Seereisenmagazin Die ganze Welt der Kreuzfahrt

 

 

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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

Der Kreuzfahrt gehen die Häfen aus!

Die Lage nach dem Attentat in Tunis

 

Der verbrecherische ISIS-Überfall vor dem Nationalmuseum in Tunis, die 23 Toten dort, davon 20 Kreuzfahrt-Passagiere, wird erhebliche Folgen haben. Nicht nur für Tunesien als Reiseland, sondern für die Kreuzfahrtbranche insgesamt. Der Kreuzfahrt gehen die Häfen aus. Tunesien, Wiege des sogenannten „Arabischen Frühlings”, galt bisher als einigermaßen sichere Urlauber-Destination. Das ist nun – leider! – vorbei. Die internationalen Kreuzfahrt-Reedereien werden Tunesien aus ihren Fahrplänen streichen, wie zuvor schon Libyen, Algerien, Libanon, Syrien, Irak, Iran ... auch Ägypten (mit Luxor und Assuan) und Jordanien (mit der Felsenstadt Petra) stehen unter misstrauischer Beobachtung. Etliche Schwarzmeer-Häfen fallen wegen der Ukraine-Krise aus.

Ein Fahrgast, der sich in solchen Ländern um seine Familie sorgen muss, wird umsteigen auf andere Reiseländer. Wobei niemand weiß, wann und wo die nächste Wahnsinnstruppe zuschlagen wird. Attentate hat es ja auch auf Bali (200 Tote), in Kenia, Nigeria und an der Elfenbeinküste gegeben. Kreuzfahrt-Passagiere scheinen eine leicht zu treffende Zielgruppe zu sein. Meist sind sie kompakt in Ausflugsbussen unterwegs. 50, 60 Personen in einer Gruppe. Potentielle Täter können leicht die Buchungstermine und die Ausflugsrouten dieser Reisebusse in Erfahrung bringen. Wer weiß schon, welcher „local guide”, welche der örtlichen Reiseführer mit welcher Terror-Organisation in Verbindung stehen? Diese Busse sind sehr leicht angreifbare Ziele.  

Deshalb glühen in den Büros der Kreuzfahrt-Routenplaner die Drähte. Das Problem: die sicheren Fahrtgebiete und Anlaufhäfen sind meist weit entfernt. So ist es zum Beispiel den Bonner Phoenix-Routenplanern gelungen, für ihre Weltreisen äußerst attraktive, neue und interessante Zielgebiete und Häfen zu entdecken. Das kann sich auch derjenige zunutze machen, der nur einen einzelnen Abschnitt solch einer Weltreise bucht. Was aber sollen diejenigen Reiseveranstalter tun, die auf ein ganz bestimmtes Areal des Globus gesetzt haben? Zum Beispiel auf den Orient und seine Emirate? Oder auf maghrebinische Routen? Manche dieser Reedereien rudern bereits zurück in vermeintlich sichere Gewässer.

Dies aber führt folgerichtig zur Überfüllung der „sicheren Häfen”. Im westlichen Mittel-

meer mit Destinationen wie Piräus, Venedig, Barcelona, Ajacchio, Monte Carlo ist schon jetzt kaum noch ein freier Liegeplatz zu haben. Die Kanaren sind auch überbucht und ausgelutscht. Marokko mit Agadir und Casablanca steht auf der Kippe. Wie werden sich die Verhältnisse dort entwickeln? Plantours – beispielsweise – haben soeben Hodeidah im Jemen aus ihrer Weihnachtsreise gestrichen, nachdem das Auswärtige Amt vor Anschlägen dort gewarnt hat. Westafrika hat noch mit Ebola-Auswirkungen zu kämpfen. Südafrika und Namibia sind zu weit. Von Australien und Neuseeland ganz zu schweigen. Die Südsee-Inseln sind für die Reedereien zu teuer – und ja ebenfalls am Rande ihrer Kapazitäten. Die Karibik, jedenfalls im Shuttle von Miami aus, lockt nur bedingt. Man wird Kuba neu entdecken, die Dom. Rep. beibehalten, Brasilien, Argentinien und Uruguay verstärkt ins Programm nehmen. Aber beim Zielgebiet Lateinamerika schlägt sich ja schon die lange Anreise erschwerend auf die Reisekosten nieder.  

Nun könnten ja die Betreiber der neuen Riesenschiffe, mit 3000 Urlaubern und mehr an Bord, ganz auf’s  Anlanden verzichten. „Urlaub auf See”, das Schiff als Reiseziel, so wie es einige Amerikaner schon praktizieren. Dort draußen auf dem weiten Meer ist man vor Terroristen einigermaßen sicher. Aber ob das dem deutschen und europäischen Urlauber behagt, erscheint mir äußerst fraglich. „Land und Leute” blieben auf der Strecke. Wobei mir Befürworter der gefahrlosen Ferien auf See entgegenhalten: „Der Cluburlauber auf Fuerte sieht auch nichts von Land und Leuten, da ist auch nur heiße Luft und Sand!”

Einige, vor allem amerikanische und norwegische Reedereien sind dazu übergegangen, für ihre Passagiere eigene Inseln zu pachten, vor allem in der Karibik. Abgeschottete Areale, auf denen sich das zu bräunende Übergewicht für ein paar Stunden zwischenlagern lässt, bevor es am Abend mit Sonnenbrand zurück an Bord getendert wird. Das ist zwar eine Möglichkeit des Zeitvertreibs, ob der sich aber noch mit „Kreuzfahrt” umschreiben lässt, erscheint mir mehr als fraglich.

Ein Vorschlag vielleicht: die ISIS bekommt gratis einige der aufliegenden Schiffe für eine eigene Kreuzfahrtflotte. Zum Beispiel die DEUTSCHLAND, die ja vor Gibraltar dümpelt und immer noch auf einen Käufer wartet. Dann können sich die Terroristen an Bord erholen, da draußen auch gern auf Fliegende Fische ballern, jedenfalls ihre Liebe zur See entdecken und andere Kreuzfahrer in Ruhe lassen. „Navigare necesse est” – das haben schon die Römer erkannt – und auch den Piraten zugestanden. Wer selber fröhlich ist, hat keine Lust zum Morden mehr.  (Ich weiß, dass die wirkliche Situation durchaus ernster ist und kaum Ironie oder Sarkasmus verträgt).  

Fast alle stellen nun um auf Nordland-Reisen. Aber so viel Nordland gibt es gar nicht. Am Nordkap stehen die Touris Schlange. Der Polargreis ist die bestimmende Figur an Bord geworden. Aus allen Zoos in Westeuropa werden Eisbären nach Nordnorwegen gebracht, um den Zehntausenden Touristen wenigstens  e i n  gelegentliches Foto-Ziel zu gönnen. Wer in der Dreier-Reihe an der Reling den weiter hinten Stehenden im digitalen Fokus steht, bekommt die Hurtig-Rute zu spüren. Zumindest verbal und meistens sächsisch. In den Fjorden reihen sich ganze Geleitzüge von Kreuzfahrtschiffen aneinander. Hamburg baut wegen des Nordland-Booms seinen dritten Kreuzfahrt-Terminal.

Die Ostseehäfen freuen sich über diesen gewaltigen Boom. An manchen Piers liegen drei, vier Riesenschiffe längsseits vertäut nebeneinander. Am meisten reiben sich die Russen in St. Petersburg die Hände. Trotz – oder gerade wegen der Sanktionen – strömen Zehntausende von Bord in die malerische Stadt an der Neva. Bringen Euros und Dollars und viel Verständnis mit. Die Eremitage hat längst aufgehört, eine Eremitage zu sein. Sie ist zum Massen-Magnet geworden. In Zarskoje Zelo, der alten Zarinnen-Residenz, rund 60 Autobuskilometer vom Pribaltiskaja-Kreuzfahrtterminal entfernt, gibt es 300 Meter lange Warteschlangen. Das neue Bernsteinzimmer als Pilgerziel deutscher Kulturbeflissener und Vergangenheitsbewältiger. Aber – die Kapazitäten der Ostseehafenstädte St. Petersburg, Riga, Helsinki, Stockholm, Danzig, Kopenhagen sind erschöpft. Nach Norden ausweichen kann die internationale Kreuzfahrtflotte nicht mehr ungebremst.

Was bleibt, ist eine naheliegende Lösung: aus den Riesenpötten demnächst Schwimmende Hotels zu machen. TUI Cruises haben angekündigt: für den Fall, dass Hamburg die Olympischen Spiele 2024 bekommt, ihre Flotte als Hotelschiffe anzubieten. Die Idee ist gut und naheliegend. Nur – TUI sollte sich besser in Boston bewerben. Mit Hamburg, das wird nix. Wenn doch, dann buche ich die „TUI 2” komplett. 1000 Kabinen – die habe ich dann in einer Woche verkauft.

Und nun Ihnen allen einen guten Frühling. Mögen wir von Anschlägen aller Art verschont bleiben. Die schönste Reise-Art der Welt darf nicht zerbombt werden. Das wünsche ich Ihnen und mir und einer ganzen wunderbaren Branche von tiefstem Herzen.

Ihr Herbert Fricke

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