Seereisenmagazin.de

 

Expedition 5/2014

hr

Beeindruckendes Vulkanpanorama auf Kamtschatka. Der Vulkan Alaid auf Atlasowa ist 2.339 Meter hoch und war zuletzt 1996 aktiv.Beeindruckendes Vulkanpanorama auf Kamtschatka. Der Vulkan Alaid auf Atlasowa ist 2.339 Meter hoch und war zuletzt 1996 aktiv.

 

Philipp Rademann

Entdeckerlust voraus mit der HANSEATIC einmal rund um das Ochotskische Meer

Große Begeisterung bei Passagieren und Lektoren an Bord: Die HANSEATIC nähert sich am 2. Juni 2014 langsam den russischen Shantar Inseln. Schon die ganze Nacht hat der Expeditionskreuzer von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten Eisfelder durchfahren und nun − gegen 6.15 Uhr morgens − macht das Lektorenteam Bandrobben auf den Eisschollen aus, die im Licht der Sonne glitzern. Sylvia Stevens informiert seit vielen Jahren als Lektorin und Naturschützerin die Passagiere auf Kreuzfahrten in polare Gebiete über Flora und Fauna. Tierarten, die sie noch nicht gesehen hat, dürfte es in diesen Breiten eigentlich nicht geben. Dennoch bringt sie die Sichtung der seltenen Robbenart heute Morgen völlig aus dem Häuschen: „It made my day”, ruft die im kalifornischen San Diego beheimatete Naturexpertin mit schottischen Wurzeln begeistert aus. Begeisterung, die ansteckt. Begeisterung, die beispielhaft dafür steht, was eine Kreuzfahrt in Regionen „ans Ende der Welt” mit der HANSEATIC ausmacht: Individuelle Erlebnisse und Neugier auf ganz persönliche Entdeckungen weit abseits der Routen großer Schiffe.    

 

Wo liegt das Ochtoskische Meer?

Wer eine Expeditionsreise nach Grönland oder in die Antarktis bucht, kann sicher sein, dass beinahe jedes Kind weiß, wo diese Sehnsuchtsziele vieler Expeditionsreisender auf dem Globus zu verorten sind. Wer aber das Ochotskische Meer zum Ziel seiner Kreuzfahrt macht, stößt auf Neugier und Interesse. „Wo liegt denn das Ochotskische Meer?” Viele Passagiere, die im Mai 2014 in der Hafenstadt Otaru auf Japans Nordinsel Hokkaidō an Bord der HANSEATIC gehen, haben diese Frage von Familie und Freunden vor der Abreise daheim zahllose Male beantwortet. Heute, an der Pier von Otaru, verstärkt das bei den anreisenden Kreuzfahrtgästen nur das Gefühl, Zeuge eines exklusiven, eben nicht alltäglichen Reiseerlebnisses werden zu dürfen.

Das Ochotskische Meer ist ein Randmeer des Pazifischen Ozeans in Ostasien mit Russland und Japan als Anrainern. Das Meer liegt zwischen Ostsibirien im Nordwesten, Kamtschatka im Nordosten, den Kurilen im Südosten, der Insel Hokkaidō im Süden sowie Sachalin im Südwesten. Die Fläche des Meeres umfasst 1,53 Millionen Quadratkilometer.

Die Kreuzfahrtplaner am Hamburger Ballindamm gönnen der HANSEATIC in diesem Jahr nicht nur kurze Stippvisiten auf Sachalin und Kamtschatka, sondern haben ein Routing ausgearbeitet, dass alles andere als alltäglich ist. In 15 Tagen wird das Schiff das Ochotskische Meer einmal komplett umrunden, ehe die Reise nach fast 3.000 Seemeilen in Petropawlowsk auf der Halbinsel Kamtschatka in Russlands Fernem Osten wieder zu Ende gehen wird.

Der Ausgangspunkt der Reise, Otaru, liegt rund 30 Kilometer westlich von Sapporo auf der nördlichsten der vier japanischen Hauptinseln. Dass diese Stadt mit gerade einmal 125.000 Bewohnern bis in die 1950er Jahre bevölkerungsreicher war als Sapporo, das heute als Verwaltungssitz Hokkaidos fungiert, scheint unwirklich. Sapporo − Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1972 − präsentiert sich als moderne Millionenstadt mit knapp zwei Millionen Einwohnern. Wahrzeichen der nordjapanischen Metropole ist neben dem Fernsehturm der Tokei-dai Uhrenturm aus dem Jahr 1878. In einer Stadt, die erst zehn Jahre zuvor gegründet wurde, ein echtes Highlight. Hier auf Hokkaidō scheint manches gemächlicher zuzugehen als im übrigen Teil Japans. Der japanische Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen soll erst 2035 bis nach Sapporo fahren können. Wer heute mit der Bahn von Japans Hauptstadt die Reise nach Hokkaidō antreten will, muss jedenfalls deutlich mehr Zeit einplanen als die vier Stunden, die zukünftig der legendäre Shinkansen benötigen soll.

Um Mitternacht verlässt die HANSEATIC den Hafen von Otaru und nimmt Kurs auf die russische Insel Sachalin. Die Expedition beginnt. Ein Seetag gibt den Passagieren, die nicht als Stammgäste zum wiederholten Male auf „ihre” HANSEATIC zurückgekehrt sind, Gelegenheit sich mit dem Bordleben und den bevorstehenden Zodiac-Anlandungen vertraut zu machen. Die im Kreuzfahrtjargon „Repeater” genannten Wiederholungstäter sind zahlreich an Bord vertreten. Kein Wunder, fehlt doch diese Destination vielen welterfahrenen Reisenden, die bereits die Antarktis, die Nordwestpassage oder den Amazonas mit der HANSEATIC bereist haben, in ihrem ganz persönlichen Reiseprogramm oder auf ihrer Reisekarte. Andere Reisende sind erst in ihren Dreißigern und unternehmen ihre erste Kreuzfahrt überhaupt. Kurzum: Es ist die Entdeckerlust, die die Passagiere an Bord der HANSEATIC eint. 

 

Expeditionskurs auf 5-Sterne-Niveau

Auch wenn die einzigartigen Ziele Russlands im Vordergrund stehen, Kreuzfahrt-Traditionen werden auf dem einzigen 5-Sterne-Expeditionskreuzfahrtschiff der Welt von Hoteldirektor Remo Jahnkow und seinem Team stets hochgehalten. Der gebürtige Dresdner ist schon seit 1997 bei Hapag-Lloyd tätig und war zuvor in gleicher Funktion auf der COLUMBUS 2 tätig, die die Flotte des Hamburger Traditionsunternehmens im April 2014 wieder verlassen hat. Im Marco Polo Restaurant auf dem gleichnamigen Deck hat jeder Passagier seinen festen Tisch, wenngleich es mit dem sogenannten Ethno-Dinner im Bistro Lemaire an vielen Tagen eine kulinarische Alternative gibt, die jeweils unter einem bestimmten Thema steht. Frankreichs Klassiker oder ein Abend der sich ganz der italienischen Küche widmet, sind hier nur einige Beispiele für das Können des Küchencrew an Bord.

Ganz traditionell eröffnet Kapitän Carsten Gehrke den Abend am ersten Tag auf hoher See mit einem Welcome Cocktail und stellt seine Führungscrew an Bord vor. Der aus Gelsenkirchen stammende Kapitän hat auf der HANSEATIC sein erstes Kommando übernommen, nachdem er zuvor als Leitender Offizier auf der neuen EUROPA 2 auf der Brücke gestanden und das Schiff auch in der Bauphase im französischen St. Nazaire betreut hat. Kapitän Gerke wird es im Verlauf der Reise immer wieder schaffen, die Passagiere zu begeistern. Ob bei einem Besuch auf der Brücke – die auf der HANSEATIC zu bestimmten Zeiten auch für Passagiere zugänglich ist – oder bei einem Plausch an Deck, der Kapitän hat für seine Gäste immer ein offenes Ohr.

 

Sachalin: Von einer Gefangenkolonie zur Erdgasbasis

Am Folgetag erreicht die HANSEATIC Korsakov auf der russischen Insel Sachalin. Die russischen Behörden verzichten auf allzu strenge Formalien bei der Einreise, so dass sich die Passagiere nicht zum „Face Check” in der Explorer Lounge einzufinden haben. Als Kreuzfahrtdirektor Matthias Mayer die Reisenden über die Freigabe des Schiffes durch die Behörden informiert, machen sich die meisten Gäste auf den Weg in die Provinzhauptstadt Juschno-Sachalinsk. Sachalin, der „Felsen vor der Mündung des Schwarzes Stromes”, ist die größte Insel Russlands und wirtschaftlich für das heutige Russland von höchster Bedeutung. Auf der Insel befinden sich die bedeutendsten Erdöl- und Erdgasvorkommen Russlands.

Im russischen Zarenreich des 19. Jahrhunderts war die Insel eine Strafkolonie mit menschenunwürdigen Zuständen. Der russische Arzt und Schriftsteller Anton Tschechow reiste im Sommer 1890 für drei Monate nach Sachalin, behandelte Kranke und besuchte alle Gefängnisse. In seinem 1893 veröffentlichten Reisebericht „Die Insel Sachalin” haben die damaligen Verhältnisse Eingang in die Weltliteratur gefunden. Tschechow schreibt seinerzeit an seinen Verleger Alexei Suworin: „Ich bereiste alle Siedlungen, besuchte jedes Bauernhaus und sprach mit jedem einzelnen; […] auf Sachalin gibt es keinen Zuchthäusler oder Strafkolonisten, der sich nicht mit mir unterhalten hätte”.   

Für lange Hinweise auf die Historie Sachalins oder die russische Literatur nimmt sich die Stadtführerin Yelena – im Hauptberuf Lehrerin für Englisch und Deutsch – allerdings wenig Zeit. Stattdessen ist sie vor allem damit beschäftigt, darauf hinzuweisen, wie sehr sich das Leben hier – 6.660 Kilometer von Moskau entfernt – während der vergangenen Jahre verbessert hat. Nach einem Besuch der russisch-orthodoxen Auferstehungskirche und des Regionalmuseums, das aus der japanischen Zeit in den Jahren von 1904 bis 1945 stammt, geht es zur HANSEATIC zurück.  

Als Korsakov bei strahlendem Wetter und für diese Breiten sommerlichen Temperaturen von 15 Grad Celsius im Kielwasser zurückbleibt, bedeutet dies zugleich auch einen Abschied auf Zeit von der Zivilisation. Bis das Schiff den Zielhafen Petropawlowsk erreicht, werden alle Ausflüge mittels Zodiacs durchgeführt. Ortschaften oder Städte, die zu besuchen wären, gibt es auf der Route nicht. Stattdessen Natur pur.

Für das wissenschaftliche Fundament der Kreuzfahrt sorgt ein sechsköpfiges Lektorenteam unter der Leitung von Expeditionsleiter Hans-Joachim Spitzenberger. Die ebenso informative Vor- und Nachbereitung der besuchten Inseln und Sehenswürdigkeiten erfolgt an Bord im Rahmen der sogenannten Pre- und Recaps. Zeit, dass Gesehene Revue passieren zu lassen oder das Wichtigste über die Destinationen des nächsten Tages vorab zu erfahren. Wer möchte kann sich auf Expertenvorträgen in der Darwin Hall tief unten im Bauch der HANSEATIC auch vertieft mit einem Thema befassen. Während an Backbord in einigen Seemeilen Entfernung das Gasverflüssigungsterminal von Korsakov vorbeizieht, wo jährlich rund 9,7 Millionen Tonnen Erdgas aus dem Erdgasfeld Sachalin II vor der Nordküste Sachalins verflüssigt und dann auf Tanker verladen werden, informiert der Geologe Ulrich Dornsiepen beispielsweise über das „Erdöl im Ochotskischen Meer”.

 

Natur pur entlang der Küsten des Ochotskischen Meeres

Am nächsten Morgen beginnt die Expedition mit der ersten Zodiacanlandung. Die HANSEATIC ist auf Position 48°31‘ N 144°37‘ O vor der kleinen Insel Tjulenij vor Anker gegangen. Dichte Nebelbänke und strahlender Sonnenschein wechseln sich im Viertelstundetakt ab. Die Passagiere haben Glück und können die rund 1,6 Kilometer lange Insel bei einem Sonnentag erleben – von denen es auf Tjulenij im Jahr nur acht geben soll. Die Tierwelt in diesem Naturreservat ist beeindruckend. Verschiedene Möwenarten und Trottellummen sind mit Balz oder Nestbau beschäftigt während die Nördlichen Seebären und vor allem die Stellerschen Seelöwen das Geschehen am Strand entlang der Felsen beherrschen. Die bis zu 1,1 Tonnen schweren Seelöwenbullen sichern sich ihr Territorium und bewachen Harems von bis zu 30 Weibchen.

Für die Entdeckung der kleinen Insel bleibt jede Menge Zeit. Genug, um auch die baulichen Hinterlassenschaften aus Sowjetzeiten zu bewundern. Ein Hotel sollte hier im Niemandsland vor der Küste Sachalins entstehen. Noch vor der Fertiggestellung des Gebäudes wurde dieses aberwitzige Vorhaben aufgegeben – heute ist das halbverfallene Haus das Zuhause von Tausenden Seevögeln, entsprechende Geruchskulisse inklusive.

Noch ehe die HANSEATIC an Tag 5 der Reise die Piltun Lagune erreicht, durchquert das Schiff zum ersten Mal einen dichten Eisteppich. Bei nur 6° Celsius Lufttemperatur und sehr dichten Eisschollen in Küstennähe erweist sich eine Anlandung in der Piltun Lagune als nicht möglich. Enttäuschung kann sich unter den Passagieren aber maximal Bruchteile von Sekunden einstellen, denn Kapitän Carsten Gerke und Expeditionsleiter Hans-Joachim Spitzenberger setzen stattdessen Zodiac-Cruising durch das Eis auf das nachmittägliche Programm. Die Sichtung von zwei Stellerschen Riesenseeadlern macht die Erkundungsfahrt dann endgültig zu einem nachdrücklichen Erlebnis. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,80 Metern ist dies weltweit die größte Adlerart. Hinter vorgehaltener Hand raunt im weiteren Verlauf der Reise so mancher Passagier, dass diese Zodiacausfahrten mindestens genauso interessant, wenn nicht sogar spannender sind, als Anlandungen an einsamen Inseln. Das ständig wechselnde Licht, die Gischt im Gesicht und eine häufig beeindruckende Geräuschkulisse der Tierwelt machen diese Ausfahrten mit den Zodiacs genannten großen Schlauchbooten jedes Mal aufs Neue zu einem begeisternden Erlebnis.

Sowohl der Stellersche Riesenseeadler wie auch der Stellersche Seelöwe verdanken ihre Namen dem deutschen Arzt und Naturforscher Georg Wilhelm Steller. Für die Petersburger Akademie der Wissenschaften machte sich Steller 1737 auf den Weg nach Kamtschatka, später war er Teilnehmer der vom dänischen Kapitän Vitus Bering geleiteten zweiten Kamtschatka-Expedition.

An Bord der HANSEATIC wechseln sich die Naturerlebnisse mit zwanglos arrangierten Reisehighlights ab, die die Crew fast täglich „zaubert”. So wird bei einer Eisfahrt in Windeseile die Back – das Vorschiff der HANSEATIC – geöffnet, um den Sehfahrern dort heißen Kakao mit einem hochprozentigem Schuss Rum zu reichen. Ein anderes Mal erwartet die Gäste ein Barbecue an Deck oder ein dänisches Pölser-Buffet am Swimmingpool des Schiffes. Zeitgleich ziehen Eisschollen oder auch schneebedeckte Vulkane in Sichtweite vorbei.

Die Insel Iony – früher Jonas-Insel genannt – ist die einzige Hochseeinsel im Ochotskischen Meer und Ziel der Expeditionsreisenden am letzten Maitag des Jahres.

Große Mengen Eis hat der Südwestwind der vergangenen Tage nach Nordosten geschoben, so dass die HANSEATIC trotz ihrer höchsten finnischen Eisklasse 1A Super die massiven Eisfelder in einem großen Bogen umfahren muss. Die kleine Insel erhebt sich wie eine Pyramide aus dem Meer und ist Heimat unzähliger Seevogelarten und zahlreicher Stellerscher Seelöwen, die bis auf wenige Meter an die Zodiacs herankommen. Ein beeindruckendes Schauspiel, das durch die raue See noch an Einmaligkeit gewinnt. Kreuzfahrtdirektor Matthias Mayer – seit vielen Jahren auf der HANSEATIC als Gastgeber präsent – kann sich an der Tierwelt nicht sattsehen und weist die Passagiere des von ihm gesteuerten Zodiacs begeistert auf Schopfalken, Kamtschatkamöwen oder Dickschnabellummen hin, die die Luft und die Felsen zu Tausenden bevölkern.

 

Shantar-Inseln: Frühlingsbeginn und massive Eisschollen

Die Shantar-Inseln, eine Inselgruppe im Südwesten der Ochotskischen Meeres, bieten so viel Natur und Vielfalt, dass die HANSEATIC ihnen volle zwei Tage widmet. 15 Inseln mit einer Gesamtfläche von 2.500 Quadratkilometern bilden das Archipel. Kap Kusow auf der Großen Shantar-Insel präsentiert sich idyllisch im vormittäglichen Sonnenschein. Der See ist noch von einer dünnen Eisschicht bedeckt und die Lachse haben nach dem langen Winter ihre flussaufwärts gelegenen Laichgebiete noch nicht erreicht. So hat denn auch Sergej, der die gesamte Reise als russischer Nationalparkranger begleitet, kein Anglerglück. Viele Blumen, wie die überall blühenden Primeln, künden jedoch bei einer zweiten Anlandung am Nachmittag davon, dass auch in diesen Breiten langsam der Frühling Einzug hält. Ganze Treibholzberge markieren die Grenze zwischen Strand und Salzwiesen, die mit fachkundigen Erläuterungen durch die Lektoren erkundet werden.

Auch die Insel Utichi ist ein Teil der Shantar-Inselgruppe. Sie steht an Tag 8 der Reise auf dem Entdeckerprogramm der HANSEATIC-Passagiere. Der gewaltige Gezeitenstrom mit einem Tiedenhub von rund 5 Metern zeigt im Verlauf des Tages seine ganze Kraft. Eben haben noch einige Zodiacs die kleine Insel umrunden können. Schon kurze Zeit später macht dies ein dichter Eisteppich anderen Schlauchbooten unmöglich. Statt Vogelbeobachtung steht nun bei strahlendem Sonnenschein das Erlebnis „Eis” im Vordergrund.  

Auf dem Weg zur Halbinsel Kamtschatka macht die HANSEATIC Station auf Reede vor den Malminskie Inseln, die sich in Sichtweite der Küste befinden. Die schneebedeckten Bergketten des Dhugdshur- und Stanowoj-Gebirges erheben sich auf dem Festland auf bis zu 2.000 Meter – ein beindruckendes Panorama. Der Leitende Offizier des Schiffes, Ulf Sodemann, steuert bei ablaufendem Wasser das von ihm geführte Zodiac versiert durch eine schmale Lücke, die den massiven Granitfelsen der Insel durchbricht. Einmal mehr Gelegenheit für die Passagiere Robben und Seevögel aus größtmöglicher Nähe zu bestaunen. Am Ende der Reise haben die Vogelkundler unter den Lektoren und die Bird Spotter an Bord insgesamt 48 verschiedene Vogelarten gesichtet.

Tags darauf erreicht die HANSEATIC die kleine Insel Talan, auf der im Sommer Wissenschaftler und Nationalparkranger die Natur erforschen. Einfache, sehr einfache Hütten liegen verlassen auf sumpfigen Wiesen – an einem Waschtrog liegt eine benutzte Seife in einer Seifenschale – so, als würden die Naturkundler schon in Kürze wieder zurückkehren. Auf einer Wanderung erklärt Steffen Graupner, Vulkanologe und als Lektor für Landeskunde an Bord mit von der Partie, dass die Natur aufgrund des selbst für dortige Klimaverhältnisse langen Winters rund zwei bis drei Wochen in der Entwicklung der Flora und Fauna zurückliege.

Wie streng der Winter auf dem Ochotskischen Meer in diesem Jahr gewesen sein muss, erfahren die Expeditionsreisenden schon am nächsten Tag: Kapitän Carsten Gehrke vermeldet Eisfelder mit 9/10 Bedeckung seit dem frühen Morgen, so dass bei dichtem Nebel große Eisfelder weiträumig zu umfahren waren. Die schlechte Sicht macht dann auch eine Anlandung auf der Insel Matykil und vor Kap Yapon unmöglich; als Ersatz entschädigt ein erneutes Zodiac-Cruising durch die Eisschollen. Auch die äußerst seltene Bandrobbe gibt sich auf den Eisschollen wieder ein Stelldichein.

 

HANSEATIC – Tradition und Neubeginn

Für die Passagiere der HANSEATIC ist „ihr” Schiff schon nach wenigen Tagen zu einem „zweiten Zuhause” auf hoher See geworden. Die engagierte Crew macht es auch Neulingen unter den Expeditionsreisenden leicht, das Bordleben mit seinen Annehmlichkeiten genießen zu können. Die HANSEATIC bietet mit ihren 22 Quadratmeter großen Kabinen, die allesamt außen gelegen sind, auch 21 Jahre nach ihrer Indienststellung einen zeitgemäßen Luxus, der keine Wünsche offenlässt. Dabei ist die heutige HANSEATIC schon das vierte Schiff, das diesen Namen trägt. In einer Vitrine gegenüber der Rezeption sind Memorabilia aus der Geschichte der drei Namens-Vorgängerinneren zu bestaunen: Im Jahr 1958 gründete der in Hamburg lebende dänische Reeder Axel Bitsch-Christensen die Hamburg-Atlantik-Linie, kaufte den in die Jahre gekommenen Dreischornsteiner EMPRESS OF SCOTLAND und schickte das Schiff nach umfangreichen Umbauten, die das wahre Alter des Liners geschickt kaschierten, am 2. Juli 1958 auf seine „zweite Jungfernreise” von Cuxhaven nach New York.

Kurze Zeit nach Gründung der Deutschen-Atlantik-Linie brannte die erste HANSEATIC am 7. September 1966 im Hafen von New York aus und wurde anschließend in ihrem Heimathafen Hamburg verschrottet. Aus der als Ersatz angekauften SHALOM wurde 1967 die zweite HANSEATIC, ehe die Flotte mit der bei den Howaldtswerken-Deutsche Werft AG in Hamburg gebauten HAMBURG auf zwei Schiffe erweitert wurde. An Stelle von Transatlantikpassagen, die Flugzeuge wie die Boeing 707 überflüssig gemacht hatten, standen jetzt fast nur noch Kreuzfahrten auf dem Fahrplan der beiden Hamburger Liner.

1973 geriet die Deutsche-Atlantik-Linie nicht zuletzt aufgrund einer drastischen Aufwertung der DM gegenüber dem US-Dollar in wirtschaftlich schweres Fahrwasser. Nach dem Verkauf der HANSEATIC Nummer 2 wurde aus der bisherigen HAMBURG die dritte Trägerin des Traditionsnamens. Doch auch diese Namensänderung half nichts – 1974 wurde die Reederei mit dem Verkauf der dritten HANSEATIC aufgelöst. Die eigentliche Karriere dieses erst wenige Jahre alten Schiffes auf dem deutschen Kreuzfahrtmarkt begann jetzt erst richtig: Als MAXIM GORKIY war das Schiff unter sowjetischer Flagge bei deutschen Urlaubern bis zur Außerdienststellung im Jahr 2008 äußerst beliebt.

Die heutige HANSEATIC verdankt ihren Namen dem Traditionsbewusstsein des Hamburger Unternehmers Dirk Moldenhauer. Er war Kapitän der früheren HANSEATIC gewesen, ehe er Mitte der siebziger Jahre den Veranstalter Hanseatic Tours gründete. Nachdem die vierte Namensträgerin schon einige Jahre für Hanseatic Tours auf weltweiten Expeditionsreisen unterwegs gewesen war, wurde sie 1996 in die Flotte der heutigen Hapag-Lloyd Kreuzfahrten eingegliedert. Zwar trägt das Schiff seit einem Werftaufenthalt vor einigen Jahren jetzt die Hapag-Lloyd Farben über die Weltmeere, aber das traditionelle rot-weiße Hanseatic-Logo findet sich an Bord des Schiffes auf Speisekarten und Tagesprogrammen. Crew und Passagiere wissen diese Tradition – so scheint es – bis heute sehr zu schätzen.   

 

Kamtschatka: Sehnsuchtsziel und beeindruckendes Panorama

Kasmtschatka wird am 12. Tag der Erkundungsreise – die im Katalog als Circumnavigation Ochotskisches Meer betitelt war – erreicht. Kap Utholoskij und die Kruglaja Bucht stehen auf dem Programm der Zodiacanlandungen. Am Kap Utholiskij haben die ersten Passagiere, die Kamtschatka betreten, Glück: Ein Braunbär ist auf der anderen Uferseite eines kleines Flusses dabei zu beobachten, wie er das Weite sucht. Große Bären können ein Gewicht von bis zu 1.350 Kilogramm erreichen und haben aufgerichtet eine Höhe von 4,50 Meter. Das überaus reichhaltige Nahrungsangebot auf Kamtschatka ist für die gute körperliche Verfassung der Bären verantwortlich. Leibspeise der hier lebenden Braunbären – so erfahren die Kamtschatka-Entdecker aus erster Hand vor Ort – sind insbesondere Buckel- und Blaurückenlachse. Von diesen bis zu 4 Kilogramm schweren Fischen kann ein Bär rund 20 Exemplare täglich vertilgen, um seinen Hunger zu stillen. Ehe die HANSEATIC ihre Fahrt in Richtung Petropawlowsk – dem Zielhafen der Reise – fortsetzt, kann in sicherer Entfernung noch eine Bärenmutter mit ihren beiden Jungtieren in Augenschein genommen werden.

Ein finaler Tag auf See gibt Gelegenheit, das Erlebte Revue passieren zu lassen. Höhepunkt des Tages ist ein Konzert des an Bord residierenden Pianisten Helge Herr. Das Klavierkonzert ist russischen Komponisten – unter ihnen Sergei Rachmaninow und Sergei Prokofjew gewidmet – und findet in der vollbesetzten Explorer Lounge auf dem gleichnamigen Deck großen Anklang. Eine mitreisende US-Amerikanerin Anfang Siebzig mit Wohnsitz in Texas und Wurzeln im Freistaat Thüringen dürfte an diesem Abend nicht die einzige im Publikum gewesen sein, die der Meinung war, dass dieser Künstler auch größere Bühnen mit Bravour bespielen könnte.

Tag 14 der Reise beginnt mit einer großen Enttäuschung: Eine Anlandung auf der Kurilen-Insel Shumshu erweist sich als nicht möglich, da die russische Marine das Seegebiet wegen eines Manövers gesperrt hat. Zwar sind weit und breit keine Marineschiffe, sondern nur Fischtrawler auszumachen, aber dass die Anlandungen im Fernen Osten Russlands unter dem Vorbehalt der Genehmigungen durch die Behörden stehen, war allen Reisenden bewusst. Die Erkundung von Atlasowa, der nördlichsten der Kurileninseln, erweist sich dafür als umso interessanter. Beherrscht wird die Insel von dem Vulkan Alaid, der schneebedeckt 2.339 Meter in die Höhe ragt. Zuletzt war der Vulkan, der heute an einem der seltenen Sonnentage zu erstrahlen scheint, im Jahr 1996 aktiv. Zu Stalins Zeiten soll sich hier ein Arbeitslager für aus politischen Gründen inhaftierte Frauen befunden haben, wie eine der Lektorinnen an Bord, Gudrun Bucher, zu berichten weiß. Offiziell bestätigt ist die Existenz dieses Lagers jedoch nicht und so könnten die noch vorhandenen Gerippe ehemaliger, mittlerweile verfallener Gebäude auch von einer Fuchsfarm aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts stammen. Während an anderen Tagen die Zeit für Erkundungen an Land recht großzügig bemessen ist, reichen heute die drei Stunden kaum aus, um den Strand rund um den Vulkan Alaid zu erkunden.

Bei schönstem Sommerwetter ziehen nachmittags in der Ferne die Kurileninseln Paramushir und Shumshu vorbei, während zahlreiche Buckelwale das Schiff begleiten. Hier treffen Nordpazifik und Ochotskisches Meer aufeinander – das besonders nährstoffreiche Wasser lockt unzählige Wale an.

So traditionell die Kreuzfahrt begonnen hat, so traditionell nähert sich die Expedition auf der HANSEATIC auch ihrem Ende. Kapitän Carsten Gehrke lädt zum Farewell Cocktail und alles – so scheint es erfahrenen Kreuzfahrern – ist wie gewohnt. Aber die Überraschung kommt noch. Auf seiner ersten Reise als Kapitän bittet der Chef auf der Kommandobrücke nicht etwa seine Offiziere auf die kleine Bühne, sondern langjährige Crewmitglieder, die hinter den Kulissen viele Jahre tolle Arbeit geleistet haben. Und so marschieren Mitarbeiter auf die Bühne, die sonst in der Wäscherei oder in der Müllzerkleinerung verdienstvoll aber unbeobachtet ihren Dienst tun. Kapitän Gerke würdigt jeden von ihnen und dankt für die Treue zur Reederei. Das ist Wertschätzung pur, den die Reisenden mit einem donnernden Applaus quittieren.

In Petropawlowsk liegt die HANSEATIC am Folgetag zum ersten Mal seit fast zwei Wochen wieder an der Pier, Vulkanpanorama von Korjakski, Awatschinski und Wiljutschinski inklusive. Ein ganzer Tag steht für die Erkundung der Umgebung zur Verfügung, ob per Helikopter oder auf einer Wanderung am Fuße des Vulkans Awatscha. Der Vulkanologe Steffen Graupner kennt dieses Gebiet wie seine Westentasche – wenn er nicht als Lektor Passagieren der HANSEATIC abgelegenste Regionen der Welt nahebringt, ist er auch mit Wandergruppen auf Kamtschatka unterwegs. Die Wanderung über Schneefelder bringt einen Hauch von Abenteuer mit sich und entschädigt mit einem grandiosen Blick über die Awatscha Bucht, die Petropawlowsk umgibt. Von hier verließen Vitus Bering und Georg Wilhelm Steller am 15. Juni 1741 Kamtschatka mit ihren Schiffen ST. PETER und ST. PAUL, um sich auf den Weg nach Alaska zu machen. Alaska erreichten sie erst über einen Monat später Ende Juli 1741. 

Die Teilnehmer der Expedition rund um das Ochotskische Meer verlassen Petropawlowsk beinahe auf den Tag genau 273 Jahre später, um die Heimreise anzutreten. An Bord eines von Hapag-Lloyd gecharterten Airbus A330-200 von Air Berlin geht es zurück nach Deutschland – direkt und sehr komfortabel in rund elf Stunden. Im Gepäck viele bleibende Eindrücke und das Bewusstsein, dass dies nicht die letzte Entdeckertour per Schiff gewesen sein dürfte. www.hl-kreuzfahrten.de

Ausgangspunkt der Reise: HANSEATIC an der Pier von OtaruAusgangspunkt der Reise: HANSEATIC an der Pier von Otaru.

Zeitgemäßer Komfort: Die geräumigen Außenkabinen wurden erst vor kurzem neu gestaltet.

Zeitgemäßer Komfort: Die geräumigen Außenkabinen wurden erst vor kurzem neu gestaltet.

Expertin Sylvia Stevens (rechts) erläutert die Tierwelt.Expertin Sylvia Stevens (rechts) erläutert die Tierwelt.

Der Tokei-dai Uhrenturm in Sapporo stammt aus dem Jahr 1878.Der Tokei-dai Uhrenturm in Sapporo stammt aus dem Jahr 1878.

 

Die russisch-orthodoxe Auferstehungskirche in Juschno-Sachalinsk.

Die russisch-orthodoxe Auferstehungskirche in Juschno-Sachalinsk.

Tierwelt am Felsen der Insel Tjulenij.

Tierwelt am Felsen der Insel Tjulenij.

Stellerscher Seelöwe mit seinem Harem auf der Insel Tjulenij.Stellerscher Seelöwe mit seinem Harem auf der Insel Tjulenij. 

Zodiac-Cruising vor ...Zodiac-Cruising vor ...

 

... der Piltun-Lagune.

... der Piltun-Lagune.

Die HANSEATIC auf Reede vor der Piltun-Lagune.Die HANSEATIC auf Reede vor der Piltun-Lagune.

Ein neuer Ausflug beginnt: Boarding eines Zodiacs am Sidegate der HANSEATIC.Ein neuer Ausflug beginnt: Boarding eines Zodiacs am Sidegate der HANSEATIC.

 

Zwei Stellersche-Seeadler grüßen von einer Eisscholle herüber.

Zwei Stellersche-Seeadler grüßen von einer Eisscholle herüber.

Zodiac in voller Fahrt vor Kap Kusov auf den Shantar Inseln.
Zodiac vor Kap Kusov auf den Shantar Inseln.
Stellersche Seelöwen auf einem Felsen der Hochseeinsel Iony.Stellersche Seelöwen auf einem Felsen der Hochseeinsel Iony.

Die Lektoren Steffen Graupner (Mitte) und Sylvia Stevens (rechts) erläutern Flora und Fauna auf den Shantar Inseln.

Die Lektoren Steffen Graupner (Mitte) und Sylvia Stevens (rechts) erläutern Flora und Fauna auf den Shantar Inseln.

Die HANSEATIC in der Pankow Bucht der Großen Shantar Insel.

Die HANSEATIC in der Pankow Bucht der Großen Shantar Insel.

Beeindruckende Felsformationen auf den Malminskie Inseln.
Beeindruckende Felsformationen auf den Malminskie Inseln.

Die HANSEATIC im Eis vor den Shantar Inseln.Die HANSEATIC im Eis vor den Shantar Inseln.

  Immer für die Passagiere im Einsatz: Hoteldirektor Remo Jahnkow (links) und Maitre D’ André Becker.Immer für die Passagiere im Einsatz: Hoteldirektor Remo Jahnkow (links) und Maitre D André Becker.

Verfallene Fischerhütten auf einer Landzunge Kamtschatkas.Verfallene Fischerhütten auf einer Landzunge Kamtschatkas.

  Ein zurückgelassenes Boot am Kap Utholoskij auf Kamtschatka.Ein zurückgelassenes Boot am Kap Utholoskij auf Kamtschatka.

Natur pur am Strand von Kap Utholoskij.Natur pur am Strand von Kap Utholoskij.

  Wasserfall in der Kruglaja Bucht auf Kamtschatka.Wasserfall in der Kruglaja Bucht auf Kamtschatka.

Das Arktische Erdhörnchen – auch Parry-Ziesel genannt – ist auf Kamtschatka heimisch.  Das Arktische Erdhörnchen – auch Parry-Ziesel genannt – ist auf Kamtschatka heimisch. 

 

Die Route der HANSEATIC rund um das Ochotskische Meer im Mai/Juni 2014.

Die Route der HANSEATIC rund um das Ochotskische Meer im Mai/Juni 2014.

Einmal nicht in Gebrauch: Insgesamt 14 Zodiacs ermöglichen auf der HANSEATIC hautnahes Erleben der Natur. 
Einmal nicht in Gebrauch: Insgesamt 14 Zodiacs ermög-lichen auf der HANSEATIC hautnahes Erleben der Natur.
Im Maschinenraum sorgen zwei blitzblanke MaK-Hauptmaschinen mit je 2.940 kW für eine Geschwindigkeit von 16 Knoten.Im Maschinenraum sorgen zwei blitzblanke MaK-Hauptmaschinen mit je 2.940 kW für eine Geschwindigkeit von 16 Knoten.

Am Ende der Expeditionsreise: MS HANSEATIC an der Pier von Petropawlowsk

Am Ende der Expeditionsreise: MS HANSEATIC an der Pier von Petropawlowsk.

hr
Vorige Seite Inhaltseite   Vorschau/Impressum Nächste Seite