Tauchreise    Ausgabe 5/2013 
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Dieses große, gelbe 
	  Schlauboot kann zehn technische Taucher zu den schönsten Wracks vor 
	  St-Cyr-sur-Mer fahren Dieses große, gelbe Schlauboot kann zehn technische Taucher zu den schönsten Wracks vor St-Cyr-sur-Mer fahren

   

Dr. SéVERINE BÄR

Der Duft von Thymian und Pinien – TAUCHUrlaub an der Côte d’Azur

Um eines vorweg zu nehmen: im Sommer findet sich an der Côte d’Azur nur schwerlich ein einsamer Fleck und nur sehr gesellige Menschen empfinden die weiten, aber überfüllten Strände als ein Stückchen Paradies am Mittelmeer. Außerhalb der Sommerzeit allerdings geht von den Städten und Dörfern an der Südküste Frankreichs eine Ausstrahlung aus, die den Besucher in einen Zustand der Beschaulichkeit versetzt. Alles geht gemütlich vonstatten und selbst die sportlichsten Aktivitäten werden mit einer ganz eigenen Ruhe ausgeführt, wovon sich der Besucher aber nicht verunsichern lassen sollte. Es passiert einfach alles zu seiner Zeit und hetzen bringt außer schlechter Laune nur wenig. Wer sich allerdings von der Gelassenheit anstecken lässt, kann in Ruhe seinen Aufenthalt und die Sonne genießen, an großen Sandstränden oder in kleinen felsigen Buchten liegen, am Meer entlangschlendern oder die Geschäftigkeit im Hafen beobachten, wenn die Fischerboote am späten Nachmittag von ihrer täglichen Ausfahrt zurück kommen. Dazu noch der betörende Duft von Thymian und Pinien, das leckere Essen und die freundlichen Einheimischen, die außerhalb der Hauptsaison manchmal sogar Zeit finden, sich an ihre deutschen oder englischen Sprachkenntnisse zu erinnern, und man kommt dem Paradies schon ein ganzes Stückchen näher ...

Die Côte d’Azur ist ein Teil der Mittelmeerküste, der sich von Cassis im Westen bis Menton an der italienischen Grenze im Osten erstreckt und, neben der französischen provenzalischen Mittelmeerküste, auch aus dem Fürstentum Monaco besteht. Das Klima ist angenehm mit Temperaturen zwischen 25 und 30°C im Sommer und an schönen Tagen durchaus noch 15-20°C im Winter. Allerdings kann sich die Luft manchmal selbst an einen der 300 Sonnentage im Jahr kalt anfühlen, dann nämlich, wenn der Mistral, der kalte Nordwestwind, weht. Die windigen Tage kann man überbrücken, indem man sie ausnutzt, um dem Spiel der Wind- und Kitesurfer auf dem Meer zuzuschauen und das Baden und Am-Strand-liegen einfach auf windstillere Tage verlegt.

Bekannte Städte der Côte d’Azur, die direkt am Meer liegen, sind Cassis (Marseille), Saint-Tropez, Antibes, Cannes, Nizza, Monaco und Menton. Und auch im Hinterland befinden sich ein paar berühmte Ortschaften, wie Grasses, die Stadt der Parfüme oder Vallauris mit ihrer weithergereichten Tradition der Töpferei. An der Küste selbst, hat jeder Ort seinen ganz eigenen Flair. Nach Cannes reist man wegen den Boulevard und Strand de la Croisette, also der bekannter Flaniermeile und des dazugehörenden Strandes. In Monaco lässt sich neben beeindruckenden Yachten im Hafen auch das ozeanographische Museum mit seinen schönen Aquarien bestaunen. Und am westlichen Ende der Côte d’Azur, zwischen Cassis und Marseille laden die calanques zum wandern, sonnen und baden ein. Die calanques sind enge, fjordartige Buchten, deren steilen Wände aus weißem Kalkgestein Kletterer aus ganz Europa anziehen. Die calanques sind nur zu Fuß oder mit dem Boot erreichbar, im Sommer aber trotzdem gut besucht. Wer einen schönen Platz in den felsigen Buchten ergattern möchte, sollte sich also morgens rechtzeitig auf den Weg machen. Allerdings muss man sagen: es lohnt sich.

