten für verzinsliche Wertpapiere und Aktien wird der BDI nicht durch Spekulation getrieben, da er ausschließlich aus den Angaben zu

 Frachtraten von Reedern, Schiffsmaklern und Charterern ermittelt wird und somit die reale Nachfrage in Beziehung zum realen Angebot für Transporte von Rohstoffen auf den weltweiten Standardrouten darstellt. Der BDI gliedert sich dabei in vier verschiedene Indizes für die Schiffsklassen Capsize, Panamax, Supramax und Handysize, die 26 Hauptschifffahrtsrouten abdecken.

Verschiffungskosten von Rohstoffen, die am Anfang des Produktionsablaufes stehen, ergeben ein sehr genaues Bild vom Umfang des Welthandelsvolumens. Aufstieg bzw. Rückgang des „Baltic Dry Index” signalisieren dadurch in gleicher Weise die Auf- und Abwärtsbewegungen des globalen Handels.

In seiner bisherigen Entwicklung zeigte der BDI deutliche zyklische Wendepunkte am Anfang und Ende jeder Rezession mit dem darauffolgenden wirtschaftlichen Aufschwung auf – und das mit einer Vorlaufzeit zur realen wirtschaftlichen Entwicklung von 8 bis 12 Monaten.

Da über 90 Prozent des globalen Handels über den Seeweg abgewickelt werden, ist der BDI ein wichtiger Frühindikator für den Welthandel und die damit verbundenen Finanzmärkte.

Eines gilt es aber bei der Analyse des BDI immer noch zu bedenken. Kurz vor Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise wurden viele neue Schiffe bestellt, um der boomenden Weltwirtschaft genügend Laderaum zur Verfügung zu stellen. Viele der Schiffe wurden aber erst nach Ausbruch der Krise ausgeliefert, was bis heute zu einem enormen Überangebot an Tonnage geführt hat und die Frachtraten drückt. Für manchen Beobachter gilt der „Baltic Dry Index” daher als verzerrt. Thomas Jantzen

hr
Eisbrecher ODEN beim Andockmanöver mit dem Eisbrecher VIDAR VIKING.
Eisbrecher ODEN beim Andockmanöver mit dem Eisbrecher VIDAR VIKING.

Subarktischer Kracher

Eiskalte Party mit ODEN in der nördlichen Ostsee 

Stockholm: Eine vierzehn Waggons lange Schlafwagen-Schlange schiebt sich an den Bahnsteig, der „Nordpilen”, zu Deutsch: „Nordpfeil”. Sein Kurs führt von der schwedischen Hauptstadt ins norwegische Narvik am Eismeer. „Wo wollt ihr hin?”, fragt der Schaffner verständnislos-erstaunt, als er das Fahrtziel liest, „da oben ist doch der Hund verfroren”.

Nach zwölfstündiger Nachtfahrt und 1.200 Kilometern müssen wir dem Eisenbahner Recht geben: Vor dem Abteilfenster tobt ein ausgewachsener Schneesturm. Der dichte Fichten/Birkenwald entlang der Strecke ist nur schemenhaft zu erkennen.

Eisige Minusgrade beißen uns beim Aussteigen unbarmherzig ins Gesicht.

 

Knattern in der Luft

Wie ausgestorben der von Schneemassen zugedeckte Fähr-, Holz- und Erzhafen Skelleftehamn. Kein Schiff weit und breit. Sind wir etwa versetzt worden? Der Hafenkapitän weiß mehr: „Eisbrecher ODEN operiert ein paar Seemeilen vor der Küste, aber an Bord sind sie informiert, dass ihr hier seid”. Beruhigend zu hören.

Eine halbe Stunde später liegt ein peitschendes Knattern in der Luft. Durch die tiefhängenden grauen Wolken stößt ein grün-weißer Hubschrauber und landet auf dem Kai: unser Luft-Taxi-Service ins Eis. Als das Gepäck verstaut ist, startet Pilot Gunnar, wie er sich lächelnd vorstellt, die 700-PS-Turbine wieder durch. Zeit ist Geld.

