LANDGANG   AUSGABE 2/2013
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 Kamelreiten in der Wüste will gelernt sein. Dem Besucher empfiehlt sich ein Führer, der auch beim Aufsteigen und Absteigen hilft Kamelreiten in der Wüste will gelernt sein. Dem Besucher empfiehlt sich ein Führer, der auch beim Aufsteigen und Absteigen hilft.

   

Dieter Bromund

Landgang in Abu Dhabi – Zwischen Wüstenrand und Nebelwand

Wir wollten nur sehen, hören, schmecken, darum reichte uns eine Woche für den ersten Besuch in Abu Dhabi. Unser Wissen über Land und Leute, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Emiratis, stammte aus aktuellen Briefen meiner Tochter, einem großen Spielfilm, aus Fernsehkommentaren und alten Büchern, in denen die Vereinigten Arabischen Emirate noch Trucial States hießen, Vertragsstaaten. Im 19. Jahrhundert hatte das Britische Empire mit ihnen Verträge geschlossen, die den Schiffsverkehr nach Indien sicherer machten und den Emiraten Schutz gegen Feinde boten.

So vorbereitet landeten wir nachts um 2.30 Uhr aus Istanbul kommend am Rande der Wüste und starteten eine Woche später, als hartnäckige Nebelwände verschwunden waren, mit vierstündiger Verspätung um 8.00 Uhr zurück nach Istanbul. Wüste, ja sogar Sandstürme hatten wir erwartet, Nebel nicht.

 

Überwältigende Gegenwart

Wir bummelten durch Shopping Malls, kauften ein, gingen gern und häufig essen, fuhren in die Wüste, tuckerten nächtens mit einer Dhow übers Meer, benutzten Taxis, besuchten Hotels und eine Moschee, waren im Kino, lernten eine Bauchtänzerin kennen, streiften durch Souks und Supermärkte,  nahmen an einer Dinner-Party von „expatriates teil, genossen einen Beach Club und Strände und die überwältigende Gastfreundschaft von Tochter und Schwiegersohn.

Nur ein einziges Mal sprachen wir mit einem Emirati – auf dem Hinflug zwischen Istanbul und Abu Dhabi. Der bärtige junge Mann trug eine Baseballmütze, Jeans, eine Weste und modische, abgelatschte Turnschuhe. Er saß neben uns auf einem der Plätze am Notausgang, fragte nach unserem Woher und Wohin, gab nur mir die Hand und nannte seinen Namen. Sultan, erfuhr ich, war nicht nur ein Titel, sondern auch ein gängiger Vorname. Unser Mitreisender sprach vorzügliches Englisch und war Angestellter der ADNOC, der Gesellschaft, die in Abu Dhabi zu Lande und zu Wasser Öl und Erdgas fördert. Er war allein, ohne seine Familie, auf Urlaub in der Türkei gewesen.

Auf der anderen Seite des Ganges saß ein junges Paar, sehr mit sich beschäftigt, er im westlichen Anzug, sie schwarz und tief verschleiert. Die Herren, die am Flughafen in Abu Dhabi die Pässe stempelten und uns durchwinkten, trugen Landestracht, die weiße, bodenlange Kandura und den weißen Ghutra, der Kopf, Ohren, Wangen und Hals bedeckt und mit einem schwarzen Reif auf dem Kopf gehalten wird. Frauen in schwarzen Schleiern, den Abajas, suchten wir unter den Offiziellen vergeblich. Damen im Dienst trugen Uniform, bodenlange Röcke und Schleier um den Kopf, die nur das Gesicht frei ließen. Freundliches Lächeln überall – und Schweigen. Was für ein Land!

 

Gefeierte Vergangenheit

Entlang der Corniche, der imposanten Straße Abu Dhabis, die acht Kilometer dem Meeresstrand folgt, hingen an den Lampen noch Überreste von Girlanden und großen Zahlen, Hochhäuser waren mit Flaggen geschmückt, manche Fassade nachts in wechselndes Licht getaucht. Die United Arab Emirates hatten am 2. Dezember 2012 den 41. Jahrestag ihrer Gründung gefeiert.

Ein junger Staatenbund also? Die Herrscherfamilie in Abu Dhabi führt ihren Stamm schon seit 1793! Man siedelte zwischen Wüste und Meer, erfreute sich seit 1820 britischen Schutzes, betrieb Perlenfischerei und lebte im Übrigen recht bescheiden. Wie – lernten wir im Heritage Village auf Breakwater kennen. Schwarze flachdachige, niedrige Zelte, Matten und Stützen waren aus Dattelpalmenblättern geflochten und aus Dattelpalmenstämmen gehauen. Wir sahen Brunnen, aus denen mit Ledersäcken Wasser geschöpft wurde, Kleinhandwerker, die sehr kunstvoll Holz, Eisen oder Ton bearbeiteten. Soweit das Arabische.