Etwas östlich von Cassis liegt La Ciotat, eine Hafen- und Industriestadt, die eigentlich nur wegen des auffallenden Felsens bekannt ist, der sie überragt, den Bec de l’aigle.

Direkt im Anschluss an La Ciotat findet man Saint-Cyr-sur-Mer, das Ziel unserer Reise. Wir wollen am Mittelmeer natürlich tauchen und werden eine Woche lang tiefer liegende Wracks erkundigen. Dies ist im Sommer nicht möglich, da die Tauchbasen zur Hauptsaison lieber Sporttaucher als technische Taucher empfangen.

Sporttaucher tauchen flacher und – ausrüstungsbedingt – kürzer. Außerdem ist diese Art des Tauchens mittlerweile eine weitverbreitete Sportart, so dass die zwei oder drei Ausfahrten, die täglich zu den hübschen Plätzen vor der Küste führen, immer ausgebucht sind. Aus diesen Gründen ist unsere Gruppe technischer Taucher auf den Oktober ausgewichen. Wir werden das Tauchboot für uns alleine haben und jeden Tag eine lange Ausfahrt machen können. Das Wetter sollte etwas kühler als im Sommer sein, was von Vorteil ist, wenn man bedenkt, dass die Taucher dicke Unterzieher aus schlafsackähnlichen Material tragen und oben drüber noch den eigentlichen Trockentauchanzug, einen Tauchanzug, der an Hals und Handgelenken mit Manschetten dichtet und in dem man komplett trocken bleibt. Schließlich geht es im Herbst auch an Land gemütlicher zu und die Preise für Unterkunft und Essen sind deutlich unter denen der Hauptsaison.

Nach unserer zehnstündigen Anreise machen wir es uns in unserem Zimmer auf einem ruhigen Anwesen im Hinterland bequem. Es duftet nach Pinien und die Sonne scheint, so dass alle nach einer erholenden Nacht, fröhlich und fit für den ersten Tauchgang bereit stehen. Dieser dient dem Eingewöhnen und den letzten Ausrüstungschecks und führt zum Wrack einer P38 aus dem zweiten Weltkrieg, das nun, von Fischen und Langusten bevölkert, in 40 Metern Tiefe liegt. Nach einem gemütlichen Tauchgang fahren wir zurück an Land, bereiten alles für den nächsten Tag vor und lassen den Tag in einer nahe gelegenen Pizzeria ausklingen.

 

Die folgenden Tage führen uns zum Wrack eines kleinen Schleppers in 90 Metern Tiefe, die SALLY OF NEW YORK, zur BANANIER, deren Identität noch nicht klar ist, die aber Bananenfrachter genannt wird, weil nach ihrem Untergang Kisten mit Bananen an Land gespült wurden und zur GUYANE, die, nachdem sie im Krieg von Deutschland beschlagnahmt wurde, zu NIEDERSACHSEN umgetauft wurde und nun in Fahrtposition auf dem Grund in 110 Metern Tiefe liegt.

Am letzten Tag, geht es schließlich zum Highlight dieser Wracktauchwoche: wir fahren die PROTÉE an. Das Wrack des französischen U-Bootes kann nur bei ruhiger See und gutem Wetter angefahren werden da es weit draußen und in 127 Metern Tiefe liegt. An diesem Tag sind die Bedingungen perfekt. Mein Tauchpartner und ich tauchen als erste zum Wrack, auf dem uns, für ein paar Sekunden, ein Mondfisch besuchen kommt. Wir schwimmen gemütlich zum Bug, dann zurück zum Turm. Noch ein paar Bilder und schon ist es Zeit den Aufstieg anzutreten. Für das Heck bleibt nicht genug Zeit übrig. Das werden wir ein anderes Mal anschauen müssen. Wir steigen langsam von Dekostopp zu Dekostopp durch das klare, blaue Wasser auf, bis wir, nach vier Stunden unter Wasser wieder die Oberfläche erreichen. Die Sonne strahlt uns an. Nachdem alle wieder fit und munter auf dem Boot sind, fahren wir zurück zum Hafen. Der Wetterbericht für das Wochenende ist schlecht, so dass alle ihre Sachen packen und in die Autos verstauen. Dann treffen wir uns ein letztes Mal auf Pizza, Lasagne, Salat und Eis, bevor am nächsten Tag alle Teilnehmer den Heimweg antreten.