Im 200-Kilometer-Tempo jagt die Maschine über die erstarrte Bottensee. „Den größten und stärksten schwedischen Eisbrecher habe ich mir gewaltiger vorgestellt”, krächzt Kollege Gerd anscheinend etwas enttäuscht durch die Kopfhörer, als die im Eis geparkte schwarz-gelbe ODEN schräg unter uns in Sicht kommt. Bei der Landung auf dem Helikopterdeck muss er seinen luftigen Eindruck allerdings korrigieren und gerät gleich ins Staunen: „Mein Gott, was für ’n Koloss!” Matrosen in Feuerschutzanzügen sorgen an Schaumlöschkanonen – der einzigen „Bewaffnung” des ehemaligen „sjöfartygs” der Königlich-Schwedischen Marine, das auch mal Flakgeschütze trug – für die vorgeschriebene Sicherheit.

 

Luxuriös wie auf einem Kreuzfahrer

Am Rand der Plattform ein freundlich-lächelnder „Vier-Streifen-Mann”. Kapitän Gunnar, Kapitän des bulligen 13.000-Tonners, heißt uns: „Herzlich willkommen auf der ODEN!” Der graubärtige Bilderbuch-Offizier schnappt sich wie selbstverständlich die Reisetaschen und dirigiert uns durch ein Labyrinth von Gängen über zwei Fahrstuhlstationen zu den Kammern. Luxuriös wie auf einem Kreuzfahrer erscheinen sie uns: modern eingerichteter Wohnraum mit Schreibtisch, separater Schlafbereich sowie Duschbad und Toilette. Der „Hausherr” sieht das berufsbedingt anders: „Bei dreiwöchigem Wechselschicht-Dienst, unterbrochen von jeweils einer Woche Urlaub, brauchen wir diesen Komfort. Schließlich sind wir von Ende November bis Ende Mai in dieser Einöde unterwegs. Da kann man sich leicht auf den Wecker gehen”. Darüber hinaus sind Kälte, Schnee, Eis und Sturm Dauerbegleiter der ODEN-Fahrer. Von wegen Sommerpause!

Dann nämlich gehen die „blauen Jungs” für das Schwedische Polarinstitut auf Forschungsfahrt in die Hocharktis. Für wissenschaftliche Zwecke können bis zu 30 Laborcontainer an Bord genommen werden. ODEN und die deutsche POLARSTERN stießen im Rahmen der International Arctic Ocean Expedition ARCTIC 91 am 7. September 1991 als erste konventionell angetriebene Überwasserschiffe sogar bis zum geographischen Nordpol vor. Das Konzept des ganzjährigen Betriebes hilft Kosten reduzieren. Ähnlich praktizieren es die finnischen Nachbarn, die ihre drei hochmodernen Mehrzweckeisbrecher BOTNICA, FENNICA und NORDICA als Off-shore-Versorger verchartern.   

 

Lautstarke Melodie

Es ist soweit: 24.500 PS lassen das stahlgepanzerte Spezialschiff in seinen Verbänden erzittern. ODEN nimmt wieder ihren Routine-Dienst auf, das Netz von Fahrrinnen entlang der Küste offenzuhalten und Frachter im Konvoi von und zu den Häfen zu geleiten. Das Eiskonzert beginnt. Poltern und Krachen sind die lautstarke Melodie.

Spezialität der 40 Millionen US-Dollar teuren ODEN ist ihre fast 30 Meter breite hammerförmige Bugkonstruktion mit einem Unterwassersporn. Der zerteilt das gebrochene Eis und schiebt es über die beiden Schultern seitlich unter die Eisdecke. Sechs Düsen, sogenannte Jet Thrusters, können stündlich bis zu 11.000 Kubikmeter Wasser aufs Eis pumpen, wodurch die Reibung stark vermindert und Energie gespart wird. Insgesamt entsteht so eine breite, nahezu eisfreie Rinne. Für die nachfolgenden Schiffe eine große Erleichterung.

Funkruf von der STELLA NORDIC: „Wir brauchen Unterstützung. Wann könnt ihr hier sein?” ODEN rumpelt über das eisige „Kopfsteinpflaster” und reißt vor dem Steven knallend „Mega-Laufmaschen” auf, durch die das Wasser schießt. Zurück bleibt „Schollensalat”. Eis von 1,80 Meter Mächtigkeit knackt sie noch mit drei Knoten Geschwindigkeit. 