In den Verkaufsständen des kleinen Marktes im Heritage Village hing schon in Indien Gewebtes und Gefertigtes. Wenige Minuten weiter stand eine gewaltige Kuppel und neben ihr eine Fahnenstange, die bis in die Wolken zu reichen schien und an der die Flagge des Landes wehte und Windstärke und Richtung anzeigte. Sitz der Regierung? Nein, ein arabisches Theater. Die gemeinsame Flagge der Emirate hoch droben war so groß wie ein Tennisplatz.

 

Bauen für die Zukunft

Die Stadt Abu Dhabi war innerhalb weniger Jahrzehnte entstanden aus dem Nichts in der Wüste und auf Inseln am Rande des Meeres, das bei uns eher persischer, in Abu Dhabi aber immer arabischer Golf genannt wird. Gewaltige Hochhäuser, dicht an dicht stehend, säumen die Küste und werden immer noch mehr. Scheich Chalifa bin Zayid Al Nahyan, Herrscher von Abu Dhabi, dem größten der sieben Emirate und ihr Präsident, lässt sich gerade in der Stadt einen neuen Palast errichten.

Wir hielten das Gebäude daneben für den aktuellen Sitz des Mächtigen. Doch es war nur ein gewaltiges Hotel mit 394 Zimmern und Suiten, das Emirates Palace. Bewirtschaftet wird es von der deutschen Kempinski Gruppe. Das kleinste „Zimmer hat 55 Quadratmeter und kostet pro Nacht 4.100 Dirham (820 Euro) die größte Suite mit ihren 680 Quadratmetern kann man pro Nacht für 55.000 Dirham (11.000 Euro) bewohnen. Das Hotel liegt mit seinen 114 Kuppeln auf 100 Hektar Land. Von See anreisende Gäste können im hoteleigenen Hafen Schiffe bis 60 Meter Länge festmachen.

Gemanagt von Europäern, gebaut, versorgt, gepflegt und gereinigt von Asiaten, vor allem von  Pakistanis, Indern, Afghanen, Bangladeshi, Indonesiern. Nur 20 Prozent der Einwohner sind Emirati, 80 Prozent sind „expatriates, Ausländer mit befristeter Arbeitserlaubnis und ihre Familien. Wer hier arbeitet, verdient gut – im Vergleich zu dem, was in der jeweiligen Heimat für die gleiche Arbeit gezahlt wird. Bettler waren nirgends auszumachen.

Abu Dhabi ist wie die anderen Emirate am Golf ein „sicheres Land, vor Taschendieben zum Beispiel muss sich niemand hüten. Fürchten kann man sich allenfalls vor rabiaten und zu schnellen Autofahrern. Was immer auf der Welt getragen, gegessen und gefahren oder sonst wie genutzt wird, ist in Abu Dhabi zu haben, manchmal wegen fehlender Steuern erstaunlich preiswert. Die Supermärkte gleichen den unsrigen, die im benachbarten Dubai sollen andere, neue Maßstäbe

 

setzen. Wohin fließen die Einnahmen? Eine unserer Fragen blieb unbeantwortet. Keiner der Fremden, die hier leben, wusste genau, wie die Einnahmen aus Erdöl und Erdgas unter den Scheichtümern und dort unter den Einheimischen verteilt werden. Uns fiel auf, dass niemand von denen arbeitet, die als Männer die weiße bodenlange Tracht trugen und als Frauen von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt waren. Die schlenderten in Gruppen eher getrennt als gemeinsam, doch dann, ohne sich zu berühren, durch die Shopping Malls. Um die begleitenden Kinder kümmerte sich eine Nurse, die nicht verschleiert war. Auch jüngere arabische Herren und kleine Jungen trugen weiß, Ausländer waren sofort auszumachen.

Was an Häusern immer noch hoch in den Himmel gebaut wird, enthält Büroräume und Wohnungen. Wer bei solchen Beobachtungen nach überlieferten Mustern über Haben und Nichthaben urteilt, sollte sich im Emirates Palace genauer umsehen. Ein ganzer Flügel ist dort der Zukunft des Landes gewidmet. Scheich Zayed bin Sultan al Nahyan, der Gründer der VAE und ihr erster Präsident, der 2004 starb, war ein Mann mit Visionen, die sich nicht nur auf Gebäude und Straßen beschränkten. Seine Gedanken über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Emirate sind öffentlich zugänglich und werden immer wieder zitiert. Ein gewaltiges Porträt von ihm schmückt das Ende der Corniche und verweist auf eine Homepage: www.ourfatherzayed.ae

Dort finden sich weise Worte wie diese – in Arabisch und auf Englisch: „Gute Staatsbürger zu erziehen ist schwieriger, als Fabriken zu bauen. Kultivierte Nationen werden am Stand der Bildung ihrer Bevölkerung gemessen. Oder: „Wahrer Reichtum ist die harte Arbeit, die dem einzelnen und der Gemeinschaft zugutekommt. Er ist unsterblich und ewig und macht den Wert des einzelnen und der Nation aus.

