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Die drei Cunard-Queens und die „Red Arrows”, einer von vielen historischen Momente im Jubiläumsjahr der Cunard Line.Die drei Cunard-Queens und die „Red Arrows”, einer von vielen historischen Momenten im Jubiläumsjahr der Cunard Line. Foto: Kai Ortel, Berlin

 

Kai Ortel

Von Liverpool in die Neue Welt

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Cunard Line feiert 175jähriges Reederei-Jubiläum mit Schiffsparade und Atlantiküberquerung auf historischer Route

„Können Sie alle drei QUEENS gleichzeitig auf dem Mersey unterbringen?” Diese historische Anfrage erreichte die Managerin des Liverpool Cruise Terminals 2011 und kam von der Cunard Line, jener Reederei, die wie keine andere mit der Stadt Liverpool verbunden ist. 1839 als „British and North American Royal Steam Packet Company” gegründet, war das Unternehmen von Samuel Cunard 1840 das erste, das einen regelmäßigen fahrplanmäßigen Schiffsverkehr von England über den Nordatlantik angeboten hat. Bis 1967 blieb Liverpool in der Folge Heimathafen und Hauptsitz der Reederei; hier wurden unsterbliche Liner wie die erste QUEEN MARY und QUEEN ELIZABETH entworfen, ein weiterer gebaut (die zweite MAURETANIA von 1939) und natürlich Millionen von Auswandern und anderen Passagieren auf ihre Fahrt über den „Großen Teich” eingeschifft. Das „Cunard Building” bildet noch heute zusammen mit dem „Royal Liver Building” und dem „Port of Liverpool Building” die als „Drei Grazien” bekannte markante Waterfront der Stadt, die seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Ganze Generationen von Männern und Frauen aus Liverpool und Umgebung haben auf den Schiffen und in den Büros der Cunard Line gearbeitet, welche die Stadt daher noch immer liebevoll als ihre „geistige Heimat” bezeichnet. Was lag da näher, als das 175jährige Jubiläum der Reederei mit einem besonderen Event zu feiern, das die aktuelle Flotte der Cunard Line genauso einbezieht wie die Kulisse der Stadt und deren schiffsbegeisterte Bevölkerung? Alle drei Schiffe der Reederei, die QUEEN MARY 2, die QUEEN ELIZABETH und die QUEEN VICTORIA, sollten am Pfingstmontag 2015 gemeinsam nach Liverpool kommen und dort schiffsbegeisterten „Sehleuten” ein unvergessliches Spektakel bieten. Und so kam es – nach mehrjähriger intensiver Vorbereitung unter Einbeziehung von Stadt, Hafen, Lotsen und Kapitänen.     

Den Auftakt der dreitägigen Feierlichkeiten machte am 24. Mai die QUEEN MARY 2, die als erstes der drei Schiffe in Liverpool eintraf. An Bord lief ausgerechnet der Beatles-Hit „Here comes the Sun”, als der Liner unter dem Kommando von Kapitän Chris Wells morgens um 9:00 Uhr im typisch englischen Nieselregen in Liverpool einlief. Nicht ohne jedoch zuvor vor den Augen der etwa 20.000 Schaulustigen eine „Ehrenrunde” vor dem Cunard Building zu drehen – so viel Symbolik gehörte an einem Tag wie diesem einfach dazu. Erst danach machte die QM2 am Liverpool Cruise Terminal fest, wo sie über Nacht blieb.   

Auch der 25. Mai, der große Tag des Zusammentreffens der drei Queens vor historischer Kulisse, begann zunächst stark bewölkt und merklich kühl. Doch das hielt natürlich niemanden davon ab, sich an diesem Tag schon früh am Morgen auf den Weg zu den Ufern des Mersey zu machen, wo die Sicht auf das mittägliche Manöver der drei Cunard-Liner in der Flussmitte am besten sein würde. Wer die Schiffe dabei auch noch vor der Kulisse der historischen Skyline Liverpools auf den Chip bannen wollte, musste jedoch mit der Metro nach Birkenhead fahren, wo schon bald kein freier Aussichtsplatz mehr zu bekommen war. Um 10:45 begann schließlich die zuvor am Simulator unzählige Male minutiös einstudierte Choreographie: Unter dem Geleit zweier Schlepper verließ die QUEEN MARY 2 zunächst ihren Anleger am Liverpool Cruise Terminal, um auf Höhe der Stadtteile Seaforth und Crosby in der Mersey-Mündung zu ankern und dort auf ihre beiden „kleinen Schwestern” zu warten. Diese trafen, natürlich, pünktlich um 12 Uhr ein, so dass die QUEEN ELIZABETH die „Prozession” um 12:20 Uhr anführen konnte. Die QUEEN VICTORIA folgte ihr, ehe sich auch die QUEEN MARY 2 hinter ihr einreihte, um die Nachhut des kleinen flussaufwärts fahrenden Konvois zu bilden. Um kurz vor 13 Uhr war es dann endlich soweit: Angeführt von der QUEEN ELIZABETH unter dem Kommando von Kapitän Alistair Clark passierten die drei Cunard-Liner die in Birkenhead liegende Nordirland-Fähre STENA LAGAN. Böllerschüsse begrüßten die Schiffe, die nun in majestätischem Tempo und unter Wasserfontänen der Schlepper nacheinander das Royal Liver Building, das Cunard Building und das Port of Liverpool Building passierten und ihre Fahrt bis auf Höhe der Echo Arena und des Werftgeländes von Cammell Laird fortsetzten. Mittlerweile hatten sich auch noch weitere Schlepper dazugesellt, die zusammen mit den Mersey-Fähren das ohnehin schon perfekte maritime Gesamtkunstwerk weiter abrundeten.  