 

Eissalat

Wenig später folgt das Küstenmotorschiff im frisch gebrochenen Eiskanal wie ein Hund an der Leine. Kurs Süd, bis leichtes Treibeis oder offenes Wasser erreicht ist. Wo das exakt sein wird, hat Gunnar Jansson schon vorher gewusst. Aktuelle computergestützte Satellitenaufnahmen weisen ihm den Weg. Aber auch die täglichen Eiserkundungsflüge, während der ein nautischer Offizier seine optischen Beobachtungen in die Seekarte einträgt. Zweiter Steuermann Joakim skizziert dabei aus unterschiedlichen Höhen die wind- und strömungsbedingten Drift-Bewegungen der Großschollen. Dazu gehört auch die verschiedenartigste Beschaffenheit des gefrorenen Ostsee-Wassers wie Neueis, Trümmereis, Pfannkucheneis, Packeis, Treibeis oder Festeis.

Landung neben einem Eisstauchwall, in der Fachsprache „ridge” genannt, von über zehn Meter Höhe. Die nur 3,14 Meter aufragende Maschine kann sich locker dahinter

verstecken. Ob das Eis den 2,2 Tonnen schweren  Eurocopter denn risikolos tragen könne, wollen wir wissen. „Kein Problem bei einem Meter Dicke”, beruhigt Gunnar, der auf 40 Jahre Hubschrauber-Erfahrung verweisen kann. Der drahtige Senior steht heute im Dienst einer privaten Firma und flog früher als Jet-Pilot und Ausbilder in der schwedischen Luftwaffe. Auch bei einer Wanderung über die glitzernde weiße Fläche können wir uns per Handmessung von der Mächtigkeit der Schollenpakete überzeugen. Während sich über dem felsigen Schärengarten ein Schneesturm zusammenbraut, schickt die Sonne durch ein Wolkenloch frühlingshaft wärmende Strahlen zu uns herab. Noch längst kein Grund zur Eisentwarnung. Nächtliche Tiefsttemperaturen lassen die Szenerie sofort wieder erstarren.

 

Eisiges Schwitzen

Mächtige Scheinwerferbündel fingern sich seemeilenweit durch die subpolare Eiswüste. Sturm orgelt sein Nachtlied um die 25 Meter hohen Aufbauten. Maschine Stopp! Warten auf den nächsten Kunden, der Hilfe braucht. Sieben schwedische Eisbrecher garantieren offene Häfen in der Bottensee. Immerhin werden hier jährlich über 12 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen.

Feierabend und Zeit für das tägliche Sauna-Zeremoniell. Nackte Offiziere schwitzen lachend bei 90 Grad Hitze um die Wette, während hinter den zentimeterdicken Stahlwänden der Eispanzer das starke Schiff umklammert hält. Zwischen zischenden Aufgüssen berichtet der Kapitän von zwei besonders krassen Fällen: „Ich habe Eispressungen erlebt, die ein Schiff komplett hochgehoben haben, bis es in bedrohliche Schräglage geriet. Die Maschine konnte kein Kühlwasser mehr ansaugen und die Besatzung war der Kälte ausgesetzt. In einem anderen Fall schob sich das Eis nicht nur an der Bordwand hoch, sondern auch noch über den Frachter hinweg!” Kein Seemannsgarn. Am Weißen Meer wurde sogar eine ganze Ufersiedlung von Eismassen wegrasiert. Beredte Zeugnisse für die ungeheure Kraft der weißen Gewalt.

Zur Stärkung nach den reinigenden „Höllenqualen” wird Rentierschinken, Pfeffersalami und eisgekühltes Bier serviert, wobei der Kapitän höchstselbst mit Hand anlegt. Der kleine Sauna-Ruheraum wird von Lachsalven geradezu erschüttert. Fröhlich sind sie, die ODEN-Fahrer, getreu ihrem unerschütterlichen Motto: „Ice is nice!” Da macht ’s auch nichts, wenn plötzlich ein angezogener Offizier hereinkommt und seinem ausgezogenen Kapitän Meldung macht. Dem sind ohnehin alle Höhen und Tiefen der Navy vertraut: als Jet-Pilot und U-Boot-Kommandant. Das Bord-Klima ist locker-entspannt und unkonventionell, trotz Marine-Reglement.