 

Wohin mit dem Salz?

Man darf gespannt sein auf das, was die Gesellschaft der Emiratis mit diesem Geist und solcher Finanzkraft erreichen wird. Was mag aus einem Land werden, wenn etwa europäische Kunst gewaltige Museen am arabischen Golf  füllen wird oder hier die beste medizinische Versorgung auf der Welt sichergestellt sein wird? All das wird vorbereitet und ist in Modellen und Broschüren bereits zu bewundern. In unserer Gegenwart fragte niemand, was nach dem Öl geschieht.

Doch ein Problem wird schon jetzt erkannt, an seiner Lösung wird gearbeitet: Das Süßwasser der VAE wird durch Entsalzungsanlagen aus dem Meer gewonnen und steht in großen Mengen zur Verfügung. Das Salz, das bei diesem Prozess übrig bleibt, wird ins Meer zurückgeführt – und macht es salziger. Folgen für Flora und Fauna unter Wasser sind bereits erkennbar.

 

Ausflug in die Wüste

Der Dezember war uns als bester Besuchsmonat empfohlen worden, wir blieben über Weihnachten, das in der islamischen VAE natürlich nicht gefeiert wird. Nur meist künstliche Tannenbäume waren in Hotels beliebte Versatzstücke. Die Temeraturen stiegen am Tag nach frischen Morgen um die Mittagszeit auf etwa 25 Grad.

Bei einer Bootsfahrt auf dem Meer war ein Pullover angebracht – und ebenso in der Nacht unseres Ausflugs in die Wüste, zu dem uns ein wohltemperierter Jeep abholte. Nach zwanzig Minuten Autobahn wechselten wir die Richtung und nahmen eine neue, vom Meer weg, die nach weiteren zwanzig Minuten in eine asphaltierte Chaussee überging. Noch immer begleiteten uns Pflanzungen, riesige Sandflächen mit künstlich bewässerten Büschen. Sie hörten da auf, wo die Piste in die Wüste begann. Und wo die Piste hinter Sanddünen verschwand, wartete ein weiterer Jeep. Wir hatten die Grenze der Al Khatim Wüste erreicht.

Der Reifendruck wurde gesenkt und dann erlebten wir „dune bashing, rasende Jeep-Fahrten über Sanddünen hinweg und in Täler hinab. Unsere Fahrer waren Inder, die die Fahrzeuge meisterhaft beherrschten und rechtzeitig erkannten, wenn uns schwindelig zu werden drohte.

Vor unserem Oasendorf „Arabian Nights, einem Gästezentrum mit allen modernen Annehmlichkeiten, wartete ein Kamel auf Reiter, Quads, vierrädrige Motorräder, wollten im Wüstensand erprobt werden, zum Schwimmen lud ein großes Becken mit kühlem Süßwasser ein.

Unsere arabische Nacht in diesem nagelneuen Resort begann mit einem Drink, ja man hatte eine Lizenz zum Alkoholverkauf. Dann bog sich der Tisch unter arabischen Vorspeisen, unter Fisch- und danach Fleischbergen und schließlich unter Nachspeisen unerwarteter Süße und Frische. Der junge singende Araber, der uns beim Essen mit der Laute erfreute, kam aus Marokko, die attraktive, hüftenschwingende Bauchtänzerin beim Kaffee hatte einen niederländischen Pass und stammte aus Armenien.

Wir genossen den klaren Sternenhimmel über der Wüste, suchten nach bekannten Sternbildern, fanden den Orion, und verschwanden um Mitternacht in unseren Hütten aus Blättern und Holz von Dattelpalmen in einladende Badezimmer und bequeme Betten.

 

Der eigene Weg

Bei einer Dinner Party nur unter „expatriates erfuhren wir zum ersten Mal etwas über die politische Situation der VAE, die die geografische Lage der Scheichtümer widerspiegelt. Zwischen dem großen Saudi Arabien und dem gewaltigen Irak liegend entwickelt das Land ein ganz eigenes Bewusstsein, in dem Traditionen der Emirate und Bewährtes aus dem Abendland zusammenfließen.