Unsere Gruppe bestand aus Tauchern aus Südfrankreich, dem Elsaß, der Schweiz, Süd- und Norddeutschland sodass manche nach zwei Stunden schon gemütlich daheim ankamen und andere doch lieber eine Übernachtung auf den Rückweg einlegten … um am nächsten Tag im Schnee heimzufahren, da über Nacht der Winter eingebrochen war.

Auch in Saint-Cyr-sur-Mer wurde das Wetter in den darauffolgenden Tagen immer schlimmer und Sturm und Regen stürzten sich auf die Côte d’Azur. Aber auch das gehört zum Wesen der französischen Mittelmeerküste. Nach wochenlangem Sonnenschein verdunkelt sich plötzlich der Himmel, der Wind lässt die Schiffe im Hafen tanzen und der Regen klatscht mit voller Gewalt auf das Pflaster der leeren Straßen. Nach ein paar Stunden oder auch Tagen ist dann genauso plötzlich das Unwetter wieder vorbei und die Sonne strahlt, als wäre nichts gewesen. Und wir strahlen mit ihr und können den nächsten Herbst kaum erwarten, in dem wir aus dem Auto hüpfen und die nach Thymian und Pinien duftende Luft tief einatmen werden, bevor wir wieder hinab gleiten in das tiefblaue Wasser, das so viele spannende Geheimnisse verbirgt. 

 

Informationen

Anreise: Wir sind mit dem Auto durch die Schweiz und dann über Grenoble gefahren. Man kann auch das Rhône Tal runterfahren, sollte dann aber vorher prüfen, dass man nicht an einem Schulferien-Tag oder Anfang/Ende eines Wochenendes fährt, da die Rhône-Autobahn für ihre Staus berüchtigt ist. Ansonsten fährt seit kurzen der TGV direkt von Frankfurt am Main nach Marseille.

Unterkunft: Wir waren im Domaine des Olivers bei Saint-Cyr-sur-Mer:

http://de.hotels.com/ho313438/le-domaine-des-oliviers-ollieres-frankreich/

Tauchen: In Saint-Cyr-sur-Mer, Azur plongée: http://www.azurplongee.com/

In Marseille, Massilia plongée: http://www.massilia-plongee.fr/Bienvenue.html

In Cavalaire, Eau bleue: http://www.plongeecavalaire.com/

Und viele mehr.

Ein Tip für „Sprachmuffel”, die European Diving School in Saint Tropez unter deutscher Leitung: http://www.europeandiving.com/

Sehenswürdigkeiten: Calanques (Marseille-Cassis): http://www.marseille-tourisme.com/al/wanderungen-durch-die-calanques-von-marseille/

Grasse: http://www.grasse.fr/

Vallauris: http://www.vallauris-golfe-juan.fr/

Musée océanographique de Monaco: http://www.oceano.mc/

Hyères und die Inseln Port-Cros und Porquerolles:

http://www.hyeres-tourisme.com/all/ ·

http://www.portcrosparcnational.fr/accueil/ · http://www.porquerolles.com/accueil/

Picasso Museum in Antibes:

http://www.antibes-juanlespins.com/les-musees/picasso

Chagall Museum in Nice: http://www.musees-nationaux-alpesmaritimes.fr/chagall/

Marineland in Antibes: http://www.marineland.fr/  

Parc Phoenix in Nizza: http://www.parc-phoenix.org/

Und natürlich auch hier vieles mehr, je nach Geschmack der Besucher, Jahreszeit und Wetter.