Um 13:15 Uhr begann dann das schwierigste aller Manöver des Tages: die synchrone Wende der drei Schiffe um 180 Grad nach Steuerbord auf engstem Raum. Doch auch diese klappte reibungslos, so dass die Reporter in den Hubschraubern, die Passagiere auf den großen und den kleinen Schiffen in der Flussmitte sowie natürlich die Zuschauer an beiden Ufern des Flusses nicht aufhören konnten, das Ereignis im Bild festzuhalten oder einfach still zu genießen. Die beiden flankierenden Schiffe QUEEN ELIZABETH und QUEEN VICTORIA drehten am Ende sogar noch ihren Bug ein Stück in Richtung des Vorschiffes der QUEEN MARY 2, einen Pfeil symbolisierend. Und als wäre dies noch nicht genug der Perfektion, überflogen in just diesem Moment auch noch die berühmten „Red Arrows”, die Kunstfliegerstaffel der Royal Air Force, das Geschehen und verzierten den Himmel um 13:50 Uhr für einen Moment mit Kondensstreifen in roter, weißer und blauer Farbe. Ein langer Ton, gefolgt von sieben kurzen und fünf weiteren aus dem Nebelhorn der QUEEN MARY 2 war schließlich der Tribut der Cunard-Flotte an das 175jährige Reederei-Jubiläum und ein akustischer Dank für die familien- und generationenübergreifende maritime Begeisterung, die an diesem Tag in der „spirituellen Heimat” der Reederei auf Schritt und Tritt zu spüren war.

Aus dem trüb-grauen Vormittag war mittlerweile ein heiterer Nachmittag mit dem

einen oder anderen Stück blauen Himmel geworden – besseres Wetter konnte man für einen Mai-Tag in Nordengland fast nicht erwarten. Um 14:00 Uhr schließlich scherte die QUEEN MARY 2 aus dem Schiffs-Trio aus und verließ Liverpool wieder. Von ihren Decks drang zu diesem Zeitpunkt „I want to hold your Hand” und „Land of Hope and Glory” bis zu den Ufern des Mersey herüber – passender konnte man den Abschied von der Heimatstadt der Beatles und der einstigen Metropole der englischen Schifffahrt auch musikalisch nicht zelebrieren.  

Während die QUEEN ELIZABETH nun den Platz der QUEEN MARY 2 am Liverpool Cruise Terminal bzw. die QUEEN VICTORIA für den Rest des Tages den ihr zugedachten in der Flussmitte einnahm, brach in der ‚’„” ‒Innenstadt von Liverpool der Verkehr zusammen. Als sich nämlich die Zuschauer-Reihen von bis zu 30 (!) Personen Stärke nach und nach auflösten und die Menschen den Ort des Spektakels verließen, kam es auf den Straßen Liverpools zu nie dagewesenen Staus bzw. bildeten sich vor den Eingängen der Metro-Stationen Schlangen von mehreren Hundert Metern Länge. Bereits während der Flottenparade hatten mehrere Abschnitte der Liverpool Waterfront zeitweise wegen Überfüllung geschlossen werden müssen, denn nach abschließenden Schätzungen waren aus der Million erwarteter Gäste alleine an diesem Montag 1,3 Millionen geworden. Die Hotels der Stadt waren selbstredend ausgebucht, doch damit, dass in einigen Restaurants auch noch die Essensvorräte ausgingen, hatte wohl niemand gerechnet. Liverpool im Ausnahmezustand – und das „nur” wegen dreier Passagierschiffe, die sich an diesem Tag auf dem Mersey ein Stelldichein gaben!

Und das war nur der erste Teil des Reedereijubiläums. Teil 2 begann wenige Wochen später, am 4. Juli – jenem Tag also, auf den vor genau 175 Jahren die BRITANNIA in Liverpool für ihre erste reguläre Fahrt nach Halifax und Boston abgelegt hatte. Was lag da näher, als genau diese Reise in derselben historischen Hafenabfolge zu wiederholen? Erneut waren 250.000 Menschen auf den Beinen, um die QUEEN MARY 2 zu sehen, und 400 hatten sogar das Glück, das erste Mal seit fast 50 Jahren überhaupt wieder in dieser Stadt ein Passagierschiff besteigen zu können, das sie nach Amerika bringen sollte. (Die übrigen Passagiere waren zuvor bereits in Hamburg und Southampton eingeschifft.) Und so wurde der historische Tag dann auch zelebriert: Um Punkt 14:00 Uhr ließ die QUEEN MARY 2 ihr Horn erklingen, da um diese Uhrzeit vor 175 Jahren die BRITANNIA abgelegt hatte. Um 16:15 Uhr gaben sich dann erneut die „Red Arrows” am Himmel wieder ein Stelldichein, ehe Kapitän Kevin Oprey um kurz nach 22 Uhr zu Feuerwerk und den Klängen der „Band of the Royal Marines” die Leinen los machte.   

Als im Jahr 1840 die BRITANNIA Liverpool verließ (vom Coburg Dock übrigens, das heute ein Yachthafen ist), waren 115 Passagiere an Bord, und das Schiff brauchte 11 Tage und 4 Stunden bis Halifax. An Bord der QUEEN MARY 2 waren auf der Jubiläumsreise nun 2.620 Passagiere und 1.200 Mann Besatzung, und die Überfahrt dauerte 6 Tage und 8 Stunden. Das macht bei 2.850 Seemeilen Entfernung eine Durchschnittsgeschwindigkeit von immerhin 22 Knoten, was zwar bei weitem noch nicht die Höchstgeschwindigkeit der QM2 ist und schon gar nicht die Rekordgeschwindigkeit ihrer Namensvorgängerin aus dem Jahr 1936 ist (29,6 bzw. 30,6 Knoten). Aber ein Tempo von 22 Knoten, mit dem der Liner immer noch gleichauf mit einer MAURETANIA liegt.

Doch so emotional der Abschied in Liverpool gewesen sein mag – drüben auf amerikanischer Seite ging es genauso feierlich weiter. Teil 1: der Anlauf von Halifax, Geburtsstadt von Samuel Cunard und damit das „ancestral home” der Reederei. Im Hafen steht eine Statue des Firmengründers, in der Stadt gibt es eine Straße, die nach ihm benannt ist und im Schifffahrtsmuseum sogar eine Sonderausstellung zum 175jährigen Reedereijubiläum. Die QUEEN MARY 2 wird dabei nicht nur am Morgen mit Blaskapelle und Jazzband begeistert empfangen, sondern am Abend auch von der kanadischen Fregatte HMCS MONTREAL eskortiert. Zum Dank dreht der Liner eine Ehrenschleife durch den Hafen und wird von Salutschüssen durch die „Royal Canadian Sea Cadets” verabschiedet.   

Zwei Tage später dann Boston: Auch hier ein Feuerwerk und natürlich viel Symbolik: Das ehemalige Cunard Building hat man pünktlich zum Reedereijubiläum frisch renoviert, schließlich war Boston nicht nur der erste US-Hafen der Cunard Line (New York wurde erst ab 1847 angelaufen), sondern zunächst auch Sitz der amerikanischen Dependance. Zu diesem Anlass hat die Cunard Line nun ein Modell der 1881 gebauten SERVIA gestiftet, das künftig das Foyer des Gebäudes schmückt. Und nach Boston kam dieses – natürlich – im Laderaum der QUEEN MARY 2.

Deren Reise endete schließlich am 14. Juli in New York. Was die Jubiläumsreise dann doch ein wenig von der ersten Fahrt der BRITANNIA unterschied. Doch die Zeiten ändern sich. Nicht mal mehr in Manhattan legen die Queens der Cunard Line heute an, sondern in Brooklyn. Doch nichtsdestotrotz wurde auch dieser letzte Anlauf auf der Jubiläumsreise gebührend gefeiert. So wurde Kapitän Oprey nicht nur die Ehre zuteil, die Glocke der New Yorker Börse zu läuten, als diese am späten Nachmittag schloss. Am Abend durfte die QUEEN MARY 2 dann sogar direkt vor der Freiheitsstatue ankern. Am Battery Park wurde dem Schiff und der Reederei zu Ehren eine Licht- und Musikshow veranstaltet, die nicht nur den Liner erleuchtete, sondern den Hafen von New York und den Himmel über der Stadt gleich mit. Mehr Theatralik geht nicht. www.cunard.de

Die QUEEN ELIZABETH am Liverpool Cruise Terminal. Die QUEEN ELIZABETH führte am Vormittag des 25. Mai 2015 die „Prozession” der drei Cunard-Queens auf dem Die QUEEN ELIZABETH am Liverpool Cruise Terminal. Die QUEEN ELIZABETH führte am Vormittag des 25. Mai 2015 die „Prozession” der drei Cunard-Queens auf dem

River Mersey an. Foto: Kai Ortel, Berlin

Vor historischer Kulisse: Die QUEEN ELIZABETH und das Royal Liver Buidling.Vor historischer Kulisse: Die QUEEN ELIZABETH und das Royal Liver Buidling.

Foto: Kai Ortel, Berlin

 

Halb-Schwestern vereint: Die QUEEN ELIZABETH und QUEEN VICTORIA in Liverpool.Halb-Schwestern vereint: Die QUEEN ELIZABETH und QUEEN VICTORIA in Liverpool. Foto: Kai Ortel, Berlin

Unterschiede im Detail: Am Kabinenlayout der Heckpartie kann man die QUEEN VICTORIA von ihrer jüngeren Halb-Schwester QUEEN ELIZABETH unterscheiden.
Unterschiede im Detail: Am Kabinenlayout der Heckpartie kann man die QUEEN VICTORIA von ihrer jüngeren Halb-Schwester QUEEN ELIZABETH unterscheiden.
Foto: Kai Ortel, Berlin

Die QUEEN VICTORIA und das Royal Liver Building.Die QUEEN VICTORIA und das Royal Liver Building.

Foto: Kai Ortel, Berlin

 

Die QUEEN VICTORIA ankert am Nachmittag des 25. Mai in der Mitte des River Mersey, die Flussfähre ROYAL IRIS dient ihr als Tender. Die QUEEN VICTORIA ankert am Nachmittag des 25. Mai in der Mitte des River Mersey, die Flussfähre ROYAL IRIS dient ihr als Tender. Foto: Kai Ortel, Berlin

Einen Tag vor dem historischen Zusammentreffen der drei Cunard-Queens in Liverpool hat die QUEEN MARY 2 am Abend des 24. Mai am Landing Stage in Liverpool festgemacht.
Einen Tag vor dem historischen Zusammentreffen der drei Cunard-Queens in Liverpool hat die QUEEN MARY 2 am Abend des 24. Mai am Landing Stage in Liverpool festgemacht. Foto: Kai Ortel, Berlin
Die QUEEN MARY 2 einlaufend Liverpool am Vormittag des 25. Mai 2015.
Die QUEEN MARY 2 einlaufend Liverpool am Vormittag des 25. Mai 2015. Foto: Kai Ortel, Berlin

Aufbruch zu alten Ufern: Am 30. Juni 2015 verlässt die QUEEN MARY 2 Hamburg, um ihre historische Atlantik-Überquerung via Liverpool, Halifax und Boston anzutreten.

Aufbruch zu alten Ufern: Am 30. Juni 2015 verlässt die QUEEN MARY 2 Hamburg, um ihre historische Atlantik-Überquerung via Liverpool, Halifax und Boston anzutreten. Foto: Kai Ortel, Berlin

Der „Boston Cup” wurde Samuel Cunard 1840 anlässlich der Eröffnung des Liniendienstes seiner Reederei zwischen Boston, Halifax und Liverpool überreicht. Heute ist er an Bord der QUEEN MARY 2 ausgestellt. Der „Boston Cup” wurde Samuel Cunard 1840 anlässlich der Eröffnung des Liniendienstes seiner Reederei zwischen Boston, Halifax und Liverpool überreicht. Heute ist er an Bord der QUEEN MARY 2 ausgestellt. Foto: Kai Ortel, Berlin

Zum Zeichen der königlichen Lizenz zur Postbeförderung steht auf der QUEEN MARY 2 ein original britischer Briefkasten. Zum Zeichen der königlichen Lizenz zur Postbe-

förderung steht auf der QUEEN MARY 2 ein origi-

nal britischer Briefkasten. Foto: Kai Ortel, Berlin

Reedereigeschichte zum Anfassen: An Bord der QUEEN MARY 2 ist die lange Tradition der Cunard Line in Form einer Dauerausstellung allgegenwärtig.Reedereigeschichte zum Anfassen: An Bord der QUEEN MARY 2 ist die lange Tradition der Cunard Line in Form einer Dauerausstellung allgegenwärtig. Foto: Kai Ortel, Berlin

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