Auch in Abu Dhabi preist man Allah mit der Größe neuer Moscheen. Die Sheik Zayed Moschee mit ihren über 80 Kuppeln, gebaut aus weißem Marmor, kann 40.000 Gläubige zum Gebet aufnehmen, Frauen und Männer getrennt voneinander. Sie ist die drittgrößte Moschee der Welt. Solch ein „Gotteshaus gänzlich ohne Bilder und Figuren mit einem einzigen Sitzplatz überrascht den Europäer immer wieder. In dieser Moschee gingen wir über den größten handgeknüpften Teppich der Welt, der den ganzen Innenraum ausfüllt. Dass ihn Muslime, Hindus und Christen störungsfrei besuchen und betrachten können, managen indische oder pakistanische Aufseher. Sie stoppen den Besucherstrom nur dann, wenn der Muezzin zum Gebet ruft. Das tut er fünf Mal bei Tag und Nacht.

 80 Kuppeln hat in Abu Dhabi die drittgrößte Moschee der Welt, die Sheik Zayed Moschee. In ihr können sich 40.000 Menschen zum Gebet versammeln.

80 Kuppeln hat in Abu Dhabi die drittgrößte Moschee der Welt, die Sheik Zayed Moschee. In ihr können sich 40.000 Menschen zum Gebet versammeln.

Den Boden der Sheik Zayed Moschee bedeckt der größte handgewebte Teppich der Welt

Den Boden der Sheik Zayed Moschee bedeckt der größte handgewebte Teppich der Welt.

Vom 
	Strand aus kann man den Blick auf die Silhouette Abu Dhabis hinter dem 
	Meeresarm genießenVom Strand aus kann man den Blick auf die Silhouette Abu Dhabis hinter dem Meeresarm genießen.

 

Nebel 
	am Wüstenrand. Wenn graue Schleier die Sonne verdunkeln und die Spitzen der 
	Hochhäuser verschwinden, ist auch der Strand leerNebel am Wüstenrand. Wenn graue Schleier die Sonne verdunkeln und die Spitzen der Hochhäuser verschwinden, ist auch der Strand leer.

Uralt 
	trifft auf hochmodern. Junge Emiratis in der traditionellen weißen Kleidung 
	der Männer erfrischen sich im Schatten. Der Laptop ist immer dabeiUralt trifft auf hochmodern. Junge Emiratis in der traditionellen weißen Kleidung der Männer erfrischen sich im Schatten. Der Laptop ist immer dabei.

 

Die 
	Herren der Emirate versammelt unter der gemeinsamen Flagge. Die Feier „41 
	Jahre Vereinigte Arabische EmirateDie Herren der Emirate versammelt unter der gemeinsamen Flagge. Die Feier „41 Jahre Vereinigte Arabische Emirate lag ein paar Wochen zurück. Fahnen und Plakate waren immer noch zu bestaunen.  

„Dune bashing” nennt sich das Abenteuer, mit Jeeps Dünen hinauf zu jagen und ihre Abhänge in schwindelerregenden Kurven hinabzurasen.„Dune bashing nennt sich das Abenteuer, mit Jeeps Dünen hinauf zu jagen und ihre Abhänge in schwindelerregenden Kurven hinabzurasen.

Arabian 
	Night Village: Am Rande der Wüste Al Khatim, etwas mehr als eine Stunde von 
	Abu Dhabi entfernt, lädt ein kürzlich geschaffenes Oasendorf zu arabischen 
	Nächten einArabian Night Village: Am Rande der Wüste Al Khatim, etwas mehr als eine Stunde von Abu Dhabi entfernt, lädt ein kürzlich geschaffenes Oasendorf zu arabischen Nächten ein.

 

Auch 
	das gehört zu einer Nacht in der Wüste: Die temperamentvolle Bauchtänzerin 
	in der Oase stammt aus Armenien und hat einen holländischen PassAuch das gehört zu einer Nacht in der Wüste: Die temperamentvolle Bauchtänzerin in der Oase stammt aus Armenien und hat einen holländischen Pass.

Das 
	Emirates Palace in Abu Dhabi ist eins der größten, schönsten und teuersten 
	Hotels der Welt. Im hoteleigenen Hafen können Schiffe bis 60 Meter Länge 
	festmachenDas Emirates Palace in Abu Dhabi ist eins der größten, schönsten und teuersten Hotels der Welt. Im hoteleigenen Hafen können Schiffe bis 60 Meter Länge festmachen.

Wird 
	2014 eröffnet und alle Bauwerke der Stadt überragen: Das Zayed National 
	Museum in Abu Dhabi, hier als Modell ausgestellt, erzählt die Geschichte der 
	RegionWird 2014 eröffnet und alle Bauwerke der Stadt überragen: Das Zayed National Museum in Abu Dhabi, hier als Modell ausgestellt, erzählt die Geschichte der Region

und der Emirate.

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