 

Schwedisches Schmankerl

Um 18:00 Uhr ist eingedeckt für das dreigängige Candle-light-Dinner. Koch-Stewart David serviert vollendet: Krabben-Cocktail und Kaviar; Steak, Sauce Bearnaise und Kartoffelgratin; Crèpes mit Schokoschaum und Moosbeeren, dazu als schwedisches „Schmankerl” Schimmelkäse. Nicht unbedingt unser Geschmack, aber durchaus gewöhnungsträchtig. Versorgungsoffizier Robert weiß, was schmeckt und darum die Stimmung an Bord hebt. Sein Hobby: Sammeln von Micky-Maus-Original-Graphiken, während Chief Bengt Schiffsmodelle bastelt. Schönstes Exemplar, natürlich: die ODEN. Andere spielen Tischtennis oder betreiben Body-building. Jedem das Seine.

Beim Abendessen dominiert dann doch Förmlichkeit. Alle tragen Uniform und halten sich mit heißen Sauna-Witzen zurück. Vielleicht mit Rücksicht auf Königin Silvia und König Carl XVI Gustav, die das Schiff am 25. August 1988 tauften. Beide blicken wie prüfend aus ihren Bilderrahmen auf die „Eismänner” herab. Erinnerungsstücke von der alten ODEN zieren den Salon: Namensplakette, Kompass, Maschinentelegraf. Das „Mitbringsel” vom Nordpol ist in der Halle zu bewundern: ein vom Eis glattpoliertes Stück sibirisches Treibholz in der Form eines Seehunds.

 

Eistronauten

Strahlender Sonnenschein am nächsten Tag. Der Kapitän ordnet „Eisbaden” an. Was anfangs noch wie Spaß aussieht, entpuppt sich bald als ernste Rettungsübung. Ungelenk watscheln wir in roten Überlebensanzügen, die sechsstündiges Ausharren bei null Grad Wassertemperatur garantieren, zum Heck. Entweder stürzen sich die „Eistronauten” mit kühnem Fünf-Meter-Fußsprung ins offene Wasser oder werden per Kran sanft hinabgelassen. Dennoch: Das Paddeln zwischen den Schollen ist ein besonderes Vergnügen. So mancher junge und auch gestandene Eis-Seemann kann sich ein freudiges Juchzen nicht verkneifen. 

In der Nacht sorgt ein riesiger Honigmond für romantische (Frühlings-)Gefühle. Hoch über den fernen Horizont kriechen Lichter – eine optische Täuschung. Luftspiegelung sorgt für die seltene Fata-Morgana in der Eiswüste.

ODEN-Bilanz nach einer Woche: 18 Schiffe sind beraten und unterstützt worden.

Zeit zum Abschiednehmen. Gunnar startet mit uns zur Küste. Letzte Foto-Runde um die ODEN, die schließlich wieder zu einem Punkt zusammenschmilzt.

Der Pilot meint es gut mit uns und setzt neben einer Straße auf – punktgenau an der Bushaltestelle. Einmalig, dieser Service! Joakim nutzt die Chance, um für seine Kameraden in der nahegelegenen Tankstelle Zeitungen zu kaufen. Über Nacht schlafen wir im Eismeer-Express „Nordpilen” dem Stockholmer Frühling entgegen.

Der Wahlspruch der fröhlichen ODEN-Crew bleibt uns nach dieser unvergesslichen Eiskreuzfahrt im Gedächtnis: „Ice is nice!” Dr. Peer Schmidt-Walther  

 

Info 

Eisbrecher (auch Forschungsschiff) ODEN – Baujahr 1988; Bauwerft Götaverken Arendal AB, Göteborg; Eigner Sjöfatsverket; Reederei Viking Supply Ships AS; Länge 107,42 m; Breite 25 m; Tiefgang (maximal) 8,48 m; Vermessung 9.605 BRZ; Verdrängung 13.000 tdw; Besatzung 15; zugelassene Passagierzahl 65; Maschine 4 Dieselmotoren; Leistung 18.000 kW (24.437 PS); Geschwindigkeit (max.) 16 kn; Propeller: 2 Verstellpropeller; Klassifizierung: Germanischer Lloyd (GL); Registriernummer: IMO 8700876

Erster Offizier bei der Eisbeobachtung von der Brücke.

Erster Offizier bei der Eisbeobachtung von der Brücke.

  Feierabend für die wachfreien Offiziere.

Feierabend für die wachfreien Offiziere.

Eine spartanische Crew Kammer.

Eine spartanische Crew Kammer.

  Touristen-Eisbrecher SAMPO vor Kemi.

Touristen-Eisbrecher SAMPO vor Kemi.

Ein Frachter wird im Koppelverband durchs Eis geschleppt.Ein Frachter wird im Koppelverband durchs Eis geschleppt.
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