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EDITORIAL-AUSGABE-3-2014 

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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

 

 

Slow Cruising und Zweiklassenschiffe die internationale Kreuzfahrt im Umbruch

„Entschleunigt die Kreuzfahrt!” − das war der Titel unseres letzten Editorials vom 1. März. Das Essay hat in Kreuzfahrtkreisen hohe Wellen geschlagen. Es scheint, als hätten wir den Nagel auf den Kopf getroffen, wie man so sagt. Oder in ein Wespennest gestochen. Das Echo war jedenfalls außergewöhnlich. Viel Zustimmung, ganz wenig Ablehnung, kaum Bedenken. Schon bei der ITB in Berlin drehte sich dann gleich so manches Fachgespräch um dieses Thema. Und wir wissen, dass unser Editorial bei fast allen Kreuzfahrtveranstaltern, in Reedereien und Reisebüros ausgedruckt wurde und die Runde machte. Sogar bis nach Amerika fand es seinen Weg – fachlich bestens übersetzt.

Sogleich gab die Branche der Erkenntnis einen Namen: „Slow Cruising” heißt also jetzt das Motto. Erste Anbieter haben schon reagiert und entschleunigte Kreuzfahrten im Mittelmeer in ihr Programm genommen. Ganz ähnlich strukturiert, wie wir es angeregt hatten. Längere Liegezeiten, häufiger auch über Nacht, interessante Ausflüge ohne Hetze. „Nachhaltige Besichtigungen” nennen das die Veranstalter jetzt. Man nimmt sich Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Den Kreuzfahrern werden interessante Gesprächspartner vermittelt. So diskutierten amerikanische Kreuzfahrtgäste mit Lech Wałęsa auf der Werft in Danzig. Deutsche Kunst-Interessierte mit russischen Malern in der Eremitage. Kriegsveteranen mit Überlebenden in Estland.

Wir schlagen vor, Sportinteressierte mit WM-Organisatoren in Brasilien zusammenzubringen. Oder reisende Wirtschaftler mit Bankern in der Finanzmetropole London. Oder Weinliebhaber mit Winzern in Bordeaux.  Möglichkeiten, Kreuzfahrten spannend und interessant zu machen, gibt es viele. Und die Zeit dazu sollte man sich nehmen, anstatt – wie bisher – atemlos von Hafen zu Hafen zu jagen, volle Fahrt voraus, anlegen, ablegen, alles für 120 Minuten an Land. Wenn man die fremden Städte und Länder nicht nur oberflächlich kennenlernen will, muss man sich Zeit und Muße nehmen. So habe ich zum Beispiel Kreuzfahrer in Dubai angeregt, das höchste Hotel der Welt zu besichtigen. Die Hoteliers waren sehr entgegenkommend, die Kreuzfahrer ganz begeistert.

Warum also nicht die Pferdezüchter in der Camargue, das riesige Stadion Camp Nou in Barcelona, die Tulpenbauern in Amsterdam oder die Gewürzfarmer auf Sansibar besuchen? Oder Brigitte Bardot in St. Tropez, Prinzessin Charlene in Monte Carlo, Uwe Seeler in Hamburg? Oder – wie ich neulich – Thomas Fritsch auf Mykonos. Fast alle Promis, die um solche Begegnungen gebeten werden, reagieren positiv. Einerseits sind sie zumeist stolz auf ihre Arbeit, manche fühlen sich geehrt, andere hoffen, eine künftige Kundschaft zu generieren. Wie zum Beispiel die Geschäftsführer der Luxushotels in der ägyptischen Soma-Bay am Roten Meer.  Kreuzfahrer aus Safaga oder von Reede können dort einen ganzen Tag lang den herrlichen Strand, die Hotelanlagen, die Pools, die SPA-Einrichtungen benutzen, und wer solch ein Paradies auf seiner Kreuzfahrt kennengelernt hat, kommt gewiss auch ohne Schiff gern mal wieder her.

Dabei dürfen solche Begegnungen nie ins simpel Kommerzielle abgleiten. Niemand will im Basar von Istanbul stundenlang mit Teppichhändlern reden. Wer mit den Basaris feilschen will, sollte das am besten alleine tun, ohne eine Reisegruppe. Aber wie toll, als Kreuzfahrtdirektor Wolfgang Frank vor einiger Zeit an Bord Theaterkarten für das berühmte Marinsky-Theater in St. Petersburg anbieten konnte, weil das Schiff über Nacht an der Newa blieb. Oder als wir in Edinburgh das weltberühmte Tatoo, in Sevilla die Osterprozessionen, in Monte Carlo das Höhenfeuerwerk besichtigen konnten, weil unsere Schiffe im Hafen blieben und nicht – wie meist noch üblich – um 18 Uhr hinausdampften in die dunkle See.

Die Idee für den Vorschlag „Entschleunigt die Kreuzfahrt” war ja schon im Winter in Lübeck entstanden. Ich war Ehrengast beim Festessen des Vereins der Kapitäne und Schiffsoffiziere in der altehrwürdigen Lübecker Schiffergesellschaft. An der gleichen Back, an der  Bismarck seinem sauren Lieblingshering seinen Namen verlieh. Wir aßen und tranken und kamen ins lockere Gespräch. Und da teilten so etliche Kapitäne meine Beobachtung an Bord von Kreuzfahrtschiffen. Und kritisierten die Hetze, die Rast- und Ruhelosigkeit auf solchen Törns. Kaptän Jörg Sträussler, unser Gastgeber, wies mich darauf hin, wie sehr auch die Besatzungen unter dem eigentlich unnötigen Stress zu leiden hätten.  

Werftkaptitäne und -ingenieure berichteten, wie sich die langsamere Fahrt und die Einsparung von Treibstoff auch konstruktiv bei den Schiffsneubauten auszuwirken begännen. Der steile Bug (wie bei den neuen AIDA-Schiffen), der Blasenteppich (wie bei den neuen TUI-Schiffen) – dies und manches mehr sei erst durch die Erkenntnis entstanden, dass hohes Fahrttempo kein Kriterium mehr in der Kreuzfahrt sei. Die Nautiker gaben also Anregungen und Empfehlungen, und alles dies und manche eigene Überlegung formulierte ich in unserem letzten Editorial. Wir freuen uns über das große Echo, an Bord und auch an Land.  

Jetzt gleich ein neues Thema: Die Klassendampfer kommen wieder. Ich meine die Schiffe mit Decks für Passagiere der 1. und 2. Klasse. So wie es zu TITANIC-Zeiten üblich war. Damals gab es sogar drei Klassen an Bord, ähnlich wie bei der alten Reichsbahn. Der Hintergrund wird deutlich, wenn man die neuen Riesendampfer sieht. Schiffe mit Platz für sechs- und siebentausend Menschen. Schwimmende Kleinstädte mit der Masse Mensch an Bord. Da beginnt die alte Kreuzfahrt-Klientel abzuspringen. Das wollen viele nicht mehr, dieses Gewusel an Bord, diesen maritimen Massentourismus. Deshalb steuern nun erste Anbieter dagegen. Die Amerikaner haben erfolgreich damit angefangen. Jetzt ziehen die Italiener nach. Bei MSC Cruises kann man die Erste Klasse auf den Oberdecks buchen.

„Yacht Club” nennt sich das Angebot freundlich verschleiert. Diese Passagiere fahren zwar auf dem gleichen Schiff, haben aber ihre eigenen Butler, ihre Suite, ihren eigenen Liegestuhl, ihren eigenen Pool, ihre eigenen Restaurants und überhaupt deutlich mehr Platz als die Billigbucher tief da unten. „Yacht Club”-Passagiere zahlen im Schnitt doppelt so hohe Preise, wie das einfache seefahrende Volk. Dafür reisen sie exklusiv und luxuriös. Die Veranstalter werden genau beobachten, ob es dadurch Spannungen oder Neidgefühle gibt. Bei der Bahn und im Flugzeug erkennt jeder die Erste Klasse an. Da ist das selbstverständlich geworden. Wie wird die Gäste-Trennung auf See angenommen?

Wie hat Bert Brecht geschrieben: „die einen stehen im Schatten, die andern im Licht” … Heißt es nicht „Sonnendeck” für alle? Oder gibt es nun auch „Schattendecks”? Wir beobachten die Kreuzfahrtszene jedenfalls aufmerksam weiter und bleiben journalistisch am Ball … (nach der WM sage ich dann wieder: wir bleiben am Ruder). A propos WM: die wird auf vielen Schiffen live übertragen. Kein Grund also, zuhause zu bleiben.  

In diesem Sinne Mast- und Schotbruch,      

Ihr Herbert Fricke

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