 

Der Bec de l'aigle (Schnabel des Adlers) ist das Merkmal von La Ciotat 
		  Hafen von Saint-Cyr-sur-Mer

Der Bec de l'aigle (Schnabel des Adlers) ist das Merkmal von La Ciotat Hafen von Saint-Cyr-sur-Mer.

Im relativ kleinen Hafen von Saint-Cyr-sur-Mer findet man sowohl 
			Fischerboote als auch Segelschiffe und Tauchboote

Im relativ kleinen Hafen von Saint-Cyr-sur-Mer findet man sowohl Fischerboote als auch Segelschiffe und Tauchboote

Ein Taucher am dicht bewachsenen Bug der GUYANE in etwa 95 Metern Tiefe

Ein Taucher am dicht bewachsenen Bug der GUYANE in etwa 95 Metern Tiefe.

Dieser Taucher schwimmt an der Backbordseite der GUYANE entlang in Richtung HeckDieser Taucher schwimmt an der Backbordseite der GUYANE entlang in Richtung Heck.

 

Das Geschütz der GUYANE steht noch, mittlerweile harmlos zur Oberfläche gerichtet und ist das neue Zuhause eines Schwarmes hunderter kleiner FischeDas Geschütz der GUYANE steht noch, mittlerweile harmlos zur Oberfläche gerichtet und ist das neue Zuhause eines Schwarmes hunderter kleiner Fische.

Ein Taucher am Bug der PROTÉE in 127 Metern Tiefe

Ein Taucher am Bug der PROTÉE in 127 Metern Tiefe.

Foto: Dr. Séverine Bär, Heidelberg

Ein Taucher schwimmt am Deck der PROTÉE entlang in Richtung Heck.

Der Turm der PROTÉE, der beschädigt wurde als das U-Boot gegen eine Mine fuhr. In der Tiefe ist es auch dann, wenn die Sonne hoch steht, ziemlich dunkel, doch das Wasser ist sehr klar und der Taucher sieht soweit die Lampe reicht.

Der Turm der PROTÉE, der beschädigt wurde als das U-Boot gegen eine Mine fuhr. In der Tiefe ist es auch dann, wenn die Sonne hoch steht, ziemlich dunkel, doch das Wasser ist sehr klar und der Taucher sieht soweit die Lampe reicht.

Vielleicht verbirgt sich irgendwo auf der Brücke oder in den Laderäumen der BANANIER der Hinweis auf ihre Identität? Die Zeit, die die Taucher in großer Tiefe verbringen können, ist oft zu kurz und reicht nur für einen schnellen Überblick. Um ein Wrack im Detail zu studieren, braucht es daher sehr viele Tauchgänge. 

Vielleicht verbirgt sich irgendwo auf der Brücke oder in den Laderäumen der BANANIER der Hinweis auf ihre Identität? Die Zeit, die die Taucher in großer Tiefe verbringen können, ist oft zu kurz und reicht nur für einen schnellen Überblick. Um ein Wrack im Detail zu studieren, braucht es daher sehr viele Tauchgänge.

Die SALLY, ein kleiner Schlepper, steht aufrecht auf dem Sandgrund und erinnert irgendwie an ein Geisterschiff

Die SALLY, ein kleiner Schlepper, steht aufrecht auf dem Sandgrund und erinnert irgendwie an ein Geisterschiff.

Die 
	P38 liegt in knappen 40 Metern Tiefe und ist dadurch auch für Sporttaucher 
	gut zu erreichen.Die P38 liegt in knappen 40 Metern Tiefe und ist dadurch auch für Sporttaucher gut zu erreichen.

Ein 
	Taucher schwebt über dem Wrack der P38, das kopfüber auf dem Sandgrund 
	liegt.Ein Taucher schwebt über dem Wrack der P38, das kopfüber auf dem Sandgrund liegt.

Foto: Dr. Séverine Bär, Heidelberg

Der Küsten-Wanderweg erlaubt schöne Ausblicke aufs Meer und schenkt dem Besucher außerdem diesen ganz besonderen Côte d'Azur Duft: Pinien und Thymian